KI-Trainings: Blender oder Coach?

Autor*innen
Milena Merten
Eine Mann verschränkt seine Arme und schaut nach oben. Der obere Teil seines Kopfes steckt in einem Laptopbildschirm.

Millionen selbst ernannte Trainer für Künstliche Intelligenz gibt es bei LinkedIn. Nicht alle bieten nützliche Weiterbildungen. Was gute Anbieter ausmacht.

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Wer im Karrierenetzwerk LinkedIn nach Personen mit der Selbstbezeichnung "AI Trainer" sucht, erzielt 2,3 Millionen Treffer. Das Schlagwort "AI Expert" liefert 577.000 Ergebnisse, als "AI Speaker" bezeichnen sich 289.000 Personen. Viele dieser selbst erklärten Expertinnen und Experten bieten Weiterbildungen, Coachings oder Vorträge zu Künstlicher Intelligenz (KI, auf Englisch AI) an. Denn an solchen Angeboten gibt es großen Bedarf: Einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Trendence zufolge wünschen sich zwei Drittel der Arbeitnehmer die Möglichkeit, KI-Weiterbildungen zu machen. Bei Akademikern sind es sogar 80 Prozent.

Allerdings bietet nur jedes achte deutsche Unternehmen seinen Mitarbeitern bereits KI-Schulungen an, zeigt eine repräsentative Studie des Tüv-Verbands. In diese Lücke stoßen die Coaches und Trainer im Netz. Angesichts der schieren Menge an Angeboten stellt sich die Frage: Wer verfügt wirklich über Expertise – und wer will nur vom aktuellen Hype um KI profitieren?

Und woran erkennt man Weiterbildungsangebote, die ihr Geld und ihre Zeit wirklich wert sind?

Qualitätsmerkmal 1: Der Coach hat sich bereits mit KI beschäftigt, ehe es „sexy“ war

Fabian Stephany kennt sich im Weiterbildungsmarkt zu KI aus. Er forscht an der Universität Oxford und am Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin dazu, wie sich KI-Kompetenzen auf Jobs und Gehälter auswirken. Auch Stephany sieht immer mehr selbst erklärte KI-Trainer. Er glaubt, ein ähnliches Phänomen vor etwa zehn Jahren schon einmal beobachtet zu haben: Damals bezeichnete die US-Zeitschrift "Harvard Business Review" den Beruf des Data Scientists als "sexiest Job des 21. Jahrhunderts". Und plötzlich nannten sich immer mehr Menschen Data Scientist.

"Darunter waren zwei Typen, die ich meine jetzt auch wiederzuerkennen", sagt Stephany. Bei den Data Scientists waren es zum einen die, die immer schon Statistikexperten waren und sich nur umbenannt haben. Und zum anderen ihm zufolge "Menschen, die den Titel cool fanden und sich so nannten, aber diese Statistik-Kompetenzen gar nicht hatten". Es lohnt sich also, einen Blick in den Lebenslauf der vermeintlichen KI-Coaches zu werfen. Beschäftigt sich die Person bereits seit Jahren mit Machine Learning oder Sprachmodellen? Hat sie einschlägige Berufserfahrung gesammelt oder schon umfassend zum Thema publiziert? Bei Büchern ist ebenfalls aufmerksame Auswahl angebracht, warnt Katharina Zweig. Sie ist Informatikprofessorin an der TU Kaiserslautern und selbst Bestseller-Autorin für leicht verständliche Sachbücher über KI. "Manche Experten nennen sich Bestseller-Autoren, weil sie bei Amazon zeitweise in irgendeinem absurden Rang als Nummer 1 gelistet waren", sagt sie. "Das ist kein geschützter Begriff." Ein selbst vertriebenes Buch ist daher nichts, womit man sich automatisch als Experte auszeichnet.

Qualitätsmerkmal 2: Der KI-Coach kooperiert mit etablierten Bildungspartnern

Dieser Grundsatz gilt auch für die zahllosen Onlinekurse. Neben vielen seriösen Anbietern tummeln sich hier auch Blender, die schnelles Geld mit fachlich fragwürdigen Angeboten machen wollen. "Auf Instagram gibt es Coaches, die erklären, wie man mithilfe von KI Onlinekurse zu Sprachmodellen erstellt", sagt Katharina Zweig. "Die KI baut dir dann eine gut strukturierte, schicke Präsentation, aber das ist alles Schaumschlägerei." Hinter einigen Kursen, die im Netz angeboten werden, stecken also nicht einmal mehr menschliche Experten. Die Coaches, die diese Kurse anbieten, bezeichnen sich aber trotzdem als solche.

Grundsätzlich seien Online-Mikrofortbildungen etwa bei der offenen Plattform Coursera gut geeignet, um sich zu KI weiterzubilden, sagt Fabian Stephany. Denn im Gegensatz zu eigens aufgelegten Masterprogrammen an Universitäten könnten diese Lernformate die sich ständig ändernden benötigten Kompetenzen schneller aufgreifen. "Ein gutes Qualitätssignal ist es, wenn solche Onlinekurse in Partnerschaft mit renommierten Universitäten erstellt wurden", sagt er. Die Uni müsse nicht unbedingt der Ort sein, an dem man diese Kompetenzen erlernt.

"Aber sie kann der Provider sein, der das Wissen zur Verfügung stellt." Auch Katharina Zweig empfiehlt, auf Autoritäten zurückzugreifen, die schon lange einen guten Ruf in Sachen Aus- und Weiterbildung haben: die Volkshochschulen, der Tüv, renommierte Institutionen wie das Hasso-Plattner-Institut oder Angebote von großen journalistischen Häusern in Kooperation mit Universitäten.

Qualitätsmerkmal 3: Der Coach stellt anerkannte Zertifikate aus

Viele Anbieter von Onlinekursen und Coachings stellen ihren Teilnehmern nach erfolgreichem Abschluss ein Zertifikat aus. Doch zunächst ist das nur ein hübsches Papier zum Aufhängen im Büro. "Die KI-Zertifikate, die Sie aktuell erhalten können, sind alle im nicht-akkreditierten Bereich", sagt Tobias Krafft. Der Informatiker berät Bund, Länder, Kommunen und andere öffentliche Einrichtungen in IT-Fragen. Außerdem ist er als Fachgutachter für die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) tätig.

Normalerweise können sich Anbieter von Weiterbildungen bei der DAkkS offiziell als Ausbilder akkreditieren lassen. Dann überprüfen Fachgutachter wie Krafft regelmäßig die Qualität ihrer Angebote. Ein Zertifikat von einem akkreditierten Anbieter gilt als international anerkannter Kompetenznachweis und kann mit einer beruflichen Qualifikation gleichgestellt werden.

Doch für KI-Weiterbildungen gibt es noch keine genormten Programme zur Qualitätssicherung. Die Zertifikate, die aktuell auf dem Markt erworben werden können, sind so viel wert, wie man der ausstellenden Institution oder Person zuspricht. Um die Reputation beurteilen zu können, rät Krafft zu einem kritischen Blick auf die Gesellschaftsform hinter dem Coaching: Ist es ein profitorientiertes Unternehmen, ein Verein, eine NGO? Oder ein Verbund wie die Fraunhofer-Gesellschaft oder das Deutsche Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI)? Wie vertrauenswürdig sind die Fachexperten, die dieses Programm entwickelt haben, und die Trainer, die es durchführen?

Ein Alarmsignal sei es, wenn ein Training keinerlei wissenschaftliche Grundlage habe. Krafft rät zu hinterfragen: "Wurde eine Professorin oder ein Professor bei der Entwicklung des Programms mit einbezogen? Ist es vielleicht sogar mit einem Forschungsprojekt verbunden, das durch Bundesmittel gefördert wurde?"

Eine hohe Vertrauenswürdigkeit bescheinigt Krafft allen Anbietern, die Kurse für die Lernplattform "ki-campus.org" entwickelt haben. Diese kostenfreie, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Website empfiehlt er als Einstieg ins Thema KI für alle, die sich zunächst ein Basiswissen aneignen wollen. "Die Akteure, die hierfür Inhalte entwickelt haben, bieten auch selbst spannende Weiterbildungsangebote an."

Qualitätsmerkmal 4: Der Coach verbreitet keine Panik vor der Zukunft mit KI

Krafft beobachtet zudem vermehrt Werbung von KI-Coaches, die er für unseriös hält, etwa auf Youtube. "Da gibt es Kurse mit dem Titel "Wie prompte ich im Marketing richtig?", die sind auf neun Monate in Vollzeit angelegt", sagt er. "Das ist inhaltlich und monetär vollkommen überzogen." Häufig werde bei der Werbung für solche Trainings mit Ängsten gearbeitet. "Sie greifen die Angst auf, die viele Menschen beim Thema KI haben: dass sie durch KI ersetzt werden könnten und ihre Fähigkeiten an Wert verlieren."

Krafft hält es für einen guten Indikator, wenn Coaches und Trainer auf solche Formulierungen verzichten und stattdessen die Chancen betonen, die das Erlernen von KI-Kompetenzen bringen kann.

Denn dass es sich lohnt, ins eigene Know-how zu investieren, ist erwiesen. "Unsere Studien haben gezeigt, dass es einen klaren Wettbewerbsvorteil für Personen gibt, die mit KI arbeiten können", sagt Ökonom Fabian Stephany. "Innerhalb der gleichen Industrie und der gleichen Berufsgruppe verdienen Menschen mit KI-Kompetenzen signifikant mehr als Menschen ohne diese Kompetenzen."

Allerdings erlernen viele Menschen ihre KI-Kompetenzen autodidaktisch oder durch "learning by doing" im Beruf. Stephany glaubt, dass an dieser Stelle vertrauenswürdige Zertifikate helfen können. Bei Englischkenntnissen gebe es schon ein ähnliches System: "Menschen, die nicht englische Muttersprachler sind, müssen für eine Uni-Bewerbung nachweisen, dass ihre Sprachkenntnisse ausreichend sind."

Denn es ist schier unmöglich, die Sprachkenntnisse jedes Einzelnen individuell zu überprüfen. Trotzdem muss ein gewisser Qualitätsstandard gesichert werden. "Diese Lücke haben Agenturen wie TOEFL geschlossen, die Sprachkenntnisse mit einem glaubwürdigen Punktesystem zertifizieren", sagt Stephany. "So eine Institution bräuchten wir auch für KI-Kompetenzen, idealerweise aus halbstaatlicher, halbprivater Hand."

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