Experten-Tipps für Bewerber und Personaler: Top 5 Bewerbungslügen
- Tobias Schabel

Ein Bewerbungsgespräch ist wie ein erstes Date: Beide Seiten versuchen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Aber Vorsicht: Kleine Notlügen oder Übertreibungen können schnell auffliegen. Wir haben die Community gefragt, wer schonmal im Bewerbungsprozess geflunkert hat. Die Top 5 haben wir zusammengestellt und geben dir Tipps, wie du ehrlich bleibst und trotzdem überzeugst. Außerdem zeigen wir Personaler:innen, wie man Schummeleien erkennen und gezielt hinterfragen kann.
1. "Ich hatte immer nur gute Noten"
Es klingt verlockend, die eigenen Noten im Bewerbungsgespräch ein wenig schöner darzustellen. Gute Noten sind tatsächlich ein entscheidendes Signal für Arbeitgeber:innen, denn sie zeigen direkt und nachvollziehbar deine Fähigkeiten. Eine Studie von Fossati, Wilson und Bonoli (2020) hat ergeben, dass Unternehmen Bewerber:innen mit ausgezeichneten Testergebnissen deutlich bevorzugen. Interessant dabei: Besonders gute Noten in Sprachen wie Französisch beeindrucken Arbeitgeber:innen sogar noch mehr als starke Ergebnisse in Mathematik.
Allerdings gilt für dich: Ehrlichkeit ist Trumpf! Denn spätestens beim Einreichen von deinen Zeugnissen können diese kleinen Notlügen auffliegen. Für Personalverantwortliche bedeutet dies natürlich, dass sie Zeugnisse und Testergebnisse auch kritisch und aufmerksam prüfen sollten. Und nicht zu vergessen ist: wenn du in der Bewerbung ein gefälschtes Zeugnis vorliegt, begehst du eine Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB. Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe können die Folge sein. Außerdem riskiert du eine fristlose Kündigung sowie die Anfechtung deines Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung.
2. "Die 5 in Chemie ist nicht meine Schuld"
Nicht immer sind schulische Leistungen eindeutig: Vielleicht hast du sehr gute Noten in einem Fach, aber weniger überzeugende Ergebnisse in einem anderen Bereich. Fossati, Wilson und Bonoli sagen, dass Arbeitgeber:innen in solchen Fällen verstärkt auf sogenannte probabilistische Signale zurückgreifen. Das sind indirekte Hinweise, beispielsweise soziale Herkunft oder Freizeitaktivitäten, um Unsicherheiten bei widersprüchlichen Noten oder Testergebnissen auszugleichen.
Als Bewerber:in solltest du deshalb klar kommunizieren, warum du trotz dieser Unsicherheit ein:e überzeugende:r Kandidat:in bist. Egal, ob wahr oder gelogen, die Schuld auf deine ehemaligen Lehrer:innen abzuwälzen, bleibt eine Red Flag im Bewerbungsgespräch. Personaler:innen sollten wiederum bewusst darauf achten, nicht vorschnell zu urteilen, sondern Bewerber:innen die Möglichkeit geben, sich und ihre Leistungen differenziert zu erklären.
3. "Ich hatte eine Lücke im Lebenslauf wegen meiner Herkunft"
Eine Lücke ist natürlich ärgerlich und muss unter Umständen erklärt werden, ist aber kein Job-Interview Dealbreaker. Als Grund solltest du aber nicht sagen, dass du aufgrund deiner Herkunft keine Anstellung gefunden hast. In vielen Bewerbungsgesprächen behaupten Arbeitgeber:innen, dass die Herkunft der Bewerber:innen keine Rolle bei der Auswahl spielt. Tatsächlich hat die Studie von Fossati und Kollegen bestätigt, dass die Nationalität überraschend wenig Einfluss auf die Entscheidungen der Arbeitgeber:innen hat – zumindest dann, wenn Qualifikationen klar und überzeugend sind.
