Wenn Arbeit keinen Spaß macht: Frust im Job – was tun?

Autor*innen
Ursula Kals
Eine Treppe, bei der eine Stufe überproportional groß ist. Eine Person lehnt resigniert mit dem Kopf an der Stufe.

Zu viel Stress, zu wenig Wertschätzung und mit der Beförderung hat es wieder nicht geklappt: Wer im Arbeitsalltag dauerhaft unzufrieden ist, sollte gegensteuern. Wie man das am besten angeht.

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Ist das nur eine Phase, die sich ausschleicht, oder ein Dauerzustand, sich frustriert an die Arbeit zu machen? Diese Frage treibt täglich Zigtausende Arbeitnehmer um. 

Anruf in Zürich. Die freundlich-energisch wirkende Frau ist Oberärztin, erfreut sich am ersten Kind, nicht aber am fordernden Chef. "Ich war lange frustriert", bestätigt die Mittdreißigerin, nennen wir sie Lisa Müller. Das Gespräch ist auf eine Viertelstunde begrenzt. Sie muss mit ihren Kräften haushalten. "Viele Dinge kamen zusammen, ein Problem sind die Spät- und Wochenenddienste, die belasten, wir sind immer weniger Leute und müssen die gleiche Arbeit oder noch mehr leisten, die Stimmung im Team ist angespannt."

Als Medizinerin müsste ihr die Plackerei doch vom ersten Semester an vertraut sein? "Grundsätzlich bin ich gewohnt, das zu erwarten. Aber wenn der Einsatz nicht wertgeschätzt wird, man das Gefühl hat, nichts zu bewirken, frustriert das." Die Probleme im Klinikalltag waren komplex, verschärft durch Günstlingswirtschaft. "Fairness war einfach nicht gegeben." Ihre Unzufriedenheit belastete zunehmend das Familienleben. Ihr Mann unterstützt sie, müht sich, Stimmungsschwankungen auszugleichen. "Meine Arbeit wurde zum Problem, ich habe das mit nach Hause genommen, nicht mehr gut geschlafen, war schlecht gelaunt." Bergwanderungen halfen da nur vorübergehend.

Spätestens dann wird es schwierig mit, wie das Psychologen nennen, der Emotionsregulation. Dann folgt die Empfehlung, Ursachenforschung zu betreiben: Was genau macht mich so unzufrieden? Ärztin Müller kann das präzise benennen. Andere aber nicht. Jurij Ryschka kennt sich seit 25 Jahren damit aus, sein Mainzer Beraterteam begleitet Veränderungsmanagement. "Viele Menschen sind motiviert, wollen einen guten Job machen. Wenn sie dazu nicht die Mittel haben oder ihnen was weggenommen wird, laufen sie Gefahr, in eine passive Haltung zu gehen. Manchmal ist das ein Ereignis, manchmal ist es schleichend. Dann hilft es zu analysieren, was dazu geführt hat."

Kein Mut, keine Kraft und keine Zeit

Der Fachhochschulprofessor arbeitet mit dem Circle-of-Influence-Modell: Im Prinzip geht es darum, sich sachlich anzuschauen, was kann ich beeinflussen, was nicht. "Menschen halten sich häufig an dem Gebiet auf, was nicht beeinflussbar ist. Es ist völlig in Ordnung, Dampf abzulassen. Wichtig ist, handlungsfähig zu sein." Genau hinsehen hilft: Habe ich zu viel oder zu wenig Verantwortung, erlebe ich widersprüchliche Anweisungen? Über die Dinge, die der Einzelne beeinflussen kann, sollte er mit den Vorgesetzten sprechen. Wirtschaftspsychologe Ryschka hat mit seinem Kollegen Marc Solga unter dem Titel "Psychologische Kontrakte gestalten, Verhalten steuern, Leistungen steigern" Handlungsempfehlungen für Mitarbeiterführung publiziert.

