Karriere-Tipps: Hoch Hinaus

Autor*innen
Cathrin Schmiegel
Eine Glühbirne mit Kabel, das zu einer Treppe geformt ist. Ein Geschäftsmann steigt die Treppe hinauf und blickt mit einem Fernrohr zur Glühbirne nach oben.

Wer den ersten Arbeitsvertrag unterschreibt, kennt sie: Karriereweisheiten, die klingen wie aus dem FDP-Wahlprogramm: "Fake it till you make it", oder "Be your own brand". Nur: Was bedeuten sie? Sechs Mythen im Check

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1. Be your own brand

Auch wenn der Satz klingt wie eine Marketingfloskel: Er stimmt. "Dahinter steckt nichts anderes als die Frage: Wofür stehe ich eigentlich?", sagt Christina Richter, Gründerin und Geschäftsführerin des Personal Branding Instituts und Autorin von Sichtbare Frauen. So nutzt du LinkedIn & Co. als Karrierebooster. Was sie damit meint: Deine Marke ist dein unique selling point (USP), dein Alleinstellungsmerkmal. "Um den zu finden, solltest du darüber nachdenken, bei welchem Thema andere deinen Rat suchen, und dich fragen, für was du brennst", sagt Richter. Bist du Unternehmensberater:in und kennst dich fantastisch mit E-Mobility aus? Oder Entwicklungsingenieur:in mit Expertise zum chinesischen Halbleiter-Markt? Super, das kann Teil deines Markenkerns werden. Je knapper du ihn zusammenfassen kannst, desto besser. "Ein Wort oder ein Satz genügt schon", sagt Richter. Sie rät, sich nicht zu verstellen, denn wer nur so tue, als würde ihn etwas besonders faszinieren, wirke schnell fake.

Zu deiner eigenen Marke gehören neben deinem Fachwissen auch Charaktereigenschaften. Tobias Jost, der auf TikTok als "Karriereguru" bekannt ist, sagt: "Es ist wichtig, ob andere dich als Person interessant finden." Wer etwa extrovertiert ist, kann vielleicht Meetings gut leiten, und wer eher introvertiert ist, kann mit dem Paper bei den Chef:innen punkten.

"Meine Follower kommentieren auch immer wieder mal unter meinen Videos: ‘Mein Chef hat mich bei der Beförderung übergangen, dabei arbeite ich pro Woche mindestens drei Stunden länger als meine Kolleg:innen’", sagt Jost. "Ob man befördert wird oder nicht, hängt von viel mehr als der eigenen Leistung ab." Beliebtheit sei einer der wichtigsten Faktoren für Erfolg. Denn: Wer will schon mit jemandem zusammenarbeiten, der nur Augen für die Werte in seiner Excel-Tabelle hat und sich ansonsten aus allen Team-Angelegenheiten raushält?

Und noch ein dritter Faktor ist bei der eigenen Marke wichtig, da sind sich Richter und Jost einig: Die eigene brand kann noch so toll sein, man muss sie auch kennen.

2. Share every success on Social Media

Bei der Karriere gibt es eine einfache Gleichung: Wer mit seinen Fähigkeiten nicht sichtbar ist, der wird auch nicht befördert. In Zeiten von LinkedIn, Instagram und X bietet es sich an, seine Accounts für die eigene brand zu nutzen. Nur, was postet man dort? "Mich nerven Leute, die immer nur darüber schreiben, wie toll sie sind", sagt TikToker Tobias Jost. "Bei Social Media geht es ums Dokumentieren, nicht ums Inszenieren." Das heißt: Es ist besser, seine Follower wie bei einem Tagebuch auf seine Reise mitzunehmen und auch mal über Fehler zu schreiben – ohne daraus gleich die Story über den großen Lernerfolg zu machen, der in der Realität ja auch nicht sofort einsetzt. "Bei sozialen Netzwerken zählen Erreichbarkeit, Nähe, Emotionen", sagt Jost. "Die Menschen, und potenzielle neue Chefs, lernen dich so kennen." Aber es gilt auch: Wenn du etwas aus deinem Job als Fachkraft für Logistik teilen möchtest, solltest du auf TikTok nicht ausführlich deinen Job erklären. "Das ist langweilig. Cooler ist es, zu zeigen, wie du deinen Kühlschrank sortierst, und dann zu erwähnen, dass du dieses Talent als Logistiker:in gut gebrauchen kannst."

