Arbeitsmarkt: So erhöhen Sie Ihre Chancen bei der Jobsuche

Autor*innen
Julia Beil
Eine Hand hält eine Lupe. Der Unterarm ist so bearbeitet, dass er wie Treppenstufen aussieht. Eine Frau geht die Treppe hoch.

Trotz Fachkräftemangels sind immer weniger Stellen ausgeschrieben. Selbst zuvor begehrte IT-Spezialisten haben es zurzeit nicht leicht. Fünf Tipps für Arbeitssuchende in einem schwierigen Markt.

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Die Phase des ungebremsten Stellenwachstums scheint vorerst beendet: Diesen Schluss legt der aktuelle Fachkräfteindex des Personaldienstleisters Hays nahe. Das Unternehmen gibt ihn gemeinsam mit den Marktforschern der Berliner Index-Gruppe heraus. Im zweiten Quartal dieses Jahres haben Unternehmen in Deutschland demnach so wenige Stellen ausgeschrieben wie zuletzt 2021.

"Die Unsicherheit ist nach wie vor groß, und Investitionen in neues Personal reißen ab", sagt Hays-Deutschlandchef Alexander Heise. Arbeitgeber versuchten gerade, die diversen Transformationsprozesse mit "einer reduzierten Belegschaft" zu stemmen und "die Kosten dauerhaft im Griff zu behalten". Diese Vorsicht spiegelt sich auch darin wider, dass Unternehmen über alle Branchen hinweg weniger einstellen.

Nur zwei Beispiele: Im verarbeitenden Gewerbe wurden im Vergleich zum Vorquartal knapp ein Viertel weniger Stellenanzeigen geschaltet. Und selbst in der IT-Branche – eigentlich von einem historischen Personalmangel gebeutelt – ist die Zahl der Stellengangebote um mehr als 20 Prozent gesunken.

Was aber bedeutet diese Entwicklung für Bewerberinnen und Bewerber? Wie groß sind ihre Chancen auf lukrative Jobangebote und wie können sie diese erhöhen? Darüber hat das Handelsblatt mit Arbeitsmarktexperten und Bewerbungsprofis gesprochen.

Um die Arbeitsmarktdaten zu sammeln, werten die Hays-Fachleute Stellenanzeigen aus, die Unternehmen auf den großen Online-Jobbörsen, in Tageszeitungen oder dem Jobnetzwerk Xing schalten. Die jüngsten Ergebnisse des Reports zeigen, dass die Nachfrage nach neuen Mitarbeitenden teils dramatisch gesunken ist. Das gilt branchenübergreifend für alle Unternehmen.

Im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres ist die Zahl der Stellenanzeigen bei den freiberuflichen Dienstleistungen am stärksten geschrumpft. "Auch Projektbudgets wurden eingeschmolzen und für andere Zwecke eingesetzt oder ganz gestrichen", sagt Alexander Heise. Aber auch im Handel gebe es einen starken Abwärtstrend, weil der Konsum ausbleibe. In der Baubranche wirken sich hohe Zinsen im Wohnungs- und Gewerbebereich auf die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen aus.

Einbruch bei IT-Jobs: Selbst Fachleute sind überrascht

Blickt man auf die einzelnen Berufsgruppen, nach denen die Unternehmen suchen, stellt man auch hier einen Abwärtstrend fest. Selbst die Nachfrage nach den sonst so begehrten IT-Spezialistinnen und -Spezialisten ist im Vergleich zum Vorquartal eingebrochen. Darunter fallen etwa Entwickler, Administratorinnen, Berater oder auch Sicherheitsexpertinnen.

Gerade bei Letzteren hat sich die Nachfrage extrem abgekühlt, sagt Hays-Chef Heise. "Dieser Einbruch hat mich schon erstaunt", so der Manager. Denn dieses Jahr stünden komplexe IT-Regularien ins Haus, die in den Unternehmen jemand steuern müsse. Auch wenn es teils heikel sei, solche Themen outzusourcen, entschieden sich offenbar viele Unternehmen dafür – statt Inhouse-Sicherheitsexperten ihre meist überdurchschnittlichen Gehälter zu zahlen.

