Der Sprachstil im Bewerbungsschreiben: Schwulst und Schleim, das lass sein

Autor*innen
Julia Büttner und Lukas Oldenburg
Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch und schreibt an einem langen Dokument, das sich schon am Boden aufrollt. Über ihm schwebt eine Sprechblase, in der Gekritzel geschrieben ist.

Klar, das Anschreiben für eine Bewerbung ist eine etwas überförmliche Sache. Aber das heißt nicht, dass man nur in Ultrahöflichkeitsformeln und Superlativen schreibt. An den Haaren Herbeigezogenes und Angeber-Infos solltest du konsequent weglassen. Unsere Beispiele stammen aus echten Bewerbungen – leicht verfremdet und anonymisiert.

Anschreiben zu formulieren will gelernt sein

Schleim und Geschwurbel, Doppelungen und Angebereien – ein gutes Anschreiben zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass du all das weglässt. Und so geht's:

An den Haaren herbeigezogene Einstiegssätze

Stelle keine weit hergeholten Kausalzusammenhänge her:

Durch mein Elternhaus kam ich sehr früh mit Computern in Berührung und habe daher kaum einen Trend im Onlinebereich der letzten zehn Jahre verpasst.

Wow, "früh mit Computern in Berührung"! Ende der Achtziger wäre das vielleicht noch etwas Besonderes gewesen. Heute ist es das nicht mehr, und es taugt schon gar nicht als Herleitung dafür, dass man für eine Stelle als Kampagnen-Manager/IT-Consultant/Online-Redakteur geeignet ist.

Durch meine laufende Tätigkeit als Marketing-Assistentin sind mir der gute Ruf Ihres Unternehmens sowie seine vielseitigen Aufgabengebiete bekannt.

(Bewerberin, die sich bei einem Nicht-Marketingunternehmen bewirbt)

Wieso weiß man als Marketing-Assistentin automatisch etwas über den Ruf eines Unternehmens? Wenn du dich bei der Konkurrenz deines bisherigen Arbeitgebers bewirbst, kann man diesen Einstieg vielleicht noch nachvollziehen. Aber auch dann klingt es nach einer eher erzwungenen Herleitung.

Spezialistenwissen, das keinen interessiert

Gib nicht gleich im Einstiegssatz zu erkennen, dass du eigentlich nicht auf die Stelle passt:

Nach dem erfolgreichen Abschluss meines Ägyptologiestudiums an der Universität Stockholm lebte ich acht Monate in Syrien, um meine in Deutschland erworbenen Arabischkenntnisse praktisch anzuwenden und in Sprachkursen zu erweitern.

(Bewerber für Online-Redaktion)

Wenn du dich für eine Stelle beim Ägyptischen Museum oder als Arabisch-Dolmetscher bewirbst, ist so ein Einstieg natürlich schön. Ansonsten gilt: Widerstehe der Versuchung, mit exotischen Kenntnissen oder tollen Auslandsaufenthalten angeben zu wollen, wenn diese nichts mit der Stelle zu tun haben – schon gar nicht im ersten Satz!

Schwulst und Schleim: Erstick's im Keim

Ein Projekt wie gesichterbuch.de übt aus vielerlei Blickwinkeln eine große Anziehungskraft aus: Das jederzeit zugängliche Format einer Onlineplattform stellt eine fortschrittliche Methode des bequemen und einfachen Informationszugangs dar, die in unserem schnelllebigen Zeitalter fast schon unabdingbar ist.

Das heißt nichts anderes als:

Die Online-Plattform gesichterbuch.de ist für viele attraktiv, denn darüber kommt man jederzeit bequem an Informationen.

Wieso nicht gleich so? Bei Verweisen auf "unser schnelllebiges Zeitalter" oder "die globalisierte Welt" schrillt der Phrasen-Alarm.

Nonsense und Doppel-Moppel

Die Super-Duper AG interessiert mich besonders, weil sie ein umfassend agierendes Unternehmen ist, das sich auf dem agilen Markt der Karriere-Netzwerke erfolgreich bewährt.

