Die Karrierefrage: Wie gewinne ich als junge Führungskraft den Respekt älterer Kollegen?
- Josefine Janert
![Eine Waage mit zwei Waagschalen. Auf der einen steht eine einzelne Frau mit einem Megafon, auf der anderen vier junge Personen. Die Frau ist schwerer als die vier zusammen. [© master1305 – stock.adobe.com]](https://www.e-fellows.net/uploads/NEU-Medienbibliothek/Symbolbilder/_articleImageSmall/3225321/Chef-Mitarbeiter-Autoritaet.jpg)
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Wer früh eine Führungsrolle übernimmt, kann vieles noch gar nicht wissen – will aber trotzdem überzeugen. Wie das gelingt und welche Stolperfallen man vermeiden sollte.
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Er sagt von sich selbst, dass er sehr jung und mit wenig Wissen und Erfahrung im Gepäck ins Berufsleben startete. Jason Modemann studierte im ersten Semester Design, als er Mawave gründete, sein erstes Unternehmen. Das war 2018. Das Studium brach er ab. Heute ist Modemann 27 Jahre alt, hat 120 Mitarbeiter und gestaltet mit Mawave die Social-Media-Kanäle von Autokonzernen und Telekommunikationsanbietern. Außerdem moderiert er einen Podcast, ist Kolumnist einer Fachzeitschrift und tritt bisweilen mit Vorträgen zu Marketingthemen auf. Die Mawave-Mitarbeiter sind im Durchschnitt so alt wie ihr Chef. "Doch wir haben auch Mitarbeiter mit 20 Jahren Berufserfahrung", sagt Modemann. Als sie ihren ersten Job antraten, sei er in die Grundschule gegangen.
Machen ihn Gespräche mit älteren Kollegen nervös? Bisweilen schon, sagt Modemann. Das liege aber nicht am Alter. Von den 120 Mitarbeitern wisse jeder auf mindestens einem Fachgebiet besser Bescheid als er, der Chef. Deshalb habe er sie ja auch eingestellt. Er habe eine Unternehmenskultur etabliert, in der alle voneinander lernen. Dass ab und zu Fehler passieren, gehöre dazu. Er halte seine Mitarbeiter dazu an, vor ihren Kollegen zu diesen Fehlern zu stehen – und mache das auch selbst. Dass er bei manchen Themen unsicher ist, das würde er offen äußern, auch wenn viele Menschen zuhören. "Jeder im Raum checkt sowieso, wenn du nicht ganz sicher in deiner Rolle bist", sagt Modemann.
Unsicherheit offen eingestehen – für junge Führungskräfte ist das ein schwieriges Thema. Denn sie wollen ja den Respekt der Kollegen. Dass sie, wenn sie ihre Führungsposition antreten, vieles noch nicht so gut wissen können wie jemand, der schon lange dabei ist, ist eigentlich selbstverständlich. Sollen sie deshalb, wenn sie sich dem Team vorstellen, gleich ankündigen, dass ihnen vermutlich Schnitzer unterlaufen werden? "Davon rate ich ab", sagt Rüdiger Maas aus Augsburg. "Das wirkt wenig souverän, wenn jemand extra auf Fehler hinweist." Ebenso wenig solle man sie vertuschen.
Nicht "den großen Zampano" markieren
Der 46 Jahre alte Psychologe forscht über das Miteinander der Generationen. Sein Buch "Generation arbeitsunfähig" stand auf der Bestsellerliste. Maas behauptet, dass viele Menschen, die jetzt in den Zwanzigern sind, von ihren Eltern "überbehütet" wurden: "Die Fähigkeit, ihr eigenes Handeln zu reflektieren und ständig an sich zu arbeiten, haben sie nicht ausreichend trainiert." Für Maas sind das keine guten Voraussetzungen dafür, Chef oder Chefin zu werden. "Ich beobachte, dass immer weniger junge Menschen eine Führungsposition übernehmen möchten", sagt er. "Deswegen ist man in vielen Unternehmen vermutlich dankbar, wenn das überhaupt geschieht, und bereit, der Person mehr zuzugestehen."
Nach Maas' Einschätzung akzeptieren es Unternehmen zum Beispiel, wenn sich junge Führungskräfte vor schwierigen Mitarbeitergesprächen drücken möchten: Das könne doch die nächsthöhere Führungskraft übernehmen. Unternehmen würden auch bereitwillig Geld in teure Seminare investieren, wo die Jungen Führungskompetenzen entwickeln können. Am ehesten seien sie noch für einen Chefposten geeignet, wenn sie als Klassensprecher, Spielführer oder Jugendleiter einer Sportgruppe einschlägige Erfahrungen gesammelt hätten.
