Die Karrierefrage: Was kann ich in Bewerbungsunterlagen weglassen?
- Josefine Janert
Manche Unternehmen möchten kein Bewerbungsfoto mehr, anderswo darf man auf das Anschreiben verzichten. Und interessieren Hobbies und Familienstand eigentlich noch? Wir klären die wichtigsten Fragen.
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Was Bewerbungen anbelangt, so driften Unternehmen in Deutschland auseinander. Nach Angaben von Bitkom, dem Branchenverband der Digitalwirtschaft, setzen zwar 99 Prozent auf Bewerbungen per E-Mail. Gleichzeitig nehmen 73 Prozent noch die klassische Bewerbungsmappe auf Papier entgegen. Und nur 43 Prozent bieten Arbeitssuchenden ein Online-Tool für die Bewerbung an. Das ergab eine repräsentative Befragung von 853 Unternehmen aller Branchen im Auftrag des Bitkom. Dazu kommt: Der Geschäftsführer eines Handwerksbetriebs kann ganz andere Vorstellungen von gelungenen Bewerbungsunterlagen haben als ein Unternehmen, das international tätig ist und Mitarbeiter aus vielen Ländern beschäftigt. Vielerorts ist noch üblich, was vor 25 Jahren gang und gäbe war: Anschreiben, bis zu zwei Seiten langer Lebenslauf mit aktuellem Foto sowie Kopien von Arbeitszeugnissen und Belege über Weiterbildungen für die gesamte zurückliegende Zeit bis zum Schulabschluss.
Doch es gibt viele neue Trends. So haben sich gerade international tätige Unternehmen an das angepasst, was in den Vereinigten Staaten und Großbritannien üblich ist. So etwas wie Bewerbungsfotos gab es dort nie. Ein weiterer Grund, auf die Bilder zu verzichten, sind die europäischen Anti-Diskriminierungs-Richtlinien. Unternehmen wollen den Vorwurf vermeiden, dass sie etwa Unterlagen von Frauen mit Kopftuch oder Menschen mit dunkler Hautfarbe von vorn herein aussortieren. Auch die Verwaltung von Schleswig-Holstein folgt dieser Strategie. Schon 2013 beschloss das Kabinett: "Die Ressorts verpflichten sich, Menschen mit Migrationshintergrund in Stellenausschreibungen besonders anzusprechen und auf die Vorlage von Lichtbildern in Bewerbungsverfahren explizit zu verzichten."
Andererseits gibt es noch Personaler, die sich über derlei noch nie Gedanken gemacht haben und sich wundern, wenn das Foto fehlt. Und selbst in der Digitalbranche, die häufig Trends setzt, ist das Foto noch "Standard", sagt die Juristin Adél Holdampf-Wendel vom Branchenverband Bitkom."
Bitte mit freundlichem Gesicht
Susann Hinz coacht Arbeitssuchende im Großraum Dresden. Sie empfiehlt nach wie vor, Bewerbungsfotos mitzuschicken – insofern das Unternehmen nicht mitgeteilt hat, dass es darauf verzichten will. Die Soziologin glaubt, dass Personalmanager ohnehin die Namen von Kandidaten in eine Suchmaschine eintippen. In den sozialen Netzwerken könnten sie zum Beispiel ungünstige Partyfotos entdecken. Eine gelungene Aufnahme von einem Profifotografen wecke hingegen Sympathien, sagt Hinz: "Man kann es ja auch bei der Arbeit oder draußen in der Natur anfertigen lassen." Hauptsache, es vermittele einen authentischen Eindruck. Der Psychologe Valentin Nowotny rät auch zu einem Bewerbungsfoto – "bitte mit freundlichem Gesicht". Im Unterschied zu Susann Hinz hält er sogar Bilder, die mit einem Smartphone gemacht wurden, für akzeptabel, "insofern sie nicht völlig verschwommen sind".
Entdeck spannende Arbeitgeber
Die Zeit des Formalismus sei in den meisten Branchen ohnehin vorbei, sagt Nowotny, der in Berlin als Trainer tätig ist. Heutzutage sei es ja in den vielen Branchen auch nicht mehr erforderlich, dass Bewerber in Anzug und Krawatte oder im Kostüm zum Fototermin und zum Vorstellungsgespräch erscheinen. Susann Hinz spricht von einem Arbeitsmarkt, der sich aufgrund des Fachkräftemangels längst nach den Interessen der Arbeitssuchenden richtet. Früher hätten Personaler für eine freie Stelle oft eine Vielzahl geeigneter Bewerber gehabt. Angaben über Hobbies im Lebenslauf hätten dazu gedient, zu differenzieren und jemanden auszusuchen, der passen könnte. Inzwischen sei es nicht mehr nötig, Hobbies anzugeben. Wer möchte, könne sie aber natürlich trotzdem benennen. Dann könnten sie als Thema für den Small Talk vor dem Vorstellungsgespräch dienen, so nach dem Motto: "Was, Sie haben auch einen Hund?" Über derlei zu reden, lockere die Atmosphäre auf. Viele Menschen seien ja in dieser Situation angespannt, sagt Hinz.
Sportliche Bewerber als Teamplayer?