Was ist denn ein "umfassend agierendes Unternehmen"? Und kann man sich auch nicht-erfolgreich bewähren? Muss das "agile" vor den "Markt"? Adjektive und Adverbien sind nicht zur Dekoration da!

Unterstellungen und Behauptungen im Anschreiben

Das von der Giga GmbH angestrebte Ziel, Wurstsalatfabriken bei der Suche nach geeigneten Vertriebspartnern zu unterstützen, diese Suche gewissenhaft zu gestalten und zu begleiten ist zukunftsweisend und bietet ein breites Spektrum an Inhalten und Themenbereichen, so dass sich die Arbeit fordernd und abwechslungsreich gestaltet.

Wie kann jemand eine derartige Aussage treffen über eine Arbeit, die er nicht kennt? Wieso "gewissenhaft" – wie kommt der Bewerber darauf, dass die Giga GmbH das "gewissenhaft" tut, und welche Zusatzinformation bringt das? Und welche Inhalte gehören zu diesem angeblich so "breiten Spektrum"?

Achtung, glitschiges Anschreiben!

Schleimwörter wie "zukunftsweisend", "innovativ", "vielfältig", "breites Spektrum", "umfassend" sowie Füllwörter wie "Bereich" kannst und solltest du ersatzlos streichen. Das gleiche gilt für Redundanzen (wo ist der Unterschied zwischen "Inhalten" und "Themenbereichen"?).

Den Leser mit Adjektiven erschlagen

Die Möglichkeit, an solch einem Projekt mitzuarbeiten, bietet auch gleichzeitig die Gelegenheit, mit einem vielseitigen und modernen Medium umzugehen, das unbegrenzte Flexibilität und Dynamik bietet, gewährleistet durch den ständigen Austausch innerhalb von Internet-Foren. Diese Arbeitsweise stellt für mich eine neuartige und beispielhafte Entwicklung in der Welt der Wirtschaft dar, an der ich gerne maßgeblich beteiligt wäre.

Schleimig, verschwurbelt und inhaltlich fast schon lächerlich: Wieso sind Internet-Foren "neuartig" und "beispielhaft"? Was will der Autor sagen? Wahrscheinlich:

Das Projekt bietet Gelegenheit zum Austausch in Internet-Foren – das finde ich zukunftsweisend, daher wäre ich gerne daran beteiligt.

Unplausible Kausalzusammenhänge

Darüber hinaus spreche ich fließend Englisch, was etwa mein Auslandssemester beweist.

Nein. Beweise sind TOEFL & Co., wer ein Auslandssemester gemacht hat, beweist nicht seine Kenntnisse. Außerdem ist fließendes Englisch für die meisten Akademikerpositionen eine Sine-Qua-Non-Voraussetzung. Darauf braucht man also eigentlich nicht einmal einzugehen, es sei denn, man hat wirklich aus irgendeinem Grund außergewöhnliche Kenntnisse.

Unbewiesenes und Unbeweisbares

Zu meinen Stärken gehören auch Konzeptions- und Umsetzungsstärke, Kreativität, ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit sowie Gestaltungswille, Kontaktfreudigkeit, Kommunikationsstärke, und sehr gute PC-Kenntnisse.

Das kann nun wirklich jeder von sich behaupten. Dennoch versuchen viele, Eigenschaften wie Flexibilität mit dem Studienfach zu begründen. In den Geisteswisssenschaften wird diese Tendenz dadurch verstärkt, dass die thematische Ausrichtung häufig breiter ist und Absolventen in den unterschiedlichsten Branchen arbeiten.

Plumpe Selbstlobhudelei

Durch mein exotisches kulturwissenschaftliches Studium und meine Tätigkeiten an der Universität Pumpelhausen erwarb ich mir ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbständigkeit, ich lernte in einem Team zu arbeiten und sowohl mit Vorgesetzten und Kollegen, als auch mit Mitarbeitern der Presse und Kunden zu kommunizieren. Flexibilität, Engagement und Überzeugungskraft eignete ich mir während der Arbeit im Fingerhut-Museum Pumpelhausen an und erweiterte diese während meines Praktikums bei der Giga GmbH.