Am härtesten getroffen hat es allerdings jene, die im Personalbereich (Human Resources, HR) auf Jobsuche sind. Hier ist die Zahl der Stellenanzeigen im Vergleich zum ersten Quartal um mehr als ein Viertel eingebrochen.

Heise erklärt das so: Viele HR-Abteilungen müssten sich gerade ausschließlich darum kümmern, Restrukturierungen personell abzuwickeln, also etwa Stellenabbau und Transformation zu managen. "Bei diesem organisatorischen Umbau haben neue Planstellen keine Priorität." HR-Positionen, die noch im ersten Quartal hätten hinzukommen sollen, würden nun geschoben oder gestrichen. Stellen würden erst einmal nicht nachbesetzt.

Es ist eine ganz neue Konstellation für Bewerberinnen und Bewerber – hatten sie doch lange Zeit eine dominante Marktposition inne und waren oftmals in der Lage, ihre Bedingungen bei einem Stellenwechsel durchzusetzen.

Hoffnungslos ist die Situation aktuell aber keineswegs, sagt der renommierte Karrierecoach Bernd Slaghuis. "Arbeitnehmer sollten sich nicht von einem Wechsel abhalten lassen oder sogar schlechte Jobs länger aushalten, nur weil der Arbeitsmarkt aktuell etwas zurückhaltender mit Neubesetzungen ist."

Slaghuis hat schon mehr als 2.000 Menschen zu ihrem beruflichen Werdegang beraten und sagt: Die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sinkt zwar gerade. "Aber das sollte nicht dazu führen, als Jobwechsler eine Bittstellerhaltung einzunehmen." Was Arbeitsmarktexperten und Karrierecoaches empfehlen, um trotz schwieriger Bedingungen am Markt an ihren Traumjob zu kommen:

1. Die Schockstarre der anderen nutzen

Anna Lüttgen ist bei Hays Direktorin für Talentmanagement und Recruitment. Sie beobachtet, dass viele Beschäftigte gerade eher ängstlich in ihren Jobs verharren statt zu wechseln. Die Marktsituation verunsichere die meisten Arbeitnehmer. "Selbst wenn man die eigene Karriere durch einen gezielten Jobwechsel deutlich beschleunigen könnte, entscheiden sich viele aktuell eher dafür abzuwarten", so Lüttgen. Auf ausgeschriebene Jobs kommen so weniger Bewerbende.

Die Hays-Experten beobachten, dass suchende Bewerber aktuell qualifizierter sind als noch vor einem Jahr. Gleichzeitig sind wechselwillige Kandidaten rarer. Wenn Unternehmen in dieser Lage eine Chance haben wollten, an hochqualifizierte Talente zu kommen, müssten sie antizyklisch rekrutieren, sagt Hays-Deutschlandchef Heise – und oft hohe Gehälter als Lockmittel bieten. Eine gute Nachricht, die alle Jobsuchenden gerade im Hinterkopf behalten sollten.

2. Sich nicht abschrecken lassen

"Unternehmen nehmen aktuell jede einzelne Einstellung deutlich genauer unter die Lupe", sagt Lüttgen. Bewerberinnen und Bewerber sollten sich deswegen auf umfangreiche, oft mehrstufige Auswahlverfahren einstellen. Auch auf eine Rückmeldung werden Kandidaten tendenziell länger warten müssen.

All das sollte nicht dazu führen, dass Jobsuchende viele Abstriche machen, was ihren Gehaltswunsch, ihre Arbeitsbedingungen oder ihr Aufgabenprofil angeht. Solange sie die richtige fachliche Qualifikation mitbringen, sollten sie auch in der aktuellen Situation weiter selbstbewusst auftreten, sagt der erfahrene Berliner Bewerbungscoach und Buchautor Jürgen Hesse. "Ich bin immer erstaunt von der schüchternen Zurückhaltung vieler Bewerber."

