Beruf für Naturwissenschaftler und Ingenieure: Was macht eigentlich ... ein Patentanwalt?
- Kris Folz
Wer beim Wort „Patentanwalt“ an einen Juristen denkt, der in staubtrockenen Gesetzestexten wälzt, liegt gründlich daneben. Aber was machen Patentanwälte dann? Wo arbeiten sie? Was verdienen sie? Und was hat ihr Job mit Grabsteinen, Schokolade und Kaffeefiltern zu tun? Hier findest du's heraus.
Der Artikel im Überblick
Was machen Patentanwält:innen?
Welche Aufgaben haben Patentanwält:innen?
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Wie läuft die Patentanwaltsausbildung in Deutschland ab?
Was ist ein European Patent Attorney?
Was machen Patentanwält:innen?
Technik meets Recht: Patentanwält:innen sind Fachleute, die an der Schnittstelle zwischen Jura und Naturwissenschaften beziehungsweise Technik arbeiten. Salopp gesagt beraten sie die Daniel Düsentriebs dieser Welt dabei, ihre Erfindungen zu schützen.
Welche Aufgaben haben Patentanwält:innen?
Die Aufgaben von Patent-Professionals lassen sich am besten an einem Beispiel veranschaulichen: Erfinderin X hat eine neue Technologie entwickelt. Sie möchte, dass andere diese Technologie nur mit ihrer Erlaubnis oder gegen Gebühr nutzen. Sie wendet sich an Patentanwalt Y, um sich die Technologie patentieren zu lassen.
- Patentrecherche: Er recherchiert daraufhin, ob es ähnliche Erfindungen gibt, die schon patentiert wurden. Denn er muss sicherstellen, dass ihre Erfindung etwas wirklich Neuartiges ist.
- Patentbeantragung: Gemeinsam mit Erfinderin X erstellt Patentanwalt Y eine möglichst detaillierte Beschreibung ihrer Technologie. Dabei muss er sich tief in die Materie einarbeiten und viele Aspekte berücksichtigen: Aus der Patentbeschreibung muss klar hervorgehen, worin das Neue, Schützenswerte besteht. Sie muss außerdem rechtlich und technisch korrekt sein. Nicht zuletzt sollte sie so formuliert sein, dass die Schutzrechte auch in Zukunft möglichst lange gewahrt bleiben.
- Rechtsberatung: Patentanwalt Y berät seine Klientin, wie sie ihr Patentrecht durchsetzt, falls jemand dagegen verstößt. Er hilft ihr bei der Ausarbeitung von Lizenzverträgen und überwacht, ob die Schutzrechte eingehalten werden.
- Arbeitnehmer:innen-Erfindungsrecht – ein besonderer, gar nicht so seltener Fall: Nehmen wir an, Klientin X hat ihre neue Technologie im Rahmen ihres Jobs bei Unternehmen A entwickelt. Wer hat dann die Schutzrechte: das Unternehmen oder Erfinderin? Auch hier hilft Patentanwalt Y. Der Patent-Experte behält die juristischen Regelungen im Blick und setzt entsprechende Verträge auf.
- Rechtsvertretung: Falls es zum Konflikt kommt, vertritt Patentanwalt Y seine Klientin vor Gericht oder in Verhandlungen.
Themenvielfalt im Arbeitsalltag
Nicht nur neue Technologien oder technische Geräte werden patentiert. Auch Marken und Designs können geschützt werden. Die Themen, mit denen sich Patentanwält:innen beschäftigen, sind entsprechend vielfältig: So werden sie etwa auch bei Schutzrechten von Kaffeefiltern, Schokoladenverpackungen, Spielfiguren oder Grabsteinen tätig.
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Der Weg zur deutschen Patentanwältin beziehungsweise zum deutschen Patentanwalt ist relativ lang. Um überhaupt zur Ausbildung zugelassen zu werden, müssen Interessierte zwei Voraussetzungen erfüllen:
- Studienabschluss: Zunächst muss man eine sogenannte technische Befähigung nachweisen – etwa durch einen Universitätsabschluss in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Fach.
- Praxiserfahrung: Außerdem müssen angehende Patentanwält:innen mindestens ein Jahr lang praktisch technisch gearbeitet haben. Als Praxiserfahrung zählt entweder ein Jahr Berufserfahrung, eine Promotion oder eine Kombination aus mehreren – mindestens zweimonatigen – Arbeitseinsätzen, etwa im Rahmen von Praktika.
Wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, werden die Interessent:innen zur Patentanwalts-Ausbildung zugelassen. Diese Ausbildung dauert wiederum knapp drei Jahre.
Neben den rein fachlichen Voraussetzungen sollten Anwärter:innen folgende Fähigkeiten für den Job mitbringen:
- Sprachkenntnisse: Patentanwält:innen arbeiten mit Menschen rund um den Globus zusammen. Daher sind sehr gute englische Sprachkenntnisse erforderlich. Kenntnisse in weiteren Sprachen sind ebenfalls von Vorteil.
- Sozialkompetenz: Die enge Zusammenarbeit mit Klient:innen ist integraler Bestandteil des Berufs. Wer nicht gerade als Solo-Selbstständige:r arbeitet, muss außerdem gut mit seinem Team klarkommen. Wer ausgeprägte Social Skills mitbringt, hat es leicht.
- Zeitmanagement: Eine strukturierte Arbeitsweise und effiziente Planung sind notwendig, um mehrere Projekte gleichzeitig zu verwalten und ihre Fristen einzuhalten.
- Liebe zum Detail: Besonders für die anspruchsvollen Patentbeschreibungen sind eine zuverlässige Arbeitsweise, technisches Verständnis und Sprachgefühl erforderlich.
- Langer Atem: Angesichts der langen Ausbildungszeit ist Durchhaltevermögen eine Grundvoraussetzung, um zum Patent-Professional zu werden.
Wie läuft die Patentanwaltsausbildung in Deutschland ab?
Die Ausbildung gliedert sich in zwei Abschnitte:
- Grundausbildung: Zuerst verbringen Patentanwaltskandidat:innen mindestens 26 Monate in einer Patentanwaltskanzlei oder in der Patentabteilung eines Unternehmens. Hier erhalten sie eine Ausbildung auf den verschiedenen Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes. Sie arbeiten an praktischen Fällen und absolvieren parallel ein Fernstudium, in dem sie sich juristische Kenntnisse aneignen.
- Amtsjahr: Anschließend durchlaufen die angehenden Patentanwält:innen das achtmonatige „Amtsjahr“. Dabei lernen sie die Arbeit beim Deutschen Patent- und Markenamt (zwei Monate) und beim Bundespatentgericht (sechs Monate) kennen.
Den Abschluss der Ausbildung bildet die Patentanwaltsprüfung. Sie besteht aus vier Klausuren und einer mündlichen Gruppenprüfung. Wer alle Teile besteht, darf sich „Patentassessor:in“ nennen. Die Durchfallquote ist sehr gering: Das Bundespatentgericht gibt sie mit unter 5 Prozent aus.
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA)
Das Deutsche Patent- und Markenamt ist die zentrale staatliche Behörde in Deutschland, die für den gewerblichen Rechtsschutz zuständig ist. Das DPMA verwaltet Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs und stellt sicher, dass Erfindungen, Marken und Designs rechtlich geschützt werden. Es ist mit rund 2.800 Mitarbeiter:innen das größte nationale Patent- und Markenamt in Europa. Seine Dienststellen befinden sich in München (gleichzeitig Hauptsitz), Jena und Berlin. Mehr Informationen findest du hier.
Was ist ein European Patent Attorney?
Die meisten Patentassessor:innen setzen nach ihrer deutschen Ausbildung noch einen drauf: Sie streben die Zulassung als European Patent Attorney an (offizielle englische Bezeichnung für „Zugelassene:r Vertreter:in vor dem Europäischen Patentamt“).
Aber warum noch eine Zusatzqualifikation nach der Ausbildung? Weil Schutzrechte keine rein nationale Angelegenheit sind. Zahlreiche Patentverfahren sind beim Europäischen Patentamt angesiedelt – und dort dürfen nur European Patent Attorneys ihre Mandantschaft vertreten.
Welche Voraussetzungen braucht man, um als European Patent Attorney zu arbeiten?
Dafür muss man einen Universitätsabschluss in einem technischen Studienfach und eine dreijährige Berufserfahrung im europäischen Patentwesen vorweisen können. Außerdem muss man die Europäische Eignungsprüfung (EEP) bestehen. Diese besteht aus einer Vorprüfung und vier Hauptprüfungen. Letztere gelten als besonders schwer. Die Durchfallquoten liegen bei rund 60 bis 70 Prozent.
Die Eignungsprüfung wird nur einmal jährlich an verschiedenen europäischen Standorten abgenommen. Wer die Prüfung ablegen möchte, sollte sich frühzeitig auf der Seite des Europäischen Patentamts über die Termine und Anmeldefristen informieren.
Jobperspektiven von Patentanwält:innen
Patentanwält:innen sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt. Die Zahl der freien Stellen übersteigt schon jetzt die der Bewerber:innen. Auch die Zukunftsaussichten sind bestens. Dafür sprechen vor allem drei Entwicklungen:
- Angesichts der rasanten Entwicklung von Technologien ist es wichtig, Ideen und Erfindungen im In- und Ausland zu schützen. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Im Jahr 2023 gingen 175.994 Anmeldungen für Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs beim Deutschen Patent- und Markenamt ein. Das sind pro Tag über 482 Anmeldungen allein in Deutschland – Tendenz steigend.
- Patente sind oft sehr wertvoll für Unternehmen. Daher sind sie ein wichtiges Kriterium bei Fusionen oder Übernahmen. Patentanwält:innen helfen bei der Einschätzung, welchen Patentwert ein fragliches Unternehmen hat.
- Die Zahl der Patentstreitigkeiten in Europa nimmt kontinuierlich zu. Dazu trägt unter anderem die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts (Unified Patent Court, kurz: UPC) im Jahr 2023 bei. Denn das UPC ermöglicht es Patentinhaber:innen, mit einer einzigen Klage Schutz in mehreren Ländern zu erhalten.
In all diesen Fällen sind Patentanwält:innen gefragt – als Unterstützer:innen bei der Schutzrechtsanmeldung, als Prüfer:innen an Patentämtern, als Berater:innen bei Mergers&Acquisitions-Prozessen und als Verteidiger:innen vor Gericht.
Zahlen, bitte! Was verdienen Patentanwält:innen?
Während ihrer Ausbildung verdienen Patentanwaltskandidat:innen in einer Kanzlei zwischen 44.000 und 48.000 Euro brutto pro Jahr. In Patentabteilungen großer Konzerne sind Einstiegsgehälter von bis zu 55.000 Euro brutto pro Jahr drin.
Nach der Ausbildung steigt die Vergütung deutlich an. Angestellte Patentanwält:innen in Kanzleien oder bei staatlichen Institutionen dürfen mit einem Grundgehalt von etwa 63.000 bis 65.000 Euro brutto pro Jahr rechnen. Weil hier oft noch Sonderzahlungen, Zulagen und vermögenswirksame Leistungen hinzukommen, sagt das Grundgehalt aber nur bedingt etwas über die tatsächliche Vergütung aus. Eine Besonderheit: Patentanwält:innen beim Europäischen Patentamt sind von der Steuer befreit, bei ihnen entspricht das Bruttogehalt beinahe dem Nettogehalt.
Patent-Professionals in der Industrie verdienen brutto zwischen 66.000 und 93.000 Euro pro Jahr. Hier gilt wie überall: Je länger die Berufserfahrung, desto höher das Gehalt. Auch Führungsverantwortung schlägt sich auf dem Gehaltszettel nieder: Patentanwält:innen mit Personalverantwortung dürfen mit einem Bruttojahresgehalt von mehr als 100.000 Euro rechnen.
Bei erfolgreichen selbstständigen Patentanwält:innen sind jährlich über 120.000 Euro brutto möglich. Die lange Ausbildung macht sich also – im wahrsten Sinne des Wortes – bezahlt.
Wo arbeiten Patentanwält:innen?
Typische Arbeitgeber für Patent-Professionals sind:
- Patentanwaltskanzleien wie Bardehle Pagenberg, Freshfields oder Meissner Bolte
- Industrieunternehmen wie Bosch, Continental, Zeiss oder Siemens
- Forschungseinrichtungen und Universitäten, etwa die Fraunhofer-Gesellschaft oder die Bayerische Patentallianz (BayPAT)
- Regierungsstellen, zum Beispiel das DPMA oder das Bundespatentgericht
Auch der Schritt in die Selbstständigkeit, insbesondere mit einer eigenen Patentanwaltskanzlei, ist möglich.
Frauen im Patentwesen
In Deutschland sind rund 4.250 Patentanwältinnen und Patentanwälte zugelassen (Stand: Februar 2024). Nur rund 16 Prozent von ihnen sind Frauen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren: Zum einen ist der Frauenanteil in naturwissenschaftlichen und technischen Studienfächern oft ebenfalls gering. Zum anderen schrecken möglicherweise die langen Ausbildungszeiten ab. Dabei profitiert die Branche ebenso von Diversität wie andere.
Eine der wenigen Frauen im Patentwesen ist Dr. Melanie Pfeuffer. Sie arbeitet seit über zehn Jahren als Patentanwältin und tritt aktiv für mehr Frauen in dieser Branche ein. Ihren Geschlechtsgenossinnen kann sie Mut machen, den langen Ausbildungsweg zu wagen, denn: Es lohnt sich.
Klingt spannend?
- Datum
- Do, 12. Jun