Stellensuche: So gelingt die Bewerbung als Quereinsteiger
- Claudia Obmann
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Ob Fach- oder Führungskraft – auch wenn Ihr Anforderungsprofil nicht zu 100 Prozent passt, können Sie Ihr Ziel erreichen. Experten geben Tipps und Formulierungshilfen.
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Angestellte verharren oft in Jobs, die nicht richtig zu ihren Fähigkeiten passen. Das muss nicht sein. "Karrierewege verlaufen heute immer seltener gradlinig", sagt Stefanie Bickert, Jobexpertin bei der Online-Jobbörse Indeed. "Ein Quereinstieg oder ein Wechsel in ein neues Berufsfeld, bei dem das eigene Profil nicht vollständig den Anforderungen entspricht, wird zunehmend Normalität." Fachkräftemangel und demografischer Wandel sorgen dafür, dass so mancher Arbeitgeber solchen Kandidaten offener gegenübersteht als früher. Ein Indikator dafür ist, dass die Zahl der Stellenanzeigen, in denen es heißt: "Quereinsteiger oder Branchenwechsler willkommen", in den letzten fünf Jahren stetig gestiegen ist. 140.000 solcher Offerten sind bei Indeed.de aktuell gelistet. Hier geben Karriere-Experten Tipps, wie Sie sich erfolgreich auf Stellen bewerben, die außerhalb Ihrer Komfortzone liegen.
Tipp 1: Die Stellenanzeige als Checkliste betrachten
"Die Stellenanzeige ist wie ein Wunschzettel des Arbeitgebers", sagt Nane Nebel. Sie berät Führungskräfte aller Branchen und ist Autorin von Ratgebern wie "Die CEO-Bewerbung". In der Ausschreibung definiere ein Chef den idealen Angestellten für eine Position, doch jeder Führungskraft sei klar, dass es diesen nicht oder nur selten gibt. In ihrer Beratungspraxis beobachtet Nebel: "Besonders Frauen schrecken vor einer Bewerbung zurück, wenn sie nicht zu 100 Prozent das in der Stellenanzeige genannte Anforderungsprofil erfüllen." Und stehen sich so selbst im Wege.
In der Ausschreibung würden extrem viele Punkte erwähnt, die zwar schön seien, ohne die es aber auch gehe. Nebel rät daher: "Betrachten Sie die Stellenanzeige lediglich als eine grobe Checkliste. Wenn Sie zu 80 Prozent Häkchen machen können, schicken Sie Ihre Bewerbung unbedingt ab." Karrierecoach Bernd Slaghuis bestätigt: "Viele Kandidaten lassen sich zu schnell abschrecken." Er empfiehlt daher, sich folgende Fragen zu stellen, falls eine Stellenbeschreibung das Interesse weckt:
- Habe ich Lust darauf, diesen Job jeden Tag zu machen?
- Passt die Tätigkeit zu meinen Stärken?
- Gefällt mir die Marke, mag ich die Produkte, passt das Unternehmen zu mir und meinen Werten?
Slaghuis rät, sich das Anforderungsprofil erst dann anzuschauen, wenn die Antwort in allen Fällen "ja" laute. Dabei gelte es, "realistisch, aber nicht zu streng mit sich zu sein", so Slaghuis. "Wenn Sie sich vorstellen können, nach einer gewissen Einarbeitungsphase diese Stelle ausfüllen zu können, dann bewerben Sie sich."
Tipp 2: Die Anforderungen richtig interpretieren und gewichten
Die Kunst liegt darin, aus einer Stellenanzeige herauszulesen, worauf es dem neuen Arbeitgeber wirklich ankommt. Dazu ist es nützlich, sich zunächst die sprachlichen Feinheiten bewusst zu machen. Wird etwa ein "Vertriebsmanager für Pharmaprodukte" gesucht, der "über mindestens zehn Jahre Erfahrung in der Pharmabranche verfügt", dann habe es Slaghuis zufolge wenig Sinn, wenn sich jemand bewerbe, der vorher zum Beispiel zehn Jahre lang Stahl verkauft habe. Denn die Formulierung verdeutliche, dass der Arbeitgeber von einem neuen Mitarbeiter umfassendes Branchen-Know-how und Produktwissen sowie eine ausgeprägte Vernetzung erwarte, "von der er mit Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses direkt profitieren möchte", erklärt der Karrierecoach. Heißt es dagegen in einer Stellenofferte: "Kenntnisse zu KI-gesteuerter Produktion von Vorteil" oder "Spanisch-Kenntnisse wünschenswert", dann handelt es sich bei diesen Fertigkeiten nicht um ein Muss.