3. Als Bewerber breiter aufstellen

Karrierecoach Bernd Slaghuis rät Bewerberinnen und Bewerbern gerade jetzt dazu, gut durchdachte Eigenwerbung zu machen. Heißt konkret: Aktualisieren Sie Ihr Profil bei Business-Netzwerken wie LinkedIn. Machen Sie dort – wenn möglich – auch über den Status sichtbar, dass sie gerade einen neuen Job suchen.

Es hilft außerdem, wenn Kandidatinnen und Kandidaten sich nicht zu sehr als Spezialisten für nur ein einziges Jobprofil inszenieren. Besser: Präsentieren Sie ein breites Spektrum dessen, was Sie können. So erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass Headhunter Ihr Profil auch in den Suchergebnissen zu benachbarten Zielpositionen angezeigt bekommen – und Sie auf ihre Listen nehmen.

Auch wenn Sie online angeben, nach was für einer Position Sie suchen, sollten Sie sich nicht zu sehr einschränken. Slaghuis nennt ein Beispiel: Eine wechselwillige Anwaltsgehilfin kann nicht nur nach Stellen mit genau dieser Bezeichnung recherchieren – sondern etwa nach Keywords wie "Notarfachangestellte", "Justizfachangestellte" oder "Sachbearbeiterin im Versicherungswesen" oder sogar "Projektmanagerin in einer Anwaltskanzlei".

"Überlegen Sie, in welchem etwas anderen Kontext als bisher ein Großteil Ihres vorhandenen Erfahrungswissens auch wertvoll sein könnte", rät Slaghuis. Auch andere Branchen, Themengebiete oder Jobschwerpunkte könnten potenziell interessant sein.

4. So flexibel wie möglich sein

Offen für andere Jobprofile oder Branchen zu sein ist die eine Sache. Eine andere ist es, zu hinterfragen, welche Arbeitsbedingungen Ihnen wirklich wichtig sind. Muss die neue Stelle wirklich im Großraum Ihres Wohnorts liegen – oder wären Sie bereit, zu pendeln oder einen "Fully Remote"-Job anzunehmen? Soll es bei der Vollzeitstelle bleiben, oder käme auch ein Teilzeitjob infrage? Muss es ein Dax-Konzern sein, oder gibt es vielleicht andere Arbeitgeber, die zwar weniger bekannt sind, bei denen Sie dafür aber andere Vorteile hätten?

Wer bei all diesen Kriterien flexibel ist, erhöht seine Chancen auf einen Erfolg auch unter den aktuellen Bedingungen, meint Slaghuis. Manchmal, sagt er, merkten Wechselwillige nach genauerer Überlegung sogar: Um die Arbeitsbedingungen zu erreichen, die sie sich wünschen, ist gar kein Jobwechsel nötig. "Oft genug gibt es auch interne Möglichkeiten, etwas zu verändern."

5. Nicht in Panik verfallen

"Niemand sollte sich wegen solcher Marktzyklen und möglicherweise saisonaler Schwankungen unter Druck setzen", so Slaghuis. Die Sorge, schon ab morgen keine interessanten Ausschreibungen mehr zu finden, sei ungerechtfertigt. Panik sei keine gute Voraussetzung für einen Jobwechsel.

Bewerbungscoach Hesse pflichtet ihm bei. Wichtig sei es, vor einem potenziellen neuen Arbeitgeber ruhig aufzutreten. "Selbst wenn Sie gerade Ihren Job verloren haben, sollten Sie das nicht in den Vordergrund stellen – sondern darüber sprechen, mit welchen Erfolgen Sie aufwarten können." Recruiter zeigen erfahrungsgemäß eher Interesse, wenn sie optimistisch auftretende Kandidatinnen oder Kandidaten vor sich hätten.

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