"Häufig entstehen Frustrationen, wenn Erwartungen enttäuscht werden, das sind oft implizierte Erwartungen." Da werden Verpflichtungen zugeschrieben: Das müssen die mir geben, das steht mir zu, die Kollegin hat das auch bekommen! Es stellt sich aber heraus, dass darüber nie explizit gesprochen wurde. "Dann ziehen sich manche gekränkt zurück und machen Dienst nach Vorschrift, gerade so, dass es nicht richtig auffällt." Höchste Zeit, den Mund aufzumachen. "Wichtig ist, wie man das anspricht. Erst mal muss der Rahmen gut gestaltet werden", sagt Ryschka, in etwa so: "Ich arbeite gerne für Sie, aber ich habe in letzter Zeit beobachtet, dass ich mit Punkt X oder Y unzufrieden bin. Auf Dauer ist das für mich nicht gut, und es tut der Firma nicht gut. Ich möchte weiter motiviert bleiben und mit Ihnen die Lösung finden." Einen Versuch sei das auf jeden Fall wert.

Die Schweizer Ärztin hat mehrfach versucht, mit den Vorgesetzten zu sprechen. "Aber für die bestand kein Handlungsbedarf. Es war kein Mut oder keine Kraft und Zeit da, sich um das Problem zu kümmern." Abgespeist wurde sie mit der schnöden Bemerkung: "Tja, da kann man nichts machen." Lisa Müller zog die Konsequenzen und wechselte. Manche Menschen sind leidensbereiter, andere achten mehr auf sich. "Aber mit dem Aspekt Persönlichkeit bin ich immer vorsichtig", sagt Jurij Ryschka. Die Frage sei doch: "Gelingt es mir, meinen inneren Frieden damit zu finden und die Dinge zu akzeptieren?"

Kritische Reflexion, ein Muss

Das kann das viel zitierte Reframing bedeuten - eine neue Haltung zur schwierigen Ausgangslage finden und sich Bedingungen vergegenwärtigen, die aktuell ganz gut sind. Ryschka sagt gespielt provokant: "Im Hinblick darauf wäre es einfacher, wenn es nur noch Einjahresverträge gäbe. Dann würde ich meinen Kontrakt überdenken und überlegen: Passt das, oder gehe ich woanders hin, wenn ich erkenne, dass sich die Dinge, die mich stören, nicht ändern werden?" So konfrontiert er frustrierte Klienten: Warum sind Sie eigentlich noch da? Wir haben einen Arbeitnehmermarkt! Berichten Sie mal.

Ryschka schätzt ein weiteres Mittel, um in die Reflexion zu kommen: "Schreiben Sie auf, was Ihnen wichtig ist bei der Arbeit. Notieren Sie Gestaltungsräume, Aufgaben, Arbeitsklima und mehr und machen Sie an jedes Thema eine Skala von null bis zehn. Das kann Unterschiede klarmachen. Vielleicht hat die Bürosituation bei mir eine fünf, ich brauche aber eine sieben." So eine Liste liefere eine Grundlage fürs Chefgespräch oder einen Anforderungskatalog für eine effiziente Stellensuche.

Die Grenze zwischen lang andauernder Arbeitsunlust, die nicht schwindet, und dem dauerhaften, zersetzenden Gefühl, am falschen Platz zu sein, ist für viele Betroffene nicht klar auszumachen. An kritischer Reflexion führt kein Weg vorbei: Ist das jetzt der akute Ärger, bei der Beförderung übergangen worden zu sein? Kocht die Wut darüber nicht runter, fühlt es sich frustrierend an, den Überholer täglich vor Augen zu haben. Oder verebbt die Enttäuschung und wächst die Zuversicht, dass es beim nächsten Mal mit dem Aufstieg klappen kann? Ist das jetzt der übliche Rückkehrer-Jetlag nach dem traumhaften Segeltörn, sich wieder in der Welt der Akten einzurichten, oder raubt diese Perspektive die Luft zum Atmen? Allerspätestens wenn die Arbeit nur als Übergangsbrücke zum nächsten Urlaub erlebt wird, sollten die Alarmglocken schrillen. Denn dann hat sich der Frust in die Seele gebissen und chronifiziert.

