Praktikumssuche: Konzern oder kleines Unternehmen?: Mythen auf dem Prüfstand

Autor*innen
Luis Fischer
Eine Frau klettert eine Leiter nach oben.

Stell dir vor, du bist auf der Suche nach einem Praktikum und zwei Stellen gefallen dir besonders gut. Die erste ist in einem Großkonzern, die andere in einem kleineren Betrieb. Du hast Glück, denn beide wollen dich. Bleibt nur eine Frage: Wo unterschreibst du am Ende den Vertrag?

Wer ein Praktikum bei einer bekannten großen Firma macht, der hat danach eine aussagekräftige Referenz im Lebenslauf – egal ob er tatsächlich an Projekten mitgewirkt hat oder klassische "Praktikantenaufgaben" erledigt hat. Sicherlich würden viele diese Annahme teilen; und Unrecht haben sie damit auch nicht unbedingt. Natürlich gebe es Unternehmen, die besonderen Wert auf Reputation legen, weiß Florian Prittwitz-Schlögl von "Weltgestalter Coaching". Möchtest du bei einer solchen großen Firma arbeiten, dann rät er dir eher zu einem Praktikum in einem großen Unternehmen. Als einzigen Vorteil sieht er die Bekanntheit aber nicht. So gebe es dort mit hoher Wahrscheinlichkeit spannende und gut strukturierte Praktikumsprogramme, bei denen du speziell auf die Arbeit in deinem Fachgebiet vorbereitet wirst. Außerdem ist es für Konzerne einfacher, den Praktikanten ihre Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten: "Bei Vergünstigungen, Annehmlichkeiten, Trainings und so weiter ist in vielen Fällen das große Unternehmen der gemütlichere Ort.", so der Karriere-Coach.

Mehr als nur Deko

Ein erfolgreicher Konzern im Lebenslauf sagt auch etwas über dich, deinen Charakter und deine Arbeitsweise aus. Laut Prittwitz-Schlögl zeigen bekannte Namen, dass man den Anspruch hat, groß zu denken und sich mit hoher Konkurrenz auseinandersetzen kann. Wenn du dich beispielsweise später bei einem DAX-Unternehmen bewerben möchtest, ist es sicherlich kein Nachteil für dich, wenn Personaler diese Charaktereigenschaften bei dir sehen. Dir sollte allerdings bewusst sein, dass nicht alle Recruiter Lebensläufe nach Äußerlichkeiten bewerten. Bevor er sich als Coach selbstständig gemacht hat, war Prittwitz-Schlögl in einer großen Beratung auch für die Kandidatenauswahl verantwortlich. Seine Kollegen und er hielten dabei nicht nach prestigeträchtigen Namen Ausschau, sondern sie analysierten, ob denn das Praktikum aus Perspektive des Bewerbers ein "spannender, mutiger Schritt nach vorne" war. Große Namen spielen also keine wesentliche Rolle. Entscheidend ist es allerdings, sich gut zu verkaufen und hinter dem eigenen Karriereweg zu stehen.

Vielleicht möchtest du deiner Firma auch nach dem Praktikum treu bleiben. Gut, wenn du dann schon einen Fuß in der Tür hast. Tatsächlich nutzen laut Kristina Bierer von CLEVIS Consult vor allem große Unternehmen Möglichkeiten, ehemalige Praktikanten an sich zu binden, beispielsweise in Alumni-Netzwerken. "Das heißt aber nicht, dass dort die Einstellungschancen größer sind", warnt sie. "In der Regel hat man es als Praktikant mit in der Hand, ob man die Zeit und die Gelegenheit des Praktikums nutzt, um sich mit seinen Leistungen für das Unternehmen attraktiv zu machen."

Klein aber oho

Laut Bierer ist das durchschnittliche Praktikantengehalt in größeren Konzernen mit 1.318,75 Euro höher als in kleinen Unternehmen (1.087,36 Euro). Doch nur, weil Konzernen mehr Geld zur Verfügung steht, sind die kleineren Unternehmen noch lange nicht unattraktiver für Praktikanten. Gerade wenn vorgeplante Programme fehlen, ist voller Einsatz gefragt, denn dann bist du deines Praktikums Schmied. Du entdeckst bei der Arbeit neue Interessen? Ein kleines Unternehmen gibt dir viel mehr Möglichkeiten, dich verschiedenen Herausforderungen zu stellen, unabhängig davon, für welche Abteilung du dich ursprünglich beworben hast. "Wenn ich bereit bin, Verantwortung zu übernehmen und Lust habe, mich auszuprobieren im selbstständigen Gestalten meines beruflichen Umfelds, dann ist wahrscheinlich ein kleines Unternehmen besser, weil die Spielräume einfach größer sind", erklärt Prittwitz-Schlögl. Das liege nicht zuletzt daran, dass die Hierarchien in kleinen Unternehmen tendenziell flacher sind. Trau dich also ruhig, deinen Betreuer anzusprechen, wenn du neue Aufgaben übernehmen möchtest. Oft ergeben sich auch spontan Gelegenheiten, bei denen du ungeahnte Fähigkeiten entdeckst.

Die entscheidenden Fragen stellen

Egal, wie groß oder klein ein Unternehmen ist: Vor- und Nachteile wirst du immer finden. "Wichtiger als die Unternehmensgröße ist, dass die Tätigkeiten, die Branche oder das Berufsfeld meinen Erwartungen entsprechen und ich mich wirklich orientieren kann", findet Kristina Bierer. Persönlich würde sie ein Unternehmen bevorzugen, welches Praktikanten beispielsweise mit Mentoring-Programmen bei der persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung unterstützt. Auch für Florian Prittwitz-Schlögl spielt die Größe des Praktikumsbetriebes eine eher untergeordnete Rolle. Er empfiehlt, sich erstmal Gedanken über das eigene Ziel zu machen. Davon hängt dann ab, wie groß die Firma tatsächlich sein sollte.

Auch während des Praktikums empfiehlt es sich, deine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Du kannst zum Beispiel mit deinem Ansprechpartner regelmäßige Treffen vereinbaren, bei denen ihr über den Verlauf des Praktikums sprecht. Erreiche ich meine Ziele? Wer kann mir bei welchen Themen weiterhelfen? "Sowohl man selbst als auch das Unternehmen profitieren von ehrlicher und offener Kommunikation von Beginn an.", sagt Bierer.

Fazit

Solltest du ein Praktikum lieber in einem großen oder in einem kleinen Unternehmen machen? Die Antwort auf diese Frage hängt ganz von deinen Anforderungen ab. Bei deiner Entscheidung geht es jedoch um viel mehr als die Firmengröße. "Am Ende würde ich mich auf meine Intuition verlassen, denn diese Entscheidung kann einem niemand abnehmen.", sagt Kristina Bierer. Für Florian Prittwitz-Schlögl ist die Auswahl mit einem Investment vergleichbar: "Bei einem großen Unternehmen weiß ich, was ich bekomme, während ein kleines Unternehmen mehr Chancen und mehr Risiken hat."

Die Experten

Kristina Bierer ist Projektleiterin und Partnerin bei der CLEVIS GmbH, einer Unternehmensberatung, die HR-Prozesse digitalisiert. Die Volkswirtin ist Studienleiterin des "Future Talents Reports", der von CLEVIS herausgegeben wird und die Qualität von Praktika und Werkstudentenstellen untersucht. Zu ihrem heutigen Arbeitgeber hat sie als Praktikantin und Werkstudentin gefunden.

Florian Prittwitz-Schlögl arbeitet freiberuflich als zertifizierter Coach. Mit seiner Firma "Weltgestalter Coaching" hat es sich der studierte Geisteswissenschaftler und Ökonom unter anderem zur Aufgabe gemacht, Hochleistende dabei zu unterstützen, ihre beruflichen Lebensträume zu verwirklichen. Davor arbeitete er unter anderem sechs Jahre als Strategieberater bei McKinsey&Company.

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