Modesünden im Büro: Business-Outfits für Fortgeschrittene

Autor*innen
Patricia Hauck
Person im Anzug, die ihre Krawatte richtet. Der Kopf wurde durch einen Ziegenkopf ersetzt.

Seit Karl Lagerfeld wissen wir: Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Doch auch ohne Schlabber-Look kannst du mit deinem Business-Outfit danebenliegen – denn in Großkanzleien, der Wirtschaft, Politik oder Unternehmensberatung ist es mit Mode-Basiswissen nicht getan. Ein Insider verrät, über welche vermeintlichen Kleinigkeiten man in konservativen Branchen die Stirn runzelt, und wie du Modesünden im Büro vermeidest.

Bevor wir zu den Feinheiten kommen: Können Sie kurz das Einmaleins des Business-Looks aus Ihrer Sicht rekapitulieren?

Gern! Noch einmal in aller Deutlichkeit: Ein gepflegtes Aussehen ist das A und O, egal, ob es bei der Arbeit einen Dresscode gibt oder nicht. Das fängt bei frischen, wohlriechenden Klamotten an und hört erst bei sauberen Schuhen und ordentlich manikürten Händen auf.

Viele unterschätzen auch, dass und wie sehr es beim Geschäfts-Outfit auf Kleinigkeiten ankommt. Also lieber das Hemd einmal mehr als einmal zu wenig waschen, das Bügeleisen nicht in der Ecke verstauben lassen und regelmäßig den Kleiderschrank ausmisten – denn dreckige, ungebügelte oder gar kaputte Klamotten sind ebenso große Modesünden im Büro wie zu kurze Röcke. "Das wird schon niemand merken" ist ein Satz, den man in konservativen Branchen nicht einmal denken sollte.

Der zu kurze Rock ist ja eine der prototypischen Modesünden im Büro. Auf welche Regeln jenseits der geläufigen Basics wird Ihrer Erfahrung nach bei Frauen besonders großen Wert gelegt?

Bei allen Dresscode-Empfehlungen kommt es natürlich stark darauf an, in welchem Beruf man arbeitet. In konservativen Branchen, sprich in der Politik, der Beratung, im Bank- oder Rechtswesen, ist man aber gut beraten, auf Nummer sicher zu gehen. Hier ist es mit Basiswissen nicht getan – und deshalb kann Frau sich auch mit einem vermeintlich konservativen Geschäftslook bei Kolleginnen und Kollegen und Chef:innen ins Fettnäpfchen setzen.

Ein gutes Beispiel für modische Details, die bei vielen Frauen zu Unrecht als akzeptabel gelten, sind Puffärmel, Punkte und Peeptoes. Historisch betrachtet sind das klassische Pin-up-Attribute und somit echte Modesünden im Büro; selbst, wenn die entsprechenden Kleidungsstücke hinsichtlich Länge, Absätzhöhe und so weiter businesskonform wären. Ähnliches gilt für Rüschenblusen. Warum? Sie erinnern an den Stil der 70er-Jahre-Hippie-Bewegung und bringen somit wie die Pin-up-Mode eine ganze Reihe von Attributen mit sich, die im Geschäftsumfeld fehl am Platz sind. Auch auf grelle Farben, die ja in derselben Zeit ihren Durchbruch feierten, würde ich im Job verzichten, und sei es auch "nur" bei einer Handtasche: Die spart man sich am besten für die Freizeit auf.

Selbst Strumpfhosen sind eine Wissenschaft für sich. Eine fleischfarbene Strumpfhose sollte kaum sichtbar sein, wie Make-up für die Beine. Zu dunkle oder stark glänzende Strumpfhosen mit zu viel Den sind tabu – wir sind ja schließlich nicht beim Eiskunstlauf! Schwarze Strumpfhosen andererseits dürfen im Sommer gar nicht erst aus dem Schrank geholt werden, und zwar völlig unabhängig vom Wetter. Im Winter kann man die Entscheidung von der Länge der Ärmel abhängig machen. Bedecken sie die Arme, sollte man unten dunkel tragen, trägt man aber einen halben Ärmel oder kürzer, dann ist fleischfarben angesagt. Füßlinge sind nur erlaubt, wenn sie nicht aus dem Schuh herausgucken. Sonst lieber mit Feinstrumpf oder barfuß in den Schuh steigen.

Klingt so, als hätten es die Männer beim Business-Outfit viel leichter …

Nicht unbedingt. Männer können schon bei der Wahl des Hemds viel falsch machen. Zum Beispiel sollte Mann im Büro kein Hemd tragen, das auch nur ansatzweise glänzt. Wer im konservativen Umfeld auf Nummer sicher gehen will, trägt hellblaue oder weiße Hemden. Keine anderen Farben, auch im Sommer nicht! Selbst bei gestreiften oder karierten Hemden – und das habe ich mit eigenen Ohren gehört – muss man in manchen Kanzleien mit der Frage rechnen, ob denn schon Karneval sei.