Bewerbungshandbücher aus dem letzten Jahrtausend empfahlen, im Lebenslauf sportliche Aktivitäten zu benennen. Besonders Menschen ab 45 Jahren könnten auf diese Weise belegen, dass sie sich fit halten, hieß es. Wer Basketball oder eine andere Mannschaftssportart betrieb, galt als Teamplayer. Valentin Nowotny findet, dass es vor allem wichtig sei, bei der Wahrheit zu bleiben: "Was nützt es, zu behaupten, dass man drei Mal in der Woche ins Fitnesscenter geht, wenn es nicht stimmt?" Unternehmen seien "sensibel geworden" bezüglich Bewerbern, "die irgendwelche Lügengebäude aufbauen".
Nowotny fragt sich, ob einen potenziellen Arbeitgeber bestimmte Angaben beim ersten Kontakt überhaupt etwas angehen. Warum sollte der Personalmanager oder künftige Vorgesetzte dann schon erfahren, dass die Bewerberin verheiratet ist und zwei kleine Kinder hat? Erst einmal sei ihre fachliche Qualifikation wichtig. Sie könne ja im Vorstellungsgespräch erwähnen, dass die beiden kleinen Kinder von den Schwiegereltern betreut werden, wenn sie mal krank sind. Den Familienstand, die sexuelle Orientierung, Anzahl und Alter der Kinder braucht man also nicht in den Lebenslauf zu schreiben. Und auch die Religionszugehörigkeit dürfte den Arbeitgeber in spe nichts angehen. Selbst wenn Bewerber in einer kirchlichen Einrichtung arbeiten möchten, müssen sie heutzutage nicht mehr zwingend gläubig sein. Das haben Gerichte entschieden. Andererseits ist es auch nicht verboten, im Lebenslauf kundzutun, dass man sich ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert, wenn man sich bei einer christlichen Wohlfahrtsorganisation bewirbt.
Auslaufmodell Anschreiben
Neben dem Fachkräftemangel gibt es noch einen weiteren Trend: Überlastete Personalchefs, die Unmengen von Daten sichten müssen. Immer häufiger greifen sie dabei auf Künstliche Intelligenz zurück. Karriereportale wie Linkedin bieten an, dass Arbeitsuchende Angaben über ihren beruflichen Werdegang ins System des potenziellen Arbeitgebers übertragen. Diese sogenannten One-Click-Bewerbungen nutzen laut der repräsentativen Befragung von Bitkom immerhin 17 Prozent der Unternehmen. Zunächst einmal überprüfen Personaler dann, ob die fachliche Qualifikation des Bewerbers stimmt. Seine Persönlichkeit spielt erst später eine Rolle. Überschaubare Daten kommen also beim ersten Kontakt gut an. Als er sich unlängst selbst bewarb, schickte Valentin Nowotny deshalb zunächst einen einseitigen Lebenslauf. Erst als das Unternehmen Interesse bekundete, reichte er eine ausführliche Version nach. Auf sage und schreibe sieben Seiten machte er Angaben über sämtliche Beschäftigungen und Weiterbildungen. Dafür verzichtete Nowotny auf ein Anschreiben. Und das wollen inzwischen auch viele Unternehmen nicht mehr. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zum Beispiel teilt mit, dass sie seit 2020 "gute Erfahrungen" damit mache, "geeignete Bewerbende in kurzen Gesprächen kennen zu lernen, statt zu viele Entscheidungen auf Basis von Papierlage zu treffen". Dass die Anschreiben auch bei den Arbeitsuchenden unbeliebt seien, hätten "Marktstudien ergeben", schreibt die KfW. Und dennoch, es gibt sie, die Personalmanager, die nach wie vor ein Anschreiben lesen möchten, in dem steht, warum sich der Mensch für genau dieses Unternehmen interessiert.
Wenn sich Wissenschaftler um ein Stipendium oder eine Professur bewerben, reichen sie übrigens auch noch eine Liste mit ihren Publikationen mit ein. Und es gibt nach Beobachtungen von Susann Hinz auch Branchen, in denen schriftliche Bewerbungsunterlagen zweitrangig sind. Im Handwerk, im Garten- und Landschaftsbau und in einigen anderen Bereichen der Wirtschaft ist es üblich, zum Betrieb zu gehen und sich vorzustellen. Gegebenenfalls arbeitet man sogar gleich ein, zwei Stunden mit. Da ist der persönliche Kontakt wichtiger als das Schriftliche, sagt Hinz.
Die Chronologie sollte umgekehrt sein
Auch wenn sich vieles geändert hat, ist sie nach wie vor eine Befürworterin des vollständigen Lebenslaufs. Er sollte sämtliche Beschäftigungen und wichtige Weiterbildungen seit dem Berufs- oder Studienabschluss beziehungsweise bei jüngeren Menschen seit dem Schulabschluss dokumentieren. Der Lebenslauf beginnt heutzutage mit der letzten Tätigkeit und geht in umgekehrter zeitlicher Chronologie zurück in die Vergangenheit, erklärt sie. Valentin Nowotny teilt diese Ansicht. Je weiter die Beschäftigung zurückliegt, umso weniger detailliert müssten die Angaben sein, ergänzt er: "Ich würde sagen, etwa ab dem 35. Lebensjahr ist die Abiturnote unwichtig." Arbeitszeugnisse hätten in erster Linie die Funktion, zu dokumentieren, dass der Bewerber tatsächlich in einem bestimmten Zeitraum eine Tätigkeit in einem bestimmten Unternehmen ausgeführt hat. Das in den Arbeitszeugnissen versteckte Urteil über die Person findet Nowotny auch eher unwichtig.
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