Für Doris Brenner ist das eine der schwierigsten Ausgangslagen. Die Personalentwicklerin im Rhein-Main-Gebiet erlebt häufig Kunden, die frustriert sind, oft, weil sie sich mit der Führungskraft nicht arrangieren können, ihre Leistung nicht wahrgenommen wird. Schwieriger zu beheben sei jedoch die latente Unzufriedenheit. "Die Leute sprechen gefrustet vom Hamsterrad, haben aber nicht die Energie, um aktiv zu werden, spüren ein Unvermögen, etwas zu ändern."

Wichtig ist ihr eine realistische Einschätzung der Lage. "Vieles ist hochemotional und subjektiv. Nach meiner Erfahrung kommen Frauen eher frühzeitig und schätzen Probleme viel kritischer ein, Männer wenden sich erst an mich, wenn das Kind halb in den Brunnen gefallen ist." Die Karriereberaterin lässt sich die Situation beschreiben: Was macht der Chef konkret, was machen Sie, was sind Handlungsalternativen? Haben andere ähnliche Probleme? Ist das Chefverhalten nicht akzeptabel oder überreagieren Sie womöglich?

Der Frust und sein Ursprung

Frustrierte Klienten erlebt die Kölner Psychologin Petra Jagow oft in ihren Coachings und nennt fünf Ursachen. Den ersten starken Frust beobachtet sie bei jungen Menschen unterhalb der Mittelschicht, dass sie überhaupt arbeiten müssen. Auch materiell maximal verwöhnte Kinder, die nur Luxusreisen kennen, empfänden diese Zumutung, sich zur Leistung aufzuraffen, Frustrationstoleranz gleich null. Jagow spricht von einer Stand-by-Generation; die einen hätten fehlenden Selbstwert, die anderen starke Selbstüberschätzung. Die zweite große Gruppe hege falsche Erwartungen an den Job, wolle Influencer, Modell, Superstar werden, reich und berühmt mit wenig Aufwand - eine Fehleinschätzung, die zwangsläufig zur Frustration führt.

Drittens die Gruppe, die im falschen Job ist, etwa davon träumt, auf einer Insel zu sitzen und Drehbücher zu schreiben. "Wir können gucken, was Sie im Job umbauen können, wo Sie Einfluss nehmen können", schlägt Jagow vor. "Oft erledigt sich die Ausstiegsphantasie." Bei der vierten Gruppe sei alles richtig. "Die ist nur beim falschen Arbeitgeber. Das kann man am leichtesten reparieren." Jagow arbeitet auch für das Kölner Rheingoldinstitut und gerne mit deren Studie, die sechs Bindungsfaktoren am Arbeitsplatz beschreibt: Werkstolz, Flexibilität, Aufgehobensein im Team, Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten, Sinngebung. Interessant sei zu sehen, welchen dieser Punkte Frustrierte aufgriffen, und dort anzusetzen. Die Wirtschaftspsychologin beobachtet noch eine Gruppe, die mehr Selbstbestimmung anstrebt: "Die ist im richtigen Job, aber an dem Punkt, wo sie sich selbständig machen wollen."

Naturgemäß erledigen sich manche Frustphasen von selbst. Das trifft beispielsweise auf die Elftklässler zu, die sich in den ersten verwirrenden Wochen mit Kurssystem und ständig wechselnden Lehrer- und Schülerkonstellationen in den alten Klassenverband zurücksehnen. In dem Fall lautet die Prognose: Geduld haben, das Fremdheitsgefühl wird weichen, die Chancen stehen gut, sich allmählich in der Unübersichtlichkeit einzurichten und in neuen Cliquen Heimat zu finden. Die frischgebackenen Oberstufenschüler sehen Licht am Horizont. Selbst der Informatiklehrer erweist sich nach autoritärer, sich Respekt verschaffender Premiere als verträglich.