Hier wird löblicherweise versucht, einen Zusammenhang herzustellen zwischen Studium, Arbeit, Praktikum und persönlichen Fähigkeiten. Das ist grundsätzlich sinnvoll, aber in diesem Fall ziemlich plump. Aus diesen Stellen geht nicht automatisch hervor, dass der Bewerber eigenverantwortlich, selbstständig, teamfähig, flexibel, engagiert und überzeugend ist.

Erkläre stattdessen lieber, was du konkret an der Uni Pumpelhausen gemacht hast. Daraus lässt sich vielleicht ableiten, warum du dadurch eigenverantwortliches Arbeiten gelernt hat. Wer zum Beispiel erfolgreich im Vertrieb gearbeitet hat, kann mit Überzeugungsfähigkeit kommen, wer im Kundendienst gearbeitet hat, mit Empathie und Dienstleistungsorientiertheit. Wer selbstständig gearbeitet hat, dem glaubt man die "Eigenverantwortlichkeit".

Der schmale Grat zur Angeberei

Der Grat zwischen selbstbewusstem Auftreten und peinlicher Angeberei ist manchmal schmal. Überschritten wurde er hier:

"Von vielen Seiten wurde mir bestätigt, und ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Arbeitsfeld meinen Fähigkeiten entspricht. Ich konnte beweisen, dass ich komplexe Zusammenhänge schnell durchschaue, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden kann und Feinheiten der deutschen Sprache beherrsche."

Wie konnte der Bewerber das beweisen? Jedenfalls nicht durch dieses Anschreiben! Gut kommt es dagegen an, wenn man zum Beispiel Internet- und Zahlenaffinität nicht nur behauptet, sondern auch nachvollziehbar begründet, etwa so:

Neben Erfahrungen im Wurstverkauf bringe ich auch Affinität und Verständnis für das Medium Internet mit. Letzteres habe ich während des vergangenen Semesters bei einem Webseitenprojekt im Fach Informatik bewiesen, welches ich mit der Note 1,0 abschloss.

Oder so:

Darüber hinaus habe ich an einem Projekt zur Entwicklung einer Tutorial-DVD bei der Super GmbH mitgearbeitet. Meine Aufgabe bestand darin, Tonaufnahmen zu machen, zu bearbeiten und zu synchronisieren. Hierbei habe ich gelernt, effektiv und zielorientiert unter Zeitdruck zu arbeiten.

Der erste Satz – so geht's

Idealerweise sieht der Adressat gleich im ersten Satz, warum du ein relevanter Bewerber für ihn bist. Diese Begründung ist schwer, vor allem, wenn man nicht wirklich passt, sich aber trotzdem bewirbt. Im Zweifel: Lieber die Begründung im ersten Satz sparen und dafür später glänzen.

Mach's kurz

Du musst im ersten Satz keinen Beweis überragender Originalität abliefern und auch keine tiefenpsychologische Selbstanalyse. Sag einfach, auf welche Stelle du dich bewirbst und wo du von der Ausschreibung erfahren hast (mehr zur richtigen Quellenangabe).

"mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung bei e-fellows.net gelesen und möchte mich Ihnen als Experte für Wurstsalatvertrieb vorstellen."

"über xyz habe ich Ihre Stellenausschreibung für einen Design Consultant gefunden. Auf diese Stelle bewerbe ich mich hiermit, da ...."

Anknüpfungspunkt Telefonat

Noch besser: wenn man auf ein vorab geführtes Telefonat oder Treffen Bezug nehmen kann.

"(zuerst/zunächst) vielen Dank für das angenehme/ausführliche/freundliche/offene Gespräch/Telefonat/Messegespräch/Treffen. Wie besprochen übersende ich Ihnen meine (vollständigen) Unterlagen / Hier wie verabredet meine Unterlagen..." oder ganz kurz und knapp:

"ich beziehe mich auf unser heutiges Telefonat und schicke Ihnen meine Unterlagen..."

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