Bei Krawatten gilt: Sie dürfen nicht zu schmal, nicht zu breit und nicht zu bunt sein, und reichen immer bis zum Hosenbund, baumeln also weder im Schritt noch auf Bauchnabelhöhe.

À propos "nicht zu schmal und nicht zu breit": Ich nehme an, auch die Passform spielt beim Business-Outfit eine wichtige Rolle?

Genau. Mir fällt auf, dass Frauen oft zu enge Sachen tragen, während bei Männern gerne mal die Hose zu kurz oder der Anzug zu groß ausfällt. Natürlich ist es nicht einfach, die perfekte Größe zu finden, vor allem, wenn Mann etwas kleiner und/oder schmaler ist, als es die gängigen Konfektionsgrößen abdecken, oder Frau etwas größer und/oder kräftiger. Ich empfehle deshalb gerade beim Kauf von Anzügen die Beratung im Fachgeschäft.

Wenn die Kleidung perfekt sitzt, wird es zum nächsten Patzer gar nicht kommen: Im Job möchte niemand Unterwäsche sehen, weder den Unterhosenabdruck unter einer engen Hose noch den BH unter der Bluse oder durch die Knopfleiste hindurch. Männer sollten auf die Sockenlänge achten, denn auch ein nacktes Männerbein kann alle Blicke auf sich ziehen – ganz ohne dabei zu begeistern. Wenn nötig auch gerne ein Unterhemd oder Kniestrümpfe tragen, um im Büro nicht negativ aufzufallen.

Sie sprachen vorhin auch von wohlriechender Kleidung: Worauf ist Ihrer Erfahrung nach bei Parfums und Rasierwassern im Geschäftsumfeld zu achten?

Wohlgeruch beginnt meines Erachtens schon vor Parfums und Bodysprays, nämlich bei den Klamotten. Werden die nach dem Waschen nicht richtig getrocknet, entwickeln sie schnell einen muffigen Geruch, den auch kein teures Duftwasser überdecken kann.

Bei Parfum ist mein wichtigster Tipp: Unterschätze niemals den Gewöhnungseffekt. Das Phänomen kennt eigentlich jeder. Reichten anfangs ein bis zwei Spritzer, nebelt man sich nach ein paar Wochen regelrecht ein, weil man das Parfum selbst nicht mehr wahrnimmt. Auf Mitmenschen aber wirken solche Überdosen unbeholfen bis unhöflich.

"Klotzen statt Kleckern" ist also Ihrer Erfahrung nach im Geschäftsumfeld kein gutes Motto?

Nein, zumindest nicht, wenn es für Geschäftspartner:innen und Kolleg:innen wahrnehmbar ist. In diesem Zusammenhang ist der Tipp wichtig, nicht mit Marken "rumzuprollen", auch nicht bei Accessoires. Gerade in konservativen Firmen wird viel Wert auf Hierarchien gelegt. Da kann es bei den Vorgesetzten schon mal schlecht ankommen, wenn Mitarbeiter:innen die Super-Bling-Bling-Markentasche oder den Hermes-Gürtel zur Schau tragen – ja, auch den habe ich schon im Büro gesehen.

Natürlich ist es erlaubt, sich gut anzuziehen und den Vorgesetzten zu zeigen, dass man in der gleichen Liga spielt. Aber Understatement wirkt stilsicherer als offensives Zur-Schau-Stellen. Als Beispiel aus der Politik fällt mir Ursula von der Leyen ein. Man sieht sie meistens mit einer zurückhaltenden Tasche von Longchamp, die preislich völlig im Rahmen liegt.

Haben Sie zum Abschluss noch eine Faustregel, mit der sich Modesünden im Büro vermeiden lassen?

Ich denke, man sollte sich immer seiner Stellung im Unternehmen angemessen anziehen. Ich habe mal zu Beginn meiner Karriere Station in einer Botschaft gemacht. Da sagte man mir, ich solle mich an der Chefin bzw. dem Chef orientieren, aber immer ein klein wenig legerer angezogen sein. Gleichzeitig sollte ich mich schicker anziehen als die Sachbearbeiter:innen. Wenn man sich an gleichgestellten Kolleg:innen orientiert, werden Modesünden im Büro unwahrscheinlicher. Tragen alle Anzug, trag Anzug! Tragen alle Kombi oder Sneakers, trag keinen Anzug!

Wie man Freiräume innerhalb der gebotenen Spielregeln gestaltet, bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Jeder hat seinen eigenen Stil und fühlt sich in Klamotten schön und selbstbewusst, die andere nicht gut finden. Das sollte Kleidung ja auch sein, finde ich – Schmuck und Rüstung.

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