Mobbing: Wie sich Stress mit dem Chef vermeiden lässt

Autor*innen
Sebastian Blum
Mann an Schreibtisch, über ihm schwebt ein Mund, der "Arbeit" ruft

Büro-Mama oder doch Tyrann im Chefsessel? Die Beziehung zum Chef ist stark durch unsere Eltern geprägt, so Business-Coach Karin Rasmussen. Ein Interview über mobbende Chefs, feindselige Angestellte und darüber, wie sich zerüttete Arbeitsverhältnisse wieder kitten lassen.    

Frau Rasmussen, angeblich hat jeder Zweite Angst, mit seinem Chef ein Problem zu besprechen. Woran liegt das?

Hinter dieser Angst stecken Rollenmodelle, die wir von der Generation unserer Eltern übernommen haben. Diese Generation hat noch vermeintliche Wahrheiten verinnerlicht wie "Der Chef hat immer recht" oder "Mit dem Chef darf man sich nicht anlegen". Unsere Eltern haben gelernt, dass es Ärger bedeutet, wenn man mit dem Vorgesetzten Probleme bespricht: Entweder man gilt schnell bei den Kollegen als "Verräter" oder der Chef macht einen als Schuldigen aus, der bestraft werden muss.

Die Realität sieht aber seit 30 Jahren ganz anders aus: Deutsche Führungskräfte können inzwischen mit Konflikten umgehen. Sie haben in Seminaren gelernt, dass sie darauf angewiesen sind, dass ihre Mitarbeiter mit ihnen sprechen und sie über Probleme informieren.

Dr. Karin Rasmussen ist Soziologin, Philosophin und Pädagogin. Seit 1993 arbeitet sie freiberuflich als Coach und Beraterin. Dr. Karin Rasmussen ist für Führungskräfte und Führungsnachwuchs im Lebensziel- und Karrieretraining, in der Beratung und dem Coaching in Unternehmen der Wirtschaft und in Bildungseinrichtungen tätig

Mein Chef weiß also im Zweifelsfall, dass es wichtig ist, über Probleme zu reden. Nur: Wie spreche ich ihn richtig an?

Zunächst einmal rechtzeitig, am besten beim ersten Anzeichen, dass etwas schiefgehen könnte. Ihr Chef möchte und muss informiert sein. Warten Sie nicht, bis das Problem so groß geworden ist, dass Sie es nicht ohne seine Hilfe lösen können.

Gibt es den perfekten ersten Satz fürs Krisengespräch?

Statt nach dem perfekten Satz zu suchen, sollten Sie lieber authentisch bleiben. Gut ist auch, wenn Sie vor dem Gespräch mit Kollegen Vorschläge erarbeiten, wie sich das Problem lösen lassen könnte.

Und wenn es der Chef ist, mit dem ich ein Problem habe? Stichwort: "Mobbing von oben".

Nicht jede Kritik vom Chef ist automatisch Mobbing. Jemanden zu mobben bedeutet, gezielt und wiederholt Nachteile für eine bestimmte Person zu "organisieren": Wenn der Chef Ihnen zum Beispiel wichtige Informationen vorenthält und darauf wartet, dass Sie scheitern. Beklagen Sie sich dann darüber, heißt es nur: "Du hättest ja fragen können."

Häufig passiert es auch, dass der Vorgesetzte plötzlich nicht erreichbar ist, wenn zum Beispiel seine Unterschrift für ein wichtiges Dokument benötigt wird. Eine weitere Methode ist es, ständig kleine Fehler übertrieben scharf zu kritisieren: Zum Beispiel der Chef, der die E-Mails eines Mitarbeiters auf Kommafehler korrigiert und dann an dessen Kollegen weiterleitet.

Wie wehre ich mich gegen einen mobbenden Chef?

Sie sollten immer rechtzeitig das Gespräch mit ihm suchen, wenn Sie das Gefühl haben, dass mit Ihrer Beziehung etwas nicht stimmt. Was Sie auf keinen Fall tun sollten, wenn das Gespräch scheitert: unter den Kollegen Stimmung machen und nach Verbündeten suchen. Wenn ein Vorgesetzter das Gefühl hat, es werden gegen ihn Gefolgschaften gebildet, verschlimmert sich die Situation.

Holen Sie sich lieber Hilfe vom Betriebsrat oder einem Experten außerhalb des Unternehmens, um ganz sachlich die Ursachen für das gestörte Verhältnis zu ermitteln.

Woran liegt es, wenn mein Chef und ich uns nicht verstehen?

Oft haben Angestellte das Gefühl, die Aufgaben im Unternehmen seien ungerecht verteilt. Sie spüren zudem, wenn der Chef nicht mit ihnen sprechen will, und fühlen sich gemobbt.

Es gibt aber auch "Mobbing von unten": Wenn Führungskräfte ihr Team um Lösungsvorschläge bitten und feindseliges oder trotziges Schweigen ernten. Oder wenn Mitarbeiter gezielt das Gegenteil von dem machen, was der Chef vorgibt.

Wenn Sie nach den Ursachen für das gestörte Verhältnis zum Chef suchen, sollten Sie das nie tun, um einen Schuldigen zu ermitteln. Die Schuldfrage zu stellen, hilft nicht und raubt nur Energie. Beziehungen basieren auf Gegenseitigkeit. Angestellte erwarten oft, dass der Chef wie Mama oder Papa ist – immer nett und verantwortlich für das Wohlbefinden. Diese Ansprüche an den Chef sollten Angestellte aber eher an sich selbst stellen. Chefs sind dafür verantwortlich, dass Mitarbeiter gute Leistungen bringen können. Der Wohlfühl-Anspruch kann dabei nicht im Vordergrund stehen.

Welchen Rat können Sie Führungskräften und Angestellten geben, damit die Beziehung zwischen oben und unten klappt?

Genau dieses "oben und unten"-Denken ist meist die Ursache für Konflikte. Betrachtet euch als Partner und vergesst die Hierarchie. Es gibt keine "höheren" und "tieferen" Menschen – diese Überzeugung tragen leider viele noch mit sich herum. Und wenn eure Beziehung nicht funktioniert, sucht nicht den Schuldigen, sondern die Lösung.

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