Management: Mächtige Berater
- Tanja Kewes
In den Führungