Studieren in St. Gallen: Ein Fingerzeig Gottes
Ohne Dornenstrauch kein St. Gallen: Die Universitätsstadt wurde gegründet, weil ein irischer Mönch ins Stolpern kam. Wo einst nichts als ein Kloster stand, befindet sich heute eine Universität mit internationalem Renommee.
Um 612 wanderte der irische Mönch Gallus auf der Suche nach einer Eremitenzelle ins Hochtal der Steinach. Dort stolperte er und fiel in einen Dornenbusch. Ein Fingerzeig Gottes, dachte Gallus, und blieb.
Eine Mumie in der Bibliothek
Hundert Jahre nachdem er seine Eremitage am Fuße der Mühleggschlucht errichtete, wurde dort das Kloster St. Gallen gegründet. Im Mittelalter war es eines der bedeutendsten Kulturzentren Europas. Davon zeugt heute noch die Stiftsbibliothek: Der prächtige Rokokosaal beherbergt 160.000 Bücher, 2.100 Handschriften und eine 2.600 Jahre alte Mumie.
Begehrte Universität
Rund 1.300 Jahre nach Gallus' Zusammentreffen mit dem Dornenstrauch beschloss das Kanton St. Gallen, eine Universität zu gründen. 1898 als "Akademie für Handel, Verkehr und Verwaltung" ins Leben gerufen, wurde sie 1995 umbenannt in "Universität St. Gallen - Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)". Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät gilt als Aushängeschild der HSG. Sie ist die größte der Schweiz und auch weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Schweizer:innen studieren an der HSG ohne Aufnahmeprüfung. Schwerer haben es dagegen Ausländer:innen. Meist bewerben sich Deutsche für einen Studienplatz. Sie müssen einen Multiple-Choice-Test durchlaufen, der aus den vier Feldern Textverständnis, Quantitative Problemlösung, Sprachverständnis und Diagramminterpretation besteht. Die Konkurrenz ist hart: Die Universität St. Gallen nimmt jedes Jahr nur eine begrenzte Zahl ausländischer Bewerber:innen auf. Für die Aufnahme muss man im Regelfall die Aufnahmeprüfung erfolgreich bestehen. Zur Kasse gebeten werden alle Studierende. Für Nicht-Schweizer:innen kostet das Studium 3.126 CHF pro Semester im Bachelor-Studium.
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Highlight des Jahres
Einmal im Jahr, meist Ende Mai, organisieren Studierende aus St. Gallen und Harvard das St. Gallen Symposium. Dort treffen rund 600 Entscheidungsträger:innen von heute (Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft) auf 200 Entscheidungsträger:innen von morgen, um in einem konstruktiven Dialog ein aktuelles Thema zu diskutieren. Studierende bewerben sich über einen weltweiten Wettbewerb. Die Aufgabe: einen Aufsatz verfassen, der provoziert, zum Denken anregt oder ungewöhnliche Ideen vorstellt. Die Autoren der besten 200 Aufsätze nehmen am Symposium teil. Die besten drei erhalten einen Preis und dürfen ihren Aufsatz beim Symposium vorstellen.
Teure Schweiz
Das Leben in der Schweiz ist kostspielig. Besonders Ausländer:innen brauchen ein finanzielles Polster, wollen sie in St. Gallen studieren. Beispiel: Zahlt man in Deutschland für ein McDonalds-Menü mit Burger, mittlerer Portion Pommes und mittlerer Cola 6,50 Euro, kostet das Medium-Menü in der Schweiz 13 Franken. Etwas schlucken mussten wir bei den Preisen. Diese sind für die gleichen Produkte höher als in Deutschland. Die Studierendenschaft der HSG schätzt, dass Studierende pro Jahr 12.000 Euro benötigen. Das schließt Studiengebühren allerdings mit ein. Ein kleiner Lichtblick: Der St. Galler Wohnungsmarkt blieb bisher von Schweizer Preisen verschont. Durchschnittlich zahlen Studierende etwa 350-400 Euro für ein Zimmer. Und noch ein Plus: In St. Gallen findet jede:r eine Wohnung. Zwar gibt es einige Wohnheime, die meisten Studierenden wohnen jedoch privat in Wohngemeinschaften.
Work hard - play hard
Gefeiert wird an der HSG das ganze Jahr über. Dafür sorgen die Studierendenclubs und -vereine. Jeder Club richtet eigene Parties aus. Hinzu kommen die sozialen Höhepunkte des Uni-Lebens: die Erstsemesterparty, der Uniball und das berühmt-berüchtigte Unifest. Rund 80 verschiedenen Vereine gibt es an der HSG. Sie organisieren sich meist nach gemeinsamen Interessen. Zum Beispiel gibt es den Bankers Club, den Golf Club und das Ressort Kultur. Aber auch Studierende aus derselben Region organisieren eigene Clubs: den Skandinavischen Studentenverein, den Luzerner Verein oder den Schaffhauser Club. Am meisten Mitglieder hat der Ausländer-Club. Angeblich organisiert er auch die besten Parties.
Schöne Kneipenszene
Die Wochenenden in St. Gallen sind eher ruhig. Die meisten Schweizer Studierenden fahren übers Wochenende nach Hause. Denen, die bleiben, bietet St. Gallen vier Diskotheken und eine Menge kleiner Kneipen, auch "Beizen" genannt. Besonders die Beizen in der verwinkelten Altstadt eignen sich hervorragend für gemütliche Abende mit Freund:innen. Probieren sollte man dort die heimische Delikatesse: die St. Galler Bratwurst. Sie ist in der ganzen Schweiz bekannt. Im Oktober, während der alljährlichen "Schweizer Messe für Land- und Milchwirtschaft" (OLMA), gibt es eine Sonderedition: die OLMA-Bratwurst. Sie wiegt genau 165 Gramm und besteht aus Speck, Kalb- und Schweinefleisch.
Ausspannen im Umland
Ausflüge ins Umland St. Gallens lohnen sich - schon allein, um dem St. Galler Wetter zu entkommen. Wer von Stadt, Uni und Regen genug hat, der erholt sich bei Wassersport am Bodensee oder Skifahren und Wandern in den Alpen. Die Skigebiete sind in etwa einer Stunde zu erreichen. Sehenswert: der Berg Säntis. Er liegt nur 20 Minuten von St. Gallen im Appenzellerland. Von dem 2.500 Meter hohen Gipfel blickt man in sechs Länder: die Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und Liechtenstein.