Formulierungen in Stellenanzeigen lassen häufig Spielraum für Interpretationen – auch zugunsten von Quereinsteigern. Das verdeutlicht Nebel an einem Beispiel: Ein Unternehmen aus dem Anlagenbau in Baden-Württemberg sucht "eine neue Führungskraft für die Steuerung multikultureller Teams an fünf Standorten weltweit".
Hinter einer solch knappen Aussage verbergen sich Details, die für die Erfolgsaussichten einer Bewerbung wichtig sind, wie die Karriereberaterin erläutert: "Die Unternehmenssprache dürfte Englisch sein. Aufgrund der Zeitverschiebung ist das kein Job, der sich im üblichen Zeitrahmen zwischen neun und 18 Uhr erledigen lässt. Außerdem erfordert eine internationale Belegschaft erhöhtes Moderations- und Führungspotenzial." Ihr Fazit lautet: "Keine Aufgabe für den Durchschnittsmanager mit Deutschland-Fokus." Aber wer als Führungskraft etwa in der Fahrzeugindustrie unter solchen globalen Rahmenbedingungen bereits erfolgreich gewesen sei, brauche mit seiner Bewerbung nicht zu zögern.
Als "vernachlässigbar" betrachten beide Experten die Liste der gewünschten persönlichen Eigenschaften von Bewerbern. Diese sogenannten Soft Skills finden sich in der Regel gegen Ende des Anforderungsprofils. Formulierungen wie "Sie sind belastbar" oder "kommunikationsstark" sind Slaghuis zufolge "meist nur leere Worthülsen“. Und Expertin Nebel bestätigt mit Blick speziell auf Führungskräfte: "Vieles davon ist selbstverständlich, etwa dass sie strategisch und analytisch oder teamfähig sein müssen." Also gilt auch hier wieder aus Bewerbersicht: Haken dran.
Tipp 3: Von Lücken nicht verunsichern lassen
Oft sind Wissenslücken weniger dramatisch als angenommen. Noch nicht mal ein nicht vorhandenes oder abgebrochenes Studium muss ein K.o.-Kriterium sein. Ganz im Gegenteil. Oft machen einschlägige Erfahrungen und berufliche Erfolge von Kandidaten sogar explizit verlangte, aber fehlende akademische Abschlüsse wett.
Karriereberater Slaghuis berichtet von einem aktuellen Fall. Sein Klient ist Mitte 50 und hat sich in den vergangenen 30 Jahren in einem Industrieunternehmen vom Azubi in eine leitende Funktion im Produktionsbereich hochgearbeitet. Der Wechselwillige stieß auf eine interessante Annonce, ließ sich aber dann von der darin genannten Anforderung "Sie haben Maschinenbau studiert oder einen vergleichbaren Abschluss" verunsichern: "Da kann ich mich doch ohne Studium nicht bewerben." "Doch, unbedingt", bestärkte ihn dagegen Slaghuis. Schließlich seien 30 Jahre Berufs- und Führungserfahrung heute viel wertvoller als ein altes Uni-Diplom.
Tipp 4: Den Fokus auf übertragbare Fähigkeiten richten
Wer nicht alle fachlichen Voraussetzungen erfüllt oder eine ausgeschriebene Position noch nicht innehatte, sollte den Fokus seiner Bewerbung auf übertragbare Fähigkeiten richten, die für den neuen Arbeitgeber nützlich sind. Nane Nebel erklärt, wie eine geänderte Betrachtungsweise persönliche Stärken ans Licht bringt, an folgendem Szenario: "Ein junges Unternehmen sucht eine Führungskraft, um ein internationales Einkaufsteam aufzubauen. Als erfahrene Abteilungsleiterin im Einkauf eines Mittelständlers haben Sie selbst zwar noch kein solches Team etabliert, aber Sie waren bei Ihrem bisherigen Arbeitgeber maßgeblich an einer Umstrukturierung beteiligt." Das bedeutet der Expertin zufolge, dass Sie sich mit der Gestaltung von Einkaufsteams schon intensiv beschäftigt haben. Nebel sagt: "Das sind vergleichbare Erfahrungen, mit denen sich bei einem potenziellen Chef punkten lässt." Gleiches gelte, so die Expertin, wenn Sie vielleicht schon mal eine Logistikabteilung oder eine Vertriebseinheit aufgebaut haben. Auch wenn es sich dabei um andere Geschäftsbereiche handele, seien grundsätzlich notwendige Kompetenzen vorhanden. Wenn Sie dann noch den entsprechenden Erfolg mit konkreten Zahlen in Anschreiben und Lebenslauf belegen können, so Nebel, "spricht viel für Sie".
Tipp 5: Selbstbewusst persönliche Stärken betonen
Ob Bewerbung oder Vorstellungsgespräch: Entscheidend ist, wie die eigenen Fähigkeiten dargestellt werden. Nebel greift zu einem Vergleich: "Will ich einen Porsche vermarkten, schreibe ich nicht auf das Werbeplakat: 'Dieses Auto hat keinen Kofferraum', sondern werbe mit PS und seiner Beschleunigung." Gleiches gelte für Bewerber. Sie sollten nicht auf Schwächen hinweisen, sondern selbstbewusst ihre Stärken betonen, die der neue Arbeitgeber benötige.
So könnte eine entsprechende Formulierung aussehen: "Ich bin überzeugt, dass meine in der Branche x erworbenen Kompetenzen, Erfahrungen und Methodiken sich auf Ihre Branche sehr gut übertragen lassen. Und dass sich Erfolge, die ich erzielt habe, in Ihrem Unternehmen in der neuen Rolle als y wiederholen lassen."
Tipp 6: Die Bewerbung exakt auf die Stelle zuschneiden
"Personalverantwortliche erkennen schnell, ob eine Bewerbung auf die Stelle zugeschnitten ist", sagt Jobexpertin Stefanie Bickert von der Jobbörse Indeed. Wer also sicherstellen will, dass seine Unterlagen nicht im Papierkorb landen, verschickt besser kein Standardschreiben, sondern geht individuell auf die ausgeschriebene Stelle sowie das Unternehmen ein.
Ein Kandidat muss dem potenziellen Arbeitgeber darüber hinaus klarmachen, dass er oder sie als Quereinsteiger einen hohen Wert für das Unternehmen hat und eine sehr große Motivation mitbringt. Um die Wechselmotivation überzeugend zu schildern, schlägt Experte Slaghuis folgende Formulierung vor: "Mir ist bewusst, dass mein Lebenslauf nicht dem geforderten Profil entspricht, doch es reizt mich, in Zukunft stärker (…) und hierfür halte ich meine Erfahrungen (...) für besonders wertvoll."
Tipp 7: Ihre Lernbereitschaft glaubwürdig darlegen
Der Bewerbungserfolg hängt oft von Details ab. Dazu gehört, ob es einem Kandidaten gelingt, Flexibilität und Lernbereitschaft zu signalisieren. Mit folgendem Formulierungsvorschlag von Nane Nebel gelingt das: "An meinen beruflichen Stationen habe ich immer bewiesen, dass ich mich sehr schnell in neue, auch komplexe Themen einarbeiten kann." Die Beraterin rät dazu, eine solche Aussage unbedingt mit einem überzeugenden Beispiel zu flankieren, wie diesem: "Zuletzt habe ich mich innerhalb von vier Wochen in SAP Hana eingearbeitet und anschließend die Projektleitung übernommen." "So lässt sich zeigen, was der bisherige Chef einem Kandidaten alles zugetraut hat. Gleichzeitig liefert er oder sie einen Beweis für Erfolg", erklärt Nebel. Hat der Bewerber bereits eine Fortbildung begonnen, sollte das ebenfalls unbedingt in Anschreiben und Lebenslauf erwähnt werden, rät Karrierecoach Slaghuis: "Arbeitgeber bewerten es positiv, wenn Quereinsteiger damit zeigen, dass sie es mit ihrer neuen Ausrichtung ernst meinen."
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