Ausstieg aus der Beratung: Consulting-Exit - nächster Halt Top-Management?
- Maximilian Fleschhut
Fünf Jahre Beratererfahrung auf dem Buckel und hochgearbeitet bis zum Senior Consultant. Doch wie und wo geht's nach der Beratung weiter? Ein Headhunter über Möglichkeiten in der Industrie, den richtigen Zeitpunkt zum Aussteigen und den Mythos vom Ex-Berater im DAX-Vorstand.
Marcel Derakhchan ist geschäftsführender Gesellschafter bei der internationalen Personalberatung LAB&Company. Seine Branchenschwerpunkte: Unternehmensberatung, Medizintechnik, High-Tech-Industie und IT. Er hat auch im Expertenforum "Karriereberatung für Alumni" auf Fragen von ehemaligen Stipendiaten geantwortet.
Stimmt es, dass die Beraterbranche das Sprungbrett schlechthin ist, wenn man eine Führungsposition in der Industrie anstrebt?
Die Consultingbranche ist gereift. Das heißt: Es gibt inzwischen einfach sehr viele Unternehmensberater. Das wissen Personalverantwortliche. Eine Unternehmensberatung als Ex-Arbeitgeber genügt schon lange nicht mehr, um in einer anderen Branche hoch einsteigen zu können.
Also stimmt das Klischee vom Ex-Berater nicht, der nach dem Consulting-Ausstieg in den Vorstand eines DAX-Unternehmens wechselt?
Schon lange nicht mehr. Vor 20 Jahren war es vielleicht so, dass Ex-Berater fast automatisch mit einem steilen Aufstieg rechnen konnten. Heute kommt es sehr darauf an, bei welcher Unternehmensberatung man war.
Aber sitzen nicht viele Ex-Top-5-Berater an den Spitzen der deutschen Unternehmen? Was ist mit Klaus Zumwinkel und anderen Ex-McKinsey-Beratern?
Wie viel Zumwinkels gibt's denn dort im Verhältnis zu den andern Vorstandsmitgliedern? Letztere besitzen meist jahrzehntelange, sehr praxisorientierte Berufserfahrung in der Industrie. Das zählt oft mehr als das fundierte aber theoretische Methodenwissen von Beratern. Was Sie sagen, funktioniert nur für Consultants, die auch in ihrem Beraterjob zu den besten gehörten. Die Karriereregel lautet anders: Die Besten kommen fast überall hin, egal, in welcher Branche sie vorher gearbeitet haben. Und viele bleiben auch länger in der Unternehmensberatung, als sie eigentlich geplant hatten.
Was haben die Berater, die es in eine Top-Position in der Industrie geschafft haben, richtig gemacht?
Sie haben frühzeitig Netzwerke gesponnen, hatten Förderer und Informanten und haben an ihrem Bekanntheitsgrad und damit ihrem Marktwert gearbeitet. Vor allem die internationalen Top-Beratungen unterstützen Ihre Mitarbeiter darin sehr aktiv - und stärken so ihr eigene Attraktivität als Arbeitgeber. So besitzt McKinsey ein exzellentes und gut funktionierendes Alumni-Netzwerk. Deshalb gibt es auch besonders viele ehemalige McKinsey-Mitarbeiter auf Top-Posten.
Bis zu welcher Hierarchiestufe sollte ich denn in der Unternehmensberatung gekommen sein, um mir Chancen auf eine Position im Top-Management ausrechnen zu dürfen?
Dafür gibt es keine allgemeine Regel. Selbst Berater auf höchsten Hierarchie-Ebenen können nicht zwangsläufig ein Angebot für eine Spitzenposition bei anderen Unternehmen erwarten. In acht von zehn Fällen wird der Aussteiger sowohl finanziell als auch hinsichtlich seines Verantwortungsbereichs und seiner Freiheiten einen Rückschritt akzeptieren müssen, um von niedrigerem Niveau durchzustarten. Projektleiter in einer Unternehmensberatung werden dann in der Industrie oft erneut Projektleiter, bevor sie in eine Management-Position aufsteigen. Natürlich gibt es wie z.B. mit Jürgen Kluge auch Beispiele für den Top-Exit.
Wie groß sind denn ungefähr die Gehaltsabstriche, beispielsweise bei einem Wechsel aus einem Projektleiterposten?
Rund 30 Prozent. Ich kann mich an eine Kandidatin erinnern, bei der es sogar 50 Prozent weniger waren. Trotzdem war der Schritt für sie der richtige: Sie hat nun nicht nur mehr Zeit für ihre Familie. Vielmehr hat sie in einem globalen Konzern die Chance bekommen, eine neue und bedeutende Abteilung aufzubauen – die sie inzwischen selbst leitet.
Und wenn meine Beraterlaufbahn nach, sagen wir zwei Jahren Analysten-Dasein endet: Wie sind da meine Aussichten?
Das hängt von den Projekten ab, in die sie involviert waren. Und von den Branchen, in denen sie gearbeitet haben. Das sind gerade bei Berufsanfängern meist sehr viele unterschiedliche. Anders gesagt: Es fehlt eine Spezialisierung. Meine Empfehlung wäre, gut in sich hineinzuhören: Was habe ich besonders gut und gerne gemacht? Jungberater werden von der Industrie übrigens dankbar aufgenommen: Sie sind erstens nicht so teuer und zweitens noch nicht so lang in ihrer oft doch sehr speziellen Beraterwelt, sind oft anpassungsfähiger. Oft bekommen junge Consulting-Aussteiger eine Position als Geschäftsführer- oder Vorstandsassistent angeboten. Bis drei Jahren Beratungserfahrung ist das ein typischer Posten, der meist noch nicht einmal einen Gehaltsverlust bedeutet.
Das Inhouse Consulting von großen Firmen wäre doch auch eine naheliegende Lösung, um einen Fuß in die Industrie zu bekommen …
Das ist ein klassischer und auch sinnvoller Weg. Der Vorteil: Das neue Unternehmen lässt sich aus einer geschützten Position gut umfassend kennenlernen. Und es gibt viele Gelegenheiten, sein persönliches Netzwerk aufzubauen, um sich im Unternehmen weiterzuentwickeln. Inhouse-Beratungen suchen aber in der Regel Leute, die weniger als fünf Jahre in der klassischen Unternehmensberatung waren.
Habe ich Nachteile gegenüber Bewerbern, die in dem jeweiligen Betrieb schon länger arbeiten und um die gleiche Stelle konkurrieren?
Ihr Nachteil ist, dass sie das Unternehmen weniger gut kennen. Gleichzeitig haben sie aber einen unverstellteren Blick und besitzen andere Skills. Beispielsweise sind sei meist gut in der Projektarbeit.
Kann ich meinen Ausstieg irgendwie planen oder vorbereiten?
Fangen Sie frühzeitig an, die Job-Suchmaschine anzuwerfen: Sechs bis neun Monate vorher sollten Sie beginnen, externe Kontakte zu knüpfen zu Headhuntern und Unternehmen, aber auch über Freunde und Bekannte. Und Sie sollten sich selber klar werden, was Sie eigentlich wollen im nächsten Job.
Wann ist der ideale Wechselzeitpunkt?
Wenn Sie das Gefühl haben, es sei jetzt an der Zeit dafür. Für mich war das zum Beispiel nach drei Jahren Leben aus dem Koffer. Einschränkend würde ich nur sagen: Vorher ist es noch zu früh. Da haben Sie noch nicht viel von sich zeigen und beweisen können. Ab drei Jahren ist alles erlaubt.
Stimmt es eigentlich, dass mittelständische Unternehmen weniger beraterfreundlich gesinnt sind?
Das ist sicherlich richtig. Mittelständler haben da viele Berührungsängste. Allerdings nehmen diese zunehmend ab. Und auch im Mittelstand gibt es ja relativ große Betriebe: Ein Unternehmen mit 5.000 Mitarbeitern besitzt oftmals schon recht komplexe Strukturen mit Business Development, Corporate Strategy und anderen Abteilungen, die für Berater interessant sein können.
Habe ich mehr Chancen bei mittelständischen Unternehmen, wenn ich auch in einer mittelständischen Beratung war?
Zweifellos. Denn kleinere Beratungen haben oftmals eine andere Klientenstruktur als die Top 5: Wenn Sie vorher in einer kleineren Unternehmensberatung waren, hatten Sie möglicherweise auch mehr mit mittelständischen Kunden Kontakt.