Die Psychologin Kathrin Südmeyer aus Wiesbaden hat einen versöhnlichen Blick auf die jungen Führungskräfte, die sie als Coach begleitet. Deren Ansprüche an sich selbst beschreibt sie so: "Sie wollen alle Teammitglieder einbeziehen. Niemand soll sich ausgegrenzt fühlen. Alle sollen gleichermaßen mit Informationen versorgt werden." Viele hätten ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Wenn sich eine junge Führungskraft ihrem Team vorstellt, schlägt Südmeyer folgende Begrüßung vor: "Ich bringe dieses und jenes Wissen mit. Aber ich bin nicht allwissend. Ich hoffe, von Ihnen und Ihren Erfahrungen zu lernen." So sieht sie die Chance, dass ältere Kollegen die Person als sympathisch und ihr Verhalten als "fair und realistisch" einschätzen. Wenn jemand "den großen Zampano markiert", würden das Ältere aufgrund ihrer Lebenserfahrung "ohnehin nicht mehr ernst nehmen".
Junge Führungskräfte brauchen selbst Orientierung
Ansonsten plädiert Südmeyer dafür, dass die junge Führungskraft in ihrem Team das voneinander Lernen organisiert. Dafür gebe es viele Strategien. So könnten sich je eine junge und eine ältere Person in einem Tandem zusammenfinden und gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Die junge Mitarbeiterin könne zum Beispiel ihr Wissen über Social-Media-taugliche Marketingstrategien einbringen, die ältere Kollegin ihre Erfahrung im Umgang mit der Technik im Unternehmen. Wenn das gut funktioniert, sei der jungen Führungskraft der Respekt der Kollegen aller Altersgruppen sicher, glaubt Südmeyer.
In vielen Unternehmen gibt es Umgangsformen, die Neuankömmlinge skeptisch sehen. Sie fragen sich: Ist es noch angemessen, dass wir uns gegenseitig siezen? Ist es wirklich noch nötig, dass wir bei Gesprächen mit Kunden Anzug oder Kostüm zu tragen? Wer mit Ende zwanzig eine Führungsposition innehat, könnte in Versuchung geraten, das schnell ändern zu wollen. Psychologin Südmeyer rät eher dazu, sich die Gepflogenheiten erst einmal in Ruhe anzuschauen. In einer Bank könne man eben nicht in Schlabberjeans herumlaufen, sagt sie: "Dafür müssen junge Menschen wirklich Verständnis haben." Aber es sei natürlich in Ordnung, Traditionen zu hinterfragen.
Rüdiger Maas weist auf eine Reihe von Stolperfallen hin, vor denen er junge Führungskräfte sieht. Früher seien die Mitarbeiter "auf Kommando gesprungen", wenn der Chef es verlangte: "Was er sagte, wurde akzeptiert, egal, wie gut oder schlecht er führte." Solche Hierarchien gebe es heute kaum noch. "Führungskräfte müssen Mitarbeiter überzeugen, nicht überreden, und sie immer wieder motivieren", sagt Maas. Damit ihnen das gelingt, bräuchten junge Führungskräfte selbst Orientierung. Es müsse im Unternehmen genau festgelegt werden, dass ihnen jemand regelmäßig Feedback zu ihrer Arbeit gibt und ihre Fragen beantwortet. Psychologin Südmeyer empfiehlt, dass sich Junge von einem erfahrenen Mentor begleiten lassen. Sinnvoll sei auch, wenn sich junge Führungskräfte in vertrauensvoller Atmosphäre mit Gleichaltrigen austauschten, die ebenfalls ein Team leiten.
Mawave-Chef Jason Modemann verabredet sich jede Woche mit drei, vier Mitarbeitern, die nicht direkt an ihn berichten, und lässt sich von ihrer Arbeit erzählen. Auf Betriebsversammlungen fordert er die Anwesenden dazu auf, Kritik zu üben – auch an seinem Führungsstil. Neulich habe jemand geäußert: "Viele haben nicht verstanden, was du neulich gesagt hast. Kannst du nächstes Mal bitte deutlicher formulieren?" Für Modemann sind solche Sätze der Beleg dafür, dass seine 120 Kollegen mitdenken. Aussagen wie "Alles ist super!" misstraue er hingegen, sagt er. Wie er ohne Studienabschluss und mit wenig Berufserfahrung einen solchen Führungsstil entwickeln konnte? Er habe gezielt erfahrene Mitarbeiter ins Boot geholt, sagt Modemann – auch um von ihren Führungsroutinen zu lernen.
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