Arbeitsrecht bei Überstunden: Wann werden meine Überstunden vergütet?
- e-fellows.net Redaktion
Ungezählte Überstunden gehören für hochqualifizierte Arbeitnehmer fast schon zum guten Ton. Viele nehmen unbezahlte Mehrarbeit daher wohl oder übel in Kauf. Was aber, wenn das Arbeitsverhältnis endet: Können Arbeitnehmer eine Vergütung für die angesammelten Überstunden verlangen? Oder ist die Mehrarbeit pauschal mit dem Gehalt abgegolten?
Vor den Arbeitsgerichten werden immer wieder Fälle verhandelt, in denen Arbeitnehmer nachträglich die Abgeltung geleisteter Überstunden verlangen. Das hat besonders für Branchen Folgen, in denen es als selbstverständlich gilt, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (zum Beispiel 40 Wochenstunden) überschritten wird, also beispielsweise in der Unternehmensberatung oder in Großkanzleien.
Überstunden – keiner muss, jeder macht
Während des Arbeitsverhältnisses stellt sich die Frage nach einer Vergütung für Mehrarbeit meist nicht. Es gibt zwar grundsätzlich keine Pflicht, Überstunden zu leisten. Um die Karrierechancen nicht zu gefährden, wird sich aber in der Realität kaum ein Berater oder Großkanzlei-Anwalt der Mehrarbeit entziehen können.
Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden
Mehrarbeit und Überstunden werden meist synonym verwendet – doch es gibt juristische Unterschiede: Überstunden sind dann erbracht, wenn du länger arbeitest, als in deinem Arbeitsvertrag festgelegt ist. Dein individueller Arbeitsvertrag regelt genau, wie viele Arbeitsstunden du deinem Arbeitgeber monatlich schuldest: Das können zehn sein oder 40. Überschreitest du diese geregelte Arbeitszeit, leistet du Überstunden – das kann auch schon bei der elften Arbeitsstunde der Fall sein, wenn nur zehn vereinbart sind.
Bei Mehrarbeit hingegen weichst du von der Arbeitszeitgrenze ab, die das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) oder dein Tarifvertrag vorgibt. Mit 11 Stunden Wochenarbeitszeit in einem Unternehmen ohne Tarifvertrag hast du also Überstunden geleistet, aber keine Mehrarbeit. Mehrarbeit verrichten beispielsweise Beamte, wenn sie über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus zum Dienst herangezogen werden.
Vergütung von Überstunden
Ob Überstunden vergütet werden, regelt der Arbeitsvertrag beziehungsweise Tarifvertrag. Grundsätzlich geht das Bundesarbeitsgericht (BAG) davon aus, dass Arbeitnehmer eine zusätzliche Vergütung von Überstunden fordern können. Da die Regelarbeitszeit samt Vergütung im Arbeitsvertrag festgehalten ist, sollten weitere Arbeitsstunden vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Umgekehrt gilt aber auch, dass Arbeitnehmer nicht eigenemächtig Überstunden leisten und somit eine Vergütungspflicht gegen den Willen des Arbeitgebers verursachen sollen. Der Arbeitgeber hat das Recht, die Überstunden nur dann zu vergüten, wenn die erbrachte Überstundenleistung zugerechnet werden kann.
Zum Problem wird diese Praxis, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird und der Arbeitnehmer die Abgeltung seiner Überstunden verlangt. Leider hat er hier nicht automatisch das Recht auf seiner Seite: Es gibt keine gesetzliche Regelung, die festlegt, dass Überstunden grundsätzlich zu vergüten sind. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus dem Arbeitsvertrag ergeben, ferner aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
Pauschale Überstundenvergütung gilt nicht
Die meisten Arbeitsverträge sehen nun aber keine Extra-Vergütung von Überstunden vor – ganz im Gegenteil: Eine Klausel, in der es in etwa heißt "Mehrarbeit ist mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten" macht das Einfordern scheinbar aussichtslos.
Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch schon mehrfach entschieden: Solche Klauseln sind unwirksam. Daher wird der Arbeitnehmer, wenn er seine Überstunden einklagt, genauso behandelt, als existiere gar keine Regelung zur Überstundenvergütung.
Auf die Umstände kommt es an
Da also der Arbeitsvertrag meist nichts oder nichts Gültiges festlegt, es aber grundsätzlich auch kein Recht auf Überstundenvergütung gibt, gilt Folgendes: Mehrarbeit muss dann abgegolten werden, wenn sie den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Und unter welchen Umständen gilt das? Das hängt von der Tätigkeit des Arbeitnehmers ab, seiner Stellung im Unternehmen und der Höhe seines Gehalts. Eine solche Erwartung besteht beispielsweise nicht bei leitenden Angestellten und Chefärzten. Auch wurde sie bei einem Rechtsanwalt mit einem Jahresgehalt von 80.000 Euro verneint.
Überstundenausgleich
Die allgemeine Frist für den Überstundenausgleich beträgt ein halbes Jahr. Von Arbeitgebern, Tarifverträgen oder Einzelvereinbarungen hängt ab, ob der Überstundenabbau durch Freizeitausgleich oder finanziell abgegolten wird. Überstunden abzufeiern oder abzubummeln ist gängige Praxis in großen Unternehmen, die beispielsweise Gleitzeit im Arbeitszeitkonto erfassen. Zuschläge für Überstunden werden in der Regel prozentual vom Gehalt berechnet.
Gehalt und Position machen den Unterschied
Bei deutlich niedrigerem Gehalt sowie einer weniger gehobenen Stellung im Unternehmen kann eine Vergütungserwartung dagegen angenommen werden – auch bei Angestellten von Anwaltskanzleien und Beratungen.
So wurde der Klage auf Überstundenvergütung einer juristischen Mitarbeiterin in einer Unternehmensberatung 2011 stattgegeben. Bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche erhielt sie ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.000 Euro brutto sowie eine "Variable" in Höhe von 500 Euro brutto. Das Gericht bejahte eine Vergütungserwartung, da die Mitarbeiterin als juristische Sachbearbeiterin keine leitende Angestellte war und bei der Höhe der Vergütung nicht zu erwarten war, dass unbezahlte Überstunden anfallen würden.
Alles aufschreiben
Damit eine Klage Aussicht auf Erfolg hat, muss der Arbeitnehmer aber noch beweisen, dass der Arbeitgeber von den Überstunden wusste und sie duldete. Wer seine Überstunden einklagen will, sollte also detailliert schriftlich festhalten, wann (an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten) er wie viele Überstunden gemacht hat und was er genau in dieser Zeit erledigt hat. Diese Aufzeichnungen sollte er dem Arbeitgeber übergeben. Nimmt dieser die protokollierte Mehrarbeit widerspruchlos hin, stehen die Chancen des Arbeitnehmers gut, seine Überstunden vergütet zu bekommen.