Das bedeutet, dass Bewerber:innen unabhängig von ihrer Herkunft vor allem mit starken Fähigkeiten, Erfahrungen und nachweisbaren Erfolgen punkten können. Als Bewerber:in solltest du deshalb deine fachlichen Qualifikationen betonen, statt dich auf potenzielle Vorurteile zu konzentrieren. Arbeitgeber:innen profitieren davon, sich bewusst auf fachliche Qualifikationen zu konzentrieren, um diskriminierungsfrei zu entscheiden. Gute Arbeitgeber:innen anonymisieren deshalb ihre Bewerber:innen.
4. "Excel habe ich durch meine Schülerband gelernt2
Viele Bewerber:innen setzen darauf, ehrenamtliche Tätigkeiten als zusätzliche Pluspunkte in ihrer Bewerbung anzuführen. Grundsätzlich ist soziales Engagement natürlich positiv – es zeigt Einsatzbereitschaft, Engagement und Teamfähigkeit. Doch Vorsicht: Nicht jedes Ehrenamt ist automatisch relevant für jede Position. Wenn etwa das Ehrenamt gar nicht zur angestrebten Stelle passt, könnte das sogar Fragen aufwerfen oder den Eindruck erwecken, du würdest dich verzetteln.
Daher gilt: Wähle gezielt Ehrenämter aus, die wirklich einen Bezug zur ausgeschriebenen Position haben, und erkläre im Bewerbungsgespräch, warum genau dieses Engagement deine Bewerbung ergänzt. Personalverantwortliche sollten im Rahmen ihres Arbeitgeber-Checks gezielte Fragen stellen, um die Relevanz und Authentizität des angegebenen Engagements zu verifizieren.
5. "Ich habe umfangreiche Berufserfahrung und passende Fachkenntnisse"
Bewerber:innen neigen gelegentlich dazu, ihre Berufserfahrung, Fachkenntnisse und Abschlüsse zu übertreiben oder sogar frei zu erfinden. Häufig stellen Kandidat:innen ihre Verantwortlichkeiten und Erfolge aus früheren Jobs überzogen dar, machen falsche Angaben zu technischen Fähigkeiten, Sprachkenntnissen oder Softwarekompetenzen oder behaupten fälschlicherweise, bestimmte Bildungsabschlüsse erworben zu haben. Auch die allgemeine Aussage, über umfangreiche Berufserfahrung und Fachkenntnisse zu verfügen, kann rechtlich problematisch sein, wenn konkrete Belege fehlen oder diese übertrieben dargestellt werden.
Personalverantwortliche können solche Angaben durch Nachfragen, Referenzen oder Zertifikate überprüfen. Übertreibungen oder falsche Angaben in Bewerbungen können als arglistige Täuschung gewertet werden und erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – beispielsweise eine fristlose Kündigung oder eine Anfechtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber, selbst noch Jahre nach der Einstellung. Als Bewerber:in solltest du deshalb stets ehrlich bleiben und stattdessen deine tatsächlichen Erfahrungen und Kompetenzen überzeugend darstellen.
Ehrlichkeit zahlt sich aus
Ehrlichkeit und Authentizität sind langfristig immer erfolgreicher als jede Notlüge. Klare, nachvollziehbare Angaben zu Noten, Erfahrungen und Engagement helfen Bewerber:innen, überzeugend aufzutreten und echtes Vertrauen aufzubauen. Arbeitgeber:innen profitieren wiederum von gezielten Fragen und der konsequenten Überprüfung von Bewerbungsunterlagen, um faire und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Bessere Strategien statt Lügen
Welche Lügen im Bewerbungsgespräch besonders gerne vorkommen – und warum sie langfristig keine gute Idee sind, ist jetzt klar. Doch die Frage bleibt: Wie kannst du dich überzeugend präsentieren, ohne die Wahrheit zu verbiegen? Die Antwort liegt in guter Vorbereitung und einer klugen Selbstvermarktung.
Wer ehrlich bleibt, muss nicht auf eine wirkungsvolle Darstellung verzichten. Statt Schwächen zu kaschieren oder Erfolge zu übertreiben, geht es darum, Erfahrungen so zu formulieren, dass sie in einem positiven Licht erscheinen – ohne dabei falsche Tatsachen zu schaffen. Das bedeutet, Potenziale zu betonen, Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und gezielt deine Stärken herauszustellen.
Typische Übertreibungen – und wie du sie besser formulierst
1. Sprachkenntnisse
"Fließend Spanisch" klingt beeindruckend, aber wenn das Gespräch plötzlich auf Spanisch weitergeführt wird, kann es unangenehm werden. Vielleicht hast du dich im Urlaub gut verständigen können, aber reicht das wirklich für einen flüssigen Austausch im Job? Wenn nicht, kann eine ehrlichere Formulierung besser sein.
👍 Besser: "Ich kann mich in Alltagsgesprächen verständigen und arbeite aktiv daran, meine Sprachkenntnisse weiter zu vertiefen." Damit zeigst du Lernbereitschaft und vermeidest eine peinliche Situation im Vorstellungsgespräch.
2. IT-Kenntnisse
Excel gehört für viele Berufe zum Standard, doch was bedeutet es wirklich, "Excel-Profi" zu sein? Wenn du bislang nur die SUMME-Funktion nutzt, wird es spätestens beim ersten Test schwierig. Einige Arbeitgeber:innen prüfen gezielt, ob Bewerber:innen Tabellen sinnvoll aufbauen oder Pivot-Tabellen beherrschen.
👍 Besser: "Ich nutze Excel regelmäßig und baue mein Wissen in Pivot-Tabellen und Formeln zur Automatisierung gezielt aus." Diese Formulierung zeigt, dass du bereits Vorkenntnisse hast und gleichzeitig daran arbeitest, besser zu werden.
3. Führungserfahrung
Hast du wirklich ein Team geleitet – oder hast du eher in einem Projekt Verantwortung übernommen? Viele neigen dazu, ihre Rolle im Team etwas aufzuwerten, indem sie sich als "Projektleiter:in" bezeichnen. Doch wenn du nie wirklich Führungsverantwortung hattest, kann das schnell auffliegen.
👍 Besser: "Ich habe Verantwortung in Teamprojekten übernommen und aktiv an der Organisation und Koordination mitgewirkt." Damit machst du deutlich, dass du bereits Erfahrung gesammelt hast, ohne etwas zu behaupten, was so nicht stimmt.
4. Lücken im Lebenslauf
Lücken im Lebenslauf sind für viele Bewerber:innen ein rotes Tuch – aber auch hier gilt: Ehrlichkeit ist oft die beste Strategie. Vielleicht hast du eine Auszeit genommen, weil du dich neu orientieren wolltest oder dich um ein persönliches Projekt gekümmert hast. Das ist nichts, was du verstecken musst.
👍 Besser: "Ich habe die Zeit genutzt, um mich weiterzubilden, mich auf meine nächsten beruflichen Schritte vorzubereiten und meine Fachkenntnisse in meinem Fachbereich des Portfoliomanagements gezielt zu vertiefen." So zeigst du, dass diese Phase kein "Leerlauf" war, sondern eine bewusste Entscheidung.
Warum Ehrlichkeit langfristig überzeugt
Kleine Übertreibungen mögen kurzfristig helfen, um im Bewerbungsprozess weiterzukommen, doch sie bergen langfristige Risiken. Immer mehr Unternehmen setzen auf strukturierte Interviews, Tests oder Referenzprüfungen, um Kandidat:innen auf die Probe zu stellen. Wer dann bei Fachfragen ins Stocken gerät oder sich in Widersprüche verstrickt, verliert nicht nur das Vertrauen der Arbeitgeber:innen, sondern riskiert auch, ein niedrigeres Gehalt zu verhandeln oder sogar frühzeitig aussortiert zu werden.