Das Netzwerk für alle mit Ambitionen ist LinkedIn. Dort tummeln sich Mitarbeitende und Chef:innen von allen großen Firmen und damit auch potenzielle Arbeitgeber. Um dort aufzufallen, ist es wichtig, kontinuierlich mit anderen zu interagieren und nicht nur alle paar Wochen den nächsten Karriereschritt zu teilen. Nur so kann die Marke, die du um dich herum aufgebaut hast, auch wirken. "Vor allem Frauen denken oft, dass die Arbeit, die sie machen, für sich steht. Das ist aber falsch, sie müssen anderen schon davon erzählen", sagt Gründerin Christina Richter. Eine weitere Fehlannahme sei: Nur die eigenen Beiträge zählen. "Oft ist es besser, die Posts anderer, großer Accounts zu kommentieren." Das booste die eigene Reichweite. "Es genügt allerdings nicht, nur bewundernde Worte zu schreiben. Wer wirklich auffallen möchte, sollte auch inhaltlich stark sein." Am besten stößt du also eine Debatte an oder teilst deine Erfahrungen mit anderen oder fragst nach Rat. Das zeigt den anderen direkt, wofür du stehst.

3. Fake it till you make it

Sich auf Social Media zu präsentieren, wo du jeden Beitrag in Ruhe planen kannst, ist das eine. Jemanden persönlich von dir zu überzeugen etwas anderes. Gerade, wenn du eher introvertiert bist. TikToker Tobias Jost rät: "Trainiere dir für schwierige Karrieregespräche eine Rolle an, in die du schlüpfst und die gegebenenfalls selbstbewusster und extrovertierter ist als du selbst."

Um das zu schaffen, gibt es ein paar Tricks: "Bereite dich auf ein Gespräch gut vor, dann kommst du nicht ins Stocken", sagt Jost. Auch bei der Körperhaltung gibt es einiges zu beachten. "Viele Menschen lassen unbewusst die Schultern hängen und wirken so kleiner", sagt Personal-Branding-Expertin Christina Richter. "Achte daher mal bewusst auf deine Schultern, dann ändert sich deine Haltung von allein, und du wirkst selbstbewusster." Versuch auch, am Ende eines Satzes mit der Stimme nach unten zu gehen. Das wirkt souveräner. Wenn du nervös wirst, denk daran: Du sitzt einem Menschen gegenüber, dem du trotz aller Hierarchien ebenbürtig bist.

Für den ultimativen Selbstbewusstseinsboost: Zieh dich deinem Traumjob entsprechend an, ganz im Sinne des Sprichworts "Dress for the job you want, not for the job you have". Du wirst dich direkt besser fühlen. Dafür sollte das Outfit deiner Wahl sich allerdings nicht anfühlen wie eine Verkleidung. Such dir etwas aus, in dem du dich wohlfühlst. "Nichts ist schlimmer, als dir etwas anzuziehen, was du nicht magst, nur weil du glaubst, dass das gut ankommt", sagt Richter. In vielen Branchen muss es ohnehin nicht mehr der Anzug oder der Business-Zweiteiler sein. Immer mehr Chefs tragen heute Jeans.

