Wolf Reiner Kriegler: "Auch ein Arbeitgeber mit drei von fünf Sternen kann zu einem passen"
- David Gutensohn
Jeder Vierte kann sich vorstellen, den Job zu wechseln. Doch wie überprüft man, ob der neue Arbeitgeber wirklich besser ist? Ein Experte erklärt, worauf man achten muss.
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Wolf Reiner Kriegler ist Geschäftsführer der Deutschen Employer Branding Akademie und weiß, wie sich Unternehmen vermarkten, damit sie als Arbeitgeber attraktiv wirken – auch wenn sie es nicht sind.
Laut Umfragen kann sich jeder Vierte einen Jobwechsel vorstellen. Viele fangen auf Onlineportalen an zu schauen, wie Arbeitgeber bewertet sind. Ist das eine gute Idee?
Das ist absolut sinnvoll. Aber man sollte da kritisch hinsehen. Hat ein Arbeitgeber ausschließlich gute Bewertungen, aber wenige, sind sie vermutlich vom Unternehmen selbst beauftragt worden. Wichtig ist, dass es viele Bewertungen gibt – und wenn die dann größtenteils positiv ausfallen, ist das ein gutes Indiz. Aber auch darauf sollte man sich nicht allein verlassen.
Wolf Reiner Kriegler, 51, ist Unternehmensberater und hat mehrere Fachbücher zu Employer Branding geschrieben.
Wieso?
Auch ein Arbeitgeber mit nur drei von fünf Sternen kann zu einem passen. Das kommt ganz darauf an, was ich mir von einem Job erhoffe und erwarte, vor allem arbeitskulturell. Und das kann sich stark von anderen unterscheiden, die auf diesen Portalen Bewertungen abgeben. Was hilft: Sowohl die positiven als auch die ganz negativen Urteile lesen und überlegen, was davon für einen selbst wichtig ist.
Wie sieht es mit Rankings aus, also etwa mit Listen der 50 besten Arbeitgeber?
Auch da sollte man stark zwischen den verschiedenen Rankings unterscheiden. Man sollte darauf achten, wer befragt wurde. Ist die Jury, die das Ranking festlegt, wirklich unabhängig? Wurden dort Angestellte befragt oder die allgemeine Bevölkerung? Es gibt Rankings, da werden vorwiegend Studierende danach gefragt, wo sie später einmal gerne arbeiten würden. Das ist natürlich Unsinn, denn das sagt nichts darüber aus, ob das auch ein guter Arbeitgeber ist, sondern nur ob er eine starke Marke hat.
Wie finde ich ein seriöses Ranking?
Das sind diejenigen, die wirklich die Qualität von Arbeitgeberinnen transparent machen. Ich kann da beispielsweise die Rankings des Beratungsunternehmens Great place to work empfehlen. Da werden Angestellte ausführlich befragt, was sie an ihrem Arbeitgeber schätzen und was sie stört. Rankings, die darauf beruhen, können einem zumindest einen ersten Einblick geben, wie der Arbeitgeber handelt.
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Wenn ich nun ein Unternehmen gefunden habe, das passen könnte, worauf sollte ich bei Stellenausschreibungen achten?
Auf Formulierungen, die mir ein gutes Bild darüber geben, ob ich zu dem Arbeitgeber passe. Wichtig ist auch, sich das Aufgabenprofil genau anzuschauen. Man muss sich die genannten Tätigkeiten vorstellen können – und rechtzeitig klären, welche der Aufgaben wie oft anfallen und welchen Anteil am Job ausmachen. Es kann auch helfen, sich die Extras anzuschauen, die ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden anbietet.
Zum Beispiel?
Manche Unternehmen bezuschussen das Mittagessen, bieten Jobräder oder eine regelmäßige psychologische Beratung an. Andere finanzieren einem das Fitnessstudio oder haben ein großes Weiterbildungsbudget. Auch wenn solche Benefits keinen Einfluss darauf haben, ob ich erfüllt und erfolgreich arbeiten kann, sollte man sie sich anschauen, um zumindest einen ersten Eindruck zu bekommen.
Und dann?
Dann sollte man herausfinden, ob einem die Arbeitskultur liegt, die in der Firma herrscht. Wir haben mal zwei Baumärkte beraten und festgestellt, dass in beiden total anders gearbeitet wird. In dem einen gab es klare Regeln, starre Hierarchien und Vorgaben. In dem anderen war alles lockerer organisiert, familiärer, dort konnten die Angestellten sich sogar selbst die Dienstpläne machen. Alleine daran sieht man schon, wie groß die Unterschiede sein können. Und man muss für sich herausfinden, wie man arbeiten will. Der eine braucht Vorgaben, der andere Freiheit.
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Wie kann man das herausfinden, bevor man sich bewirbt?
Man sollte versuchen, sich umzuhören. Beispielsweise, indem man aktiv Mitarbeitende anspricht. Also tatsächlich im Baumarkt nachfragt oder auf Plattformen wie LinkedIn Angestellte sucht und kontaktiert. Das trauen sich viele nicht, hilft aber in der Regel sehr. Es gibt ja niemand besseren, den man fragen kann, als seine künftigen Kolleginnen und Kollegen. Entweder vor oder während des Bewerbungsverfahrens.
Nehmen wir an, man hat nur Gutes gehört und sitzt dann in einem Bewerbungsgespräch. Worauf sollte man dort achten?
Vor allem darauf, ob das, was einem berichtet wurde, auch so von den Personalern bestätigt wird. Wenn also die Angestellten erzählen, dass man viele Überstunden macht und kaum im Homeoffice arbeiten darf, sollte man danach im Bewerbungsgespräch fragen. Und auch ganz klarmachen, welche Erwartungen man selbst hat.
Kann man auch, wenn man sich nach dem Gespräch nicht sicher ist, aktiv nach einem Probetag fragen?
Unbedingt! Auch eine Probewoche sollte immer drin sein. Alles, was dazu beiträgt, möglichst früh festzustellen, ob der Arbeitgeber zu einem passt, bevor man einen Vertrag unterschrieben hat, hilft – das sehen auch die meisten Unternehmen so.
Und wenn der Probetag gut verlaufen und der Vertrag unterschrieben ist, gibt es ja immer noch die Probezeit.
Genau. Die sollte man auch wirklich ernst nehmen und regelmäßig prüfen, ob die Unternehmenskultur, der Job, die Kolleginnen und die Anforderungen zu einem passen. Dabei muss der Job nicht genau so sein, wie man ihn sich vorgestellt und erhofft hat. Aber so, dass man selbst zufrieden und erfolgreich ist oder es werden kann. Wenn man vor der Probezeit all die genannten Schritte durchdacht hat, sollte es nicht mehr zu Problemen kommen. Zumindest zu keinen, die sich nicht lösen lassen, wenn man dann mit den Vorgesetzten spricht.
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