Branchenwechsel im Studium: Schadet zu viel Vielfalt deiner Karriere?
- Jacob Mertz
Wer ein branchenspezifisches Studienfach gewählt hat oder sich mit dem ersten Praktikum für eine Branche entschieden hat, sollte seine Karrierelaufbahn grundsätzlich auch in dieser Branche starten. Oder etwa nicht? Warum Kompetenzen nicht an Branchen geknüpft sind und es eine Chance sein kann, während des Studiums unterschiedliche Bereiche kennenzulernen.
Ob die Fachrichtung im Studium, die Branche für das erste Praktikum oder das passende Unternehmen für den Werkstudentenjob – als Student musst du zahlreiche Entscheidungen treffen, die deine berufliche Zukunft nachhaltig beeinflussen. Natürlich schwingt hier oftmals Unsicherheit mit. Wird die Branche, in der ich mein erstes Praktikum absolviere, die Branche sein, in der ich später mein Geld verdiene? Und kann ich bereits während des Studiums Nebenjobs in verschiedenen Branchen antreten, ohne Angst haben zu müssen, in zukünftigen Bewerbungsgesprächen in Erklärungsnot zu geraten?
Letztendlich bindet dich jede Entscheidung für eine gewisse Zeit. Sie wird jedoch nicht deine komplette berufliche Laufbahn vorbestimmen. Fachrichtungen, Branchen und berufliche Strukturen ändern sich heutzutage deutlich schneller als noch vor ein paar Jahren. Sie werden transparenter und durchlässiger. Es spielt keine so bedeutende Rolle mehr, für welche spezifische Fachrichtung oder Branche du dich im ersten Schritt entscheidest. Stattdessen rücken sogenannte Kompetenzfelder in den Vordergrund.
Über den Autor
Jacob Mertz (29) studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Heilbronn, Aachen und Melbourne. Während seiner Studienzeit sammelte er Erfahrungen in unterschiedlichen Branchen und Bereichen. Dabei lernte er unter anderem die Automobilzuliefererindustrie in den USA und Deutschland kennen und blickte als Werkstudent in den Lebensmitteleinzelhandel und die IT Logistik. Heute absolviert er ein Traineeprogramm mit dem Schwerpunkt Digitalisierung bei der HeidelbergCement AG.
Kompetenzfelder und die Zukunft von Berufen
"Können Sie entrepreneurial Mindset?" So oder so ähnlich könnte eine wichtige Frage heutiger Bewerbungsgespräche lauten. Branchenspezifische Kenntnisse rücken dabei oftmals sogar in den Hintergrund. Denn es liegt auf der Hand, dass sich jedes moderne Unternehmen einen Arbeitnehmer wünscht, der mit unternehmerischem und ethischem Gespür handelt. Umso besser für denjenigen, der diese Kompetenz in einem Start-up erworben hat und später in einem Konzern einbringen kann.
Zwar mag für einige Berufe, in denen spezielles und tiefgehendes Expertenwissen gefragt ist, ein Branchenwechsel auch heute noch schwierig sein – ein Großteil der Berufe ändert sich aber dahingehend, dass vor allem Kompetenzfelder in den Vordergrund rücken, die du zum Teil bereits im Studium aufbauen kannst. Diese Kompetenzfelder sind nicht an bestimmte Branchen oder Fachrichtungen geknüpft, was insbesondere relevant ist, wenn wir zukünftig Berufe ausüben möchten, die heute noch gar nicht existieren.
Selbstverständlich kannst du nicht heute einen Beruf annehmen und morgen etwas ganz anderes machen. Allerdings werden durch die Digitalisierung neue Berufe erschlossen, was dazu führt, dass du innerhalb deines Lebens viele unterschiedliche Karrierepfade einschlagen kannst. Du kannst dich mit bestimmten Kompetenzen in ein neues Umfeld oder eine neue Branche einarbeiten und diese wertbringend einsetzen. Somit ist es heutzutage besonders wichtig, herauszufinden, was dich antreibt und dir ein Cluster an Kompetenzen aufzubauen, das sich auf viele Bereiche adaptieren lässt.
Wichtige Bausteine für deine Karriere
Du kannst beispielsweise damit beginnen, über deine eigenen Kompetenzen nachzudenken, diese mit den heutigen Trends und Bedürfnissen abzugleichen und nach entsprechenden Kursen an deiner Hochschule zu suchen. Ein personalisiertes Portfolio an individuellen Kompetenzen ist ein wichtiger Baustein der eigenen beruflichen Entwicklung. Deshalb solltest du bestenfalls schon während des Studiums mit einzelnen Kompaktkursen beginnen, die von deiner Hochschule oder anderen Bildungseinrichtungen angeboten werden.
Der Schlüssel zur absoluten Unersetzbarkeit ist das selbstverständlich trotzdem nicht. Dennoch hat nicht zuletzt die Corona-Krise gezeigt, was es bedeutet, breit aufgestellt zu sein. Jeder mit Digitalkompetenzen ist gefragter denn je und es spielt eine untergeordnete Rolle, welcher berufliche Background dahintersteckt. Viel wichtiger erscheint, welche Kompetenzen, Lösungsideen und Umsetzungsstärke Bewerber für die aktuellen Problemstellungen mitbringen. So rückt auch die Frage, "haben Sie eigentlich Informatik oder BWL studiert?" immer stärker in den Hintergrund.
Das passende Umfeld: Konzern oder Start-up?
In welchem Umfeld du dich wohlfühlst und deine Kompetenzen am besten anwenden und erweitern kannst, lässt sich durch ein Praktikum oder eine Werkstudententätigkeit gut herausfinden. Neben der Branche kommt es auch auf die Unternehmensgröße an. Konzerne sind meist in sehr gefestigte Strukturen eingebettet. Es gibt für fast alles einen vordefinierten Prozess und jeder Mitarbeiter ist für eine bestimmte Aufgabe zuständig. Du hast viele Weiterbildungsmöglichkeiten, findest aber auch klare Rahmenbedingungen in einem großen und anonymen Umfeld vor. Der Konzern wird deshalb auch gerne mit einem großen Tanker auf See verglichen, der eine gewisse Anlaufzeit benötigt, bis er eine Kurve fährt.
Ein Start-up hingegen ist das kleine Speedboot. Hier werden Entscheidungen meist schnell getroffen, die Fahrroute ist nicht immer klar und manche erleiden sogar Schiffbruch. Aufgrund dieser Dynamik kannst du in Start-ups meist schneller Verantwortung übernehmen, benötigst jedoch viel Eigeninitiative und den Mut, in vage formulierten Prozesslandschaften etwas umzusetzen. Beide Formen haben ihre Vorzüge und Schattenseiten. Was dir am besten gefällt, kannst letztendlich nur du selbst herausfinden.
Genauso wie beim Branchenwechsel kannst du auch hier experimentieren und einige unterschiedliche Stationen ausprobieren. In einer Welt, in der noch nicht klar definiert ist, wie sie morgen aussehen wird, kann es zumindest nicht schaden, das ein oder andere auszuprobieren und sich auch abseits des linearen Pfads zu bewegen.
Experimentierfreude kann sich auszahlen
Trotzdem solltest du hierbei die Sicht deines potenziellen Arbeitgebers auf deinen Lebenslauf im Blick behalten. Damit du bei zukünftigen Jobinterviews zu deinem bisherigen Werdegang nicht in Erklärungsnot gerätst, solltest du stets logisch darlegen können, weshalb du dich für deine vorangegangen beruflichen Stationen entschieden hast. Bestenfalls kannst du mit deinen (ungewöhnlicheren) Erfahrungen und deinem gewonnenen Wissen bei deinem zukünftigen Arbeitgeber sogar einen Mehrwert generieren.
Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass ein bisschen Experimentierfreude im beruflichen Kontext erlaubt ist. Dabei konnte ich feststellen, dass es durchaus gerne gesehen ist, wenn du Erfahrungen in wertschöpfungsnahen Bereichen vorweisen kannst. Besonders in mittelständischen Unternehmen und in Start-ups sind die Wege in die Produktion und Logistik meist kürzer, weshalb du dort schneller und leichter mit dem eigentlichen Kerngeschäft in Berührung kommst. Im Konzern gibt es deutlich mehr Tätigkeiten, die unter Umständen auch mal etwas weiter vom Kerngeschäft entfernt sind. So entdeckst du auch Tätigkeitsfelder, die dir auf dem ersten Blick nicht unbedingt präsent erscheinen.
Find heraus, was dir gefällt und wirf auch mal einen oder zwei Blicke in unterschiedliche Tätigkeitsfelder oder Branchen. Setz Akzente, lass dabei deine Soft Skills nicht aus den Augen und zeig, wie du deine Erfahrungen einsetzen kannst.
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