Am wichtigsten bei alldem: Vergiss nicht, authentisch zu sein. Denn in diese "Karriererolle" zu schlüpfen heißt nicht, sich komplett zu verstellen. Vor allem solltest du keine Fachkompetenz vorheucheln, die du (noch) nicht hast. "Die selbstbewusste Version von dir ist ein Spiegel deiner selbst", sagt Richter. Auch vor Terminen hilft es, sich bewusst zu machen, wofür man steht und stehen möchte. Wer das weiß, ist automatisch authentisch.

4. Drink coffee with everyone

Du weißt jetzt, wie du in Gesprächen selbstbewusst wirkst. Mit wem aber solltest du dich überhaupt treffen, um beruflich voranzukommen – und in welchem Rahmen? "Über eine Einladung zum Kaffee oder zum Mittagessen freut sich jede:r, und essen muss selbst die beschäftigste Person", sagt Gründerin Christina Richter. Keine Sorge, du musst dich nicht sofort mit der CFO verabreden. Genauso wertvoll ist es, sich mit Mitarbeitenden anderer Teams zu treffen.

Wenn du ihnen sagst, dass du Interesse hast, in ihre Abteilung zu wechseln, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim nächsten internen Stellenangebot an dich denken und dir Bescheid geben. "Wir arbeiten viel lieber mit Menschen, die wir kennen", sagt Richter. Klug sei es, vor dem Treffen zu recherchieren, wer die Person ist, mit der man sich trifft. "Man sollte sich fragen: Sehe ich irgendwo einen gemeinsamen Nenner und das Potenzial für ein interessantes Gespräch?", sagt Richter. So entstehen viel natürlichere Unterhaltungen.

Ein erfolgreiches Treffen zeichnet sich dann nicht dadurch aus, dass die andere Person möglichst viel über dich und deine Berufserfahrung erfährt. "Die besten Unterhaltungen sind die, in denen du viele Fragen stellst", sagt Content Creator Tobias Jost. Selbst wenn die Person dich bittet, dich vorzustellen, solltest du so schnell wie möglich wieder Interesse am Gegenüber zeigen, denn dadurch lernst du viel. "Und nach einem Gespräch sind Menschen zufriedener, die selbst den größeren Redeanteil hatten. Das ist einfach die Natur des Menschen", sagt Jost.

Hilfreich ist es auch, sich mit Mitarbeitenden anderer Firmen auszutauschen, die dir verraten, wie sie sich ihre Expertise angeeignet haben. Vielleicht erzählen sie dir auch von Veranstaltungen, die dich interessieren, oder vernetzen dich mit anderen, die zu deinem Fachgebiet passen. Wenn du nur an deinem Schreibtisch sitzt, wird dir das nicht passieren. Wer noch mehr darüber wissen möchte, wie man Fremde zu Verbündeten macht, dem rät TikToker Tobias Jost zu einem Buch, das zwar von 1936 ist, aber noch immer aktuell: Wie man Freunde gewinnt von Dale Carnegie. "Es hilft auch im Job", sagt Jost.

5. Attend every company event

Eigentlich willst du sie direkt löschen: die E-Mail des Human-Resources-Chefs, der nach fünfzehn Jahren aufhört und alle im Unternehmen zu seinem Abschied in die Betriebskantine einlädt. Was sollst du da auch groß machen? Du hast den Mann schließlich nur ein einziges Mal gesehen, beim Onboarding vor vier Jahren. Auch wenn dieser Gedanke nachvollziehbar ist, solltest du unbedingt dorthin. Geschäftsführerin Christina Richter sagt: "Zu solchen Feiern kommt die gesamte Führungsetage und vermutlich auch viele andere Menschen, mit denen du dich vielleicht vernetzen möchtest." Wer solche Events skippe, müsse sich hinterher mühsam Kaffee-Dates organisieren und viel Zeit in einzelne Gespräche investieren.

Wer sich entscheidet, zu der Abschiedsfeier zu gehen, sollte einen Fehler vermeiden: sich dort mit seinen Lieblingskolleg:innen zu verabreden. "Geh auf jeden Fall alleine!", sagt Richter. "Sonst stehst du eh nur den ganzen Abend am Tisch mit deinem Workcrush und lernst niemand Neues kennen."

Wie aber gehe ich auf den Technical Team Lead oder Senior Event Manager zu, mit dem ich immer mal sprechen wollte? "Wenn es Stehtische gibt, an denen schon ein paar Menschen stehen, frag, ob du dich dazustellen kannst", sagt Richter. Dann musst du nur warten, bis du dich an einer passenden Stelle ins Gespräch einklinken kannst. "Wenn sich das nicht ergibt, kannst du auf dem Weg zum Buffet fragen, ob du jemandem ein neues Getränk mitbringen kannst."

Wer sich das nicht traut, kann zu einem Trick greifen, den TikToker Tobias Jost "die Pfauenmethode" nennt: "Trag etwas, das auffällt." Nichts zu Extrovertiertes, mit dem du dich unwohl fühlst, aber eine schöne Kette oder einen leuchtend roten Pullover, der unter all den blauen, grauen, schwarzen Jackets auffällt. Dann nämlich sprechen dich die Menschen an. "Auf die Idee kam ich mit 16 Jahren, als ich mit meinen Freunden Mädchen kennenlernen wollte", sagt Jost. "Ich befolge den Trick bis heute: Als ich anfing, auf Social Media zu posten, trug ich einen Man Bun, um mich von anderen Content Creators abzuheben."

6. Speak at every conference, regardless of the topic

Nur wer sichtbar ist, hat Erfolg im Job. Das haben die vorigen fünf Tipps dir schon gezeigt. Da scheint es nur konsequent, auch in Meetings und bei Workshops möglichst präsent zu sein und den anderen deine Meinung mitzuteilen. "Grundsätzlich ist es klug, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen", sagt Gründerin Christina Richter. "Du solltest dich dabei aber auch fragen, was du erreichen und womit du den anderen Teilnehmenden im Kopf bleiben möchtest." Schließlich willst du nicht die nervige Person sein, die immer zu allem etwas zu sagen hat, nur um sich selbst beim Reden zuzuhören. "Das ist wie ein Algorithmus: Der fördert natürlich Themen, die gerade trenden", sagt Richter. "Aber wenn du dich in einer Woche zur Digitalisierung der Automobilbranche äußerst, in der Woche darauf dann zur neuen X-Branding-Strategie und die Woche darauf wieder zu etwas völlig Neuem, dann kennen dich zwar alle, aber trotzdem weiß niemand, wofür du stehst." Hier gilt eine altbewährte Floskel: Qualität vor Quantität.

Mach dir außerdem bewusst: Nicht nur der Inhalt deiner Wortmeldungen zählt, auch der Zeitpunkt für den Redebeitrag. "Satya Nadella, Informatiker und CEO von Microsoft, hat bei einem Summit mal gesagt: ‘Always speak last’, und daran halte ich mich eisern", sagt TikToker Tobias Jost. Er warte bei Konferenzen immer erst die Wortmeldungen der anderen ab, bilde sich eine Meinung und sage dann etwas. "Der letzte Redebeitrag hat am meisten Kraft und bleibt den anderen am längsten im Gedächtnis", sagt er. Ein netter Nebeneffekt: Menschen, die erst andere sprechen lassen, zeigen Führungsqualitäten. Sie beweisen, dass sie gute Zuhörer:innen sind, Empathie haben, dazulernen wollen und sich wirklich für die Meinungen anderer interessieren.

Wer ein großes (und ja durchaus berechtigtes) Mitteilungsbedürfnis hat, dem rät Gründerin Christina Richter: "Wenn der nächste Workshop geplant ist, frag deine Vorgesetzten, ob du einen Impulsvortrag halten kannst, in dem du über deine Arbeit sprichst." Dabei präsentierst du automatisch deine Stärken.

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