Bleiben wir beim Beispiel Schule. So klagt ein Lehrer aus dem Düsseldorfer Raum über erloschenen Schwung. Pflegefall in der Familie, bedrohlicher Hauskredit, renitente Problemklasse, zählt der Historiker auf. "Täglich frustriert nach Hause zu kommen schlaucht doppelt. Viele Schüler sind desinteressiert an meinem Fach, wiederholen nur Parolen der Eltern." Seufzend zitiert er den Kultsatz von Rudi Völler - "die Sache mit dem Tiefpunkt und noch mal 'n Tiefpunkt und noch mal 'nen niedrigeren Tiefpunkt". Für Ausgleich sorgt sein zweites Fach. "Die Sportstunden reißen es raus, da gibt es junge Talente." So wie die Handvoll engagierter Schüler seiner Geschichts-AG. Langsam steigt seine Stimmungskurve. Manchmal regulieren sich Frustrationen mit dem nächsten Erfolg.

"Investment in andere Bereiche verlagern"

Der Pädagoge tut instinktiv das, was sozusagen ambulant aus der Frustration führen kann: Er sucht sich andere, reizvolle Aufgaben. Ein wichtiger Punkt, findet Psychologe Ryschka: "Man kann in Organisationen beobachten, dass sich Menschen unbewusst das, was sie nicht mehr in der Firma bekommen, privat holen, im Verein, sich in der Elternrolle engagieren - ihr Investment in andere Bereiche verlagern." Doris Brenner unterstreicht diesen Aspekt: "Bei beruflichen Belastungen für Ausgleich sorgen, gleich ob Hobby oder Ehrenamt, macht einen entscheidenden Unterschied in der Zufriedenheit."

Hilfreich ist auch der Werkkasten der klassischen Bore-out-Bekämpfung, also des Arbeitskontexts, der permanent unterfordert und deshalb zu Frust führt: aktiv andere Aufgaben einfordern, sich mit dem Vorschlag "ich suche neue Herausforderungen" an den Chef wenden. Ryschka nennt das Schlagwort Jobcrafting, also zu überlegen, ob ich nicht im Job mehr Dinge machen kann, die mir wichtig sind.

Führungskräfte sollten besonders aufmerksam sein, wenn sie Frustrationen erliegen. Je höher die Position ist, umso höher die Verantwortung, da herauszukommen, um andere nicht zu belasten. Wer dauerhaft frustriert ist, der ist eine unglaublich schlechte Führungskraft und betreibt Verantwortungsumkehr: So jemand erfüllt keine Vorbildfunktion und wird nicht mehr respektiert. Es sei kein Einzelfall, dass hoch dotierte Leute ihre Führungsrolle nicht ausfüllten, beobachtet Petra Jagow. "Das ist Machtmissbrauch." Etwa wenn sich beim Jahresgespräch der Vorgesetzte beim rangniedrigeren Kollegen ausweint nach der Devise, was glaubst du, was auf meiner Ebene los ist. "Das zersetzt die Laune nicht nur im Tagesgeschäft." Mitarbeitern rät Jagow, sich so eine schwer zu stoppende Litanei anzuhören, dann aber etwas für sich einzufordern.

Laut Gallup-Studie ist die emotionale Bindung an den Arbeitgeber in Deutschland auf einem Rekordtief. Die Schweizer Ärztin hat ihren befristeten Vertrag auslaufen lassen und sich mit Unterstützung eines Coaches sortiert. Zum Schluss berichtet sie mit verhaltener Vorfreude, eine neue Stelle anzutreten. Vorher hat sie gründlich recherchiert. "Zehnstundentage bleiben weiter intensiv, aber das Menschliche macht einen besseren Eindruck. Ich freue mich auf den ersten Arbeitstag im neuen Umfeld."

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