Aller Anfang ist schwer: Katastrophen am ersten Arbeitstag
Als neuer Mitarbeiter versucht man am ersten Arbeitstag vor allem eines: irgendwie unauffällig durchkommen. Drei anonyme und wahre Geschichten von Menschen, denen alles Mögliche gelungen ist – nur das nicht.
Endstation Tiefgarage
An meinem ersten Arbeitstag hatte ich von Minute eins an ein mulmiges Gefühl, da mich meine neue Chefin mit bleichem Gesicht und mehr als kurz angebunden begrüßte. "Richten Sie sich doch bitte Ihren Arbeitsplatz ein", sagte sie mechanisch. Dann wandte sie sich wieder ihrem Telefonhörer zu, während sich ihr Blick in den Rücken eines Mitarbeiters bohrte, der rauchend vor der Glastür des Büros stand. Wenigstens er schenkte mir ein beiläufiges Kopfnicken. Erleichtert über die erste freundliche Geste ging ich mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, doch ein finsteres Gesicht schnitt mir den Weg ab. Es gehörte zu einer Frau, die mir in todernstem Ton mitteilte: "Ich werde Sie jetzt durch das Haus führen." Ihre Miene duldete keine Widerrede.
Unsere Tour startete im Sekretariat am Büroschrank, dessen Inhalt sie mir sehr ausführlich erklärte. Nachdem wir alle Materialien sämtlicher Schubladen inspiziert hatten, liefen wir kreuz und quer durch das Gebäude. "Sie sollten sich mit den Gängen schon einmal vertraut machen", betonte sie, "das Haus ist nämlich recht verzwickt. Es gibt Stockwerke, auf denen es nicht weitergeht: Sackgassen!" Während sie sprach, hoffte ich auf ein Lebenszeichen in den leergefegten Fluren. Die Gesellschaft dieser Frau, die sich als Team-Mitglied vorgestellt hatte, war mir unheimlich. Doch es war erst kurz nach acht Uhr morgens und die meisten Mitarbeiter offenbar noch nicht da. "Am besten, wir gehen alles auch einmal anders herum, damit Sie noch ein besseres Gefühl für die Wege bekommen."
Nachdem ich jede Abteilung der Firma kennengelernt hatte – nur leider unbesetzt –, führte unser Irrweg in die verdunkelte, ebenso ausgestorbene Kantine, wo meine Fremdenführerin versuchte, mich zu einer Pause zu überreden. Wie lange gedachte sie, mich noch ohne erkennbaren Grund in die entlegensten Winkel des Gebäudes zu treiben? Und nun eine Kaffeepause mit ihr allein in der verwaisten Kantine? Dankend lehnte ich ab – und bereute es sofort: "Dann werde ich Ihnen jetzt die Tiefgarage zeigen" sagte sie, ein fieberhaftes Lächeln auf den Lippen. Ich bekam es mit der Angst zu tun.
"Wie nett, dass Sie mir alles gezeigt haben", sagte ich erleichtert, als wir nach der beklemmenden Tour durchs unterirdische Parkplatzlabyrinth wieder im Aufzug standen. Oben – in Sicherheit angekommen – verließ sie mich endlich. Während ich in meiner Tasche nach einer Aspirin kramte, lief die Chefin plötzlich freudestrahlend und wie ausgewechselt auf mich zu: "Wo wart ihr denn die ganze Zeit?" – "Garage", murmelte ich und sank erschöpft in den Stuhl.
Erst Wochen später erfuhr ich den wahren Grund für diese absurde Tour. Der rauchende Kollege hatte am Abend zuvor das Unternehmen mit einer Waffe bedroht und sollte an meinem ersten Arbeitstag tatsächlich von der Polizei im Büro abgeholt werden. Meine Chefin erfuhr am Telefon vom geplanten Einsatz, wenige Minuten, bevor ich das Büro betrat. Natürlich wollte sie verhindern, dass ich gleich in der ersten halben Stunde einem Pulk Polizisten in die Arme lief und meine neue Firma für einen Hort des Verbrechens hielt. Daher setzte sie – zwecks Tour durch die garantiert polizeifreien Bereiche der Firma – eine mit der Situation ebenfalls überforderte Kollegin auf mich an, die mir inzwischen durchaus geheuer ist.
Das nächste Mal bitte weniger Porno
Wie bei jeder frischgebackenen Dozentin war mein erstes Seminar für mich eine absolute Ausnahmesituation. Nicht nur, dass ich mit "Fetische im Film" gleich ein saftiges Einstiegsthema gewählt hatte: Auch abgesehen davon fühlte ich mich unter den hundert fremden Blicken wie ein Tier in der Arena. Um mich vorne auf dem Präsentierteller zumindest etwas wohler zu fühlen, hatte ich mir eine neue Hose angezogen und noch auf der Toilette meine Zähne im Spiegel auf Petersilienreste untersucht. Ergebnis: Keine Petersilie in Sicht – also los!
Da ich ohnehin nervös war, lief ich beim Sprechen vor dem Pult auf und ab: "Es gibt sehr explizite Szenen, doch haben Sie keine Scheu. Ich verlange nicht, dass Sie sich die Filme bis zum Ende ansehen." Um möglichst gelassen zu wirken, schob ich meine Hände in die Hosentaschen. "Sie können jederzeit aufstehen und gehen. Trotzdem würde ich Sie bitten, es zu versuchen und Ihre eigenen Sehgewohnheiten zu testen."
Am Ende der Sitzung rannte ein Student mit hochrotem Kopf an mir vorbei. "Mein Gott, sind die süß", dachte ich und klappte den Laptop zu. "Erste Einheit gut überstanden!" Als ich mir die Tasche umhängte, fiel mein Blick an mir herunter – und blieb am Reißverschluss-Zipper meiner neuen Hose hängen. Dieser wiederum hing am Ende eines sperrangelweit offenen Hosenstalls. Eines Hosenstalls, den ich gerade Länge mal Breite von allen Seiten und Positionen aus präsentiert hatte und der durch den locker-lässigen Griff in die Taschen noch weiter aufgegangen war. "Vielleicht hat es ja niemand bemerkt", war mein trostspendendes Mantra auf dem Weg zurück ins Büro.
"Siehst du etwas?" fragte ich meine Kollegin, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Sie saß am Schreibtisch und musterte mich schweigend. Dann drehte sie sich um, öffnete die Tür des schweren Mahagoni-Schranks hinter sich und holte eine Flasche Schnaps mit Gläsern heraus. Beim Gedanken an die kommenden Sitzungen trank ich zwei. Als ich am Ende des Semesters die Fragebögen zur Evaluation meines Kurses durchging, las ich im Kommentarfeld von einem Studenten nur einen einzigen Satz: "Das nächste Mal bitte weniger Porno." Ich hoffe bis heute, dass sich diese Anmerkung auf die schonungslose Inszenierung der Filme bezog.
Falsche Tür, richtiger Ausgang
An meinem ersten Arbeitstag plagte mich neben der üblichen Nervosität noch ein viel fundamentaleres Problem: Ich konnte nirgends die Toilette finden. Schließlich überwand ich mich und fragte meine Chefin. Sie führte mich zur Eingangstür, neben der zwei Schlüssel hingen, drückte mir einen davon in die Hand und sagte: "Bei uns sind die Toiletten draußen auf dem Gang, man muss sie erst aufsperren. Das Männerklo ist die erste Tür links."
Gedankenverloren setzte ich mich in Bewegung. "Was habe ich da gerade nochmal erzählt, als ich mich den Kollegen vorstellte?" überlegte ich, während ich über den Flur lief und nach links gewandt stehenblieb. Zerstreut steckte ich den Schlüssel ins Schloss: "War das zu forsch für den ersten Tag?" Ich öffnete die Tür, nahm in der Kabine Platz und kam dort zu dem Schluss: "Vielleicht hätte ich doch lieber etwas Anderes sagen sollen." Den Kopf aufs Kinn gestützt sinnierte ich weiter über mein Auftreten und starrte ins Leere, bis sich mein Blick auf einen Schlag zu einem gestochen scharfen Bild zusammenfügte: Vor mir hing eine Zeichnung, auf der eine durchgestrichene Figur zu sehen war. Sie pinkelte hockend über der Kloschüssel. Daneben dieselbe Figur noch einmal, diesmal sitzend. Beide waren im Profil gezeichnet – mit langem Pferdeschwanz.
Just, als es mir zu dämmern begann, hörte ich, wie sich draußen die Tür öffnete und jemand die Kabine neben mir betrat. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich zwei Dinge mit Sicherheit. Erstens: Es war jemand aus der Firma. Und zweitens: Es war eine Frau. Was sollte ich tun? Mich gleich am ersten Tag als Ferkel auf der Damentoilette erwischen lassen?
Für mich war klar: Das Kind ist ohnehin schon ins Klo gefallen. Daher entschied ich mich, dem Malheur ins Auge zu sehen, mir die Hände zu waschen und – wenn ich Glück hatte – sogar noch rechtzeitig zu entkommen. Doch als ich gerade im Begriff war, mich leisen Schrittes vom Waschbecken Richtung Ausgang zu entfernen, öffnete sich die Kabine und ich lief niemand anderem in die Arme als meiner Chefin höchstpersönlich. Mir blieb nur die Flucht nach vorne: "Mensch, kann es sein, dass ich hier auf der falschen Toilette gelandet bin?" Schallendes Gelächter. "Die Schlüssel schließen für beide Klos. Aber offensichtlich bist du nicht bei der ersten, sondern bei der zweiten Tür links abgebogen".
Meiner Karriere hat der Zwischenfall übrigens keinen Abbruch getan. Ich habe die Stelle bekommen und später als Teamleiter die Nachfolge der Frau angetreten, die ich am ersten Tag auf dem Klo überrascht hatte. Wenn ich heute neue Kollegen zur Toilette schicke, dann aber immer mit dem Hinweis: Gib acht, dieser Schlüssel passt nicht nur zu der Tür, die du suchst.