Studiengänge: Die Bildungslücke der Manager

Autor*innen
Kirstin von Elm
Geschäftsmann hebt fragend die Hand ans Kinn. Sein Schatten ist ein großes Fragezeichen.

Vielen Führungskräften hierzulande fehlt substanzielles Wissen über die Nutzung von Daten und Künstlicher Intelligenz. Deutsche und internationale Business-Schools wittern ein Geschäft.

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Kaan Bludau weiß, welche Fähigkeiten Manager brauchen, um es ganz nach oben zu schaffen: Führungskompetenz, Wirtschaftsverstand, Weitblick, Durchsetzungsvermögen. Der Frankfurter Headhunter betreut große Unternehmen bei der Besetzung von Top-Managementpositionen und klopft die Bewerber regelmäßig auf diese Eigenschaften ab. Neuerdings wünschen sich seine Kunden aber immer öfter eine weitere Kernkompetenz von ihren potenziellen Führungskräften: Durchblick beim Thema Daten und Künstlicher Intelligenz (KI). "Wir registrieren auf allen Ebenen eine erhöhte Nachfrage nach Führungskräften mit dezidierter KI-Expertise", sagt Bludau.

Das Problem: Kandidaten, die sowohl Management- als auch IT-Kompetenzen mitbringen, sind hierzulande schwer zu finden. "An deutschen Hochschulen wird das Thema Leadership oft nur sehr rudimentär behandelt", so Bludau. Gute Informatiker oder Analysten seien eben nicht automatisch auch gute Führungskräfte. Umgekehrt vermittle ein klassisches BWL- oder Managementstudium eher selten Kenntnisse in KI, Machine Learning oder Data Science. Um die Stellen seiner Klienten besetzen zu können, sucht Bludau daher regelmäßig im Ausland nach geeigneten Bewerbern.

Nicht nur Arbeitgeber, auch Studierende wünschen sich mehr KI und Datenanalyse auf dem Stundenplan. Laut einer Umfrage des auf Hochschulen spezialisierten Marktforschungsunternehmens Carrington Crisp zählen Business-Forecasting, IT und Künstliche Intelligenz mittlerweile zu den gefragtesten Schwerpunkten im Masterstudium (siehe Grafik). 48 Prozent der Studierenden fühlen sich derzeit durch ihr Studium aber nicht ausreichend auf die künftige datengetriebene Arbeitswelt vorbereitet, wie eine Erhebung des Digital Education Council (DEC) ergab. Die globale Allianz von Hochschulen und Unternehmen, die weltweit die digitale Bildung voranbringen will, hatte dazu Mitte 2024 knapp 4000 Studierende in 16 Ländern befragt.

WHU - MBAGleich mehrere Business-Schools in Deutschland haben sich vorgenommen, diese digitale Bildungslücke zu schließen, und bieten Managementstudiengänge mit Schwerpunkt KI und Datenanalyse an, darunter Top-Adressen wie die Frankfurt School of Finance, die Mannheim Business School, die WHU Otto Beisheim School of Management oder die European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin.

Auf Augenhöhe mit den KI-Spezialisten

An Letzterer startete vor wenigen Wochen der zweite Jahrgang des internationalen Masters in Analytics and Artificial Intelligence (MAAI). Das zweijährige Vollzeitstudium wendet sich an Studierende mit Bachelorabschluss und maximal drei Jahren Berufserfahrung. Neben englischen Sprachkenntnissen müssen Bewerber im Auswahlverfahren gute mathematische Fähigkeiten mitbringen: "Ein technischer Background ist kein Muss, aber in der Praxis haben fast alle zuvor ein MINT-Fach studiert oder ihr Studium stark auf quantitative Elemente ausgerichtet", sagt Catalina Stefanescu-Cuntze, Professorin für Management Science an der ESMT und inhaltlich für den neuen Studiengang verantwortlich. Das Programm soll Absolventen befähigen, auf Grundlage von Daten bessere Entscheidungen zu treffen – und diese später im Unternehmen zu vermitteln. Neben technischen Grundlagen erlernen sie deshalb Managementfähigkeiten und trainieren beides im Rahmen mehrmonatiger Praktika und studentischer Beratungsprojekte. Das Netzwerk der ESMT öffnet ihnen dabei Türen zu Firmen wie Amazon, Google, Tesla oder Zalando und sorgt zugleich für Zugang zu neusten Technologien und leistungsstarken Rechenzentren.

Eine neue Generation von Daten-Dolmetschern will die WHU künftig ausbilden. "Unsere Partner aus der Wirtschaft sagen uns, dass sie händeringend Führungskräfte suchen, die einerseits eine hohe betriebswirtschaftliche Kompetenz haben und Menschen führen können, andererseits die Algorithmen verstehen und mit den Spezialisten über Datenanalyse und Künstliche Intelligenz auf Augenhöhe sprechen können", sagt Arne Strauss, Professor für nachhaltige Lieferketten und akademischer Leiter des neuen Masters in Business Analytics an der Privathochschule. Der erste Jahrgang soll im Januar 2025 starten. Studiengebühren von 30.000 bis 40.000 Euro für einen Master sind für viele Deutsche gewöhnungsbedürftig, ein Großteil der angehenden Datenexperten von ESMT und WHU stammt aus dem Ausland. Anders sieht es in Mannheim und Frankfurt aus, wo die Business-Schools den Abschluss berufsbegleitend anbieten. Studierende im Mannheimer Master in Management Analytics & AI arbeiten oft bei Hidden Champions und anderen deutschen Mittelständlern.

Wer eine internationale Karriere anstrebt, kann eine Kombination aus Management- und Datenkompetenz auch an zahlreichen Business-Schools im europäischen Ausland studieren, etwa an den französischen Wirtschaftshochschulen ESSEC oder EDHEC, an der spanischen IE Business School, der London Business School oder an der ESCP, die mit sechs verschiedenen Campus in Europa aufwartet, einer davon in Berlin. In den USA erleben Managementstudiengänge mit MINT-Schwerpunkten bereits seit Jahren einen Boom. Hintergrund: Deren internationale Absolventen dürfen nach dem Abschluss bis zu drei Jahre ohne zusätzliches Visum in den USA arbeiten und können so ihre Chancen auf eine feste Aufenthaltserlaubnis erhöhen – ein Aspekt, der nach dem Wahlsieg Donald Trumps erneut an Relevanz gewinnen könnte.

Aktuell sei der Aufstieg ins Topmanagement für KI-Experten eher im Ausland möglich, beobachtet Headhunter Bludau. Deutsche Unternehmen seien bei der digitalen Transformation oft zu zögerlich, nur wenige leisteten sich einen Chief Artificial Intelligence and Data Officer. Für die neue Generation von Absolventen sieht er aber gute Chancen, eines Tages in Führungspositionen aufzusteigen: "Umfassende KI- und Datenkompetenz wird langfristig zum festen Bestandteil der Profile von C-Level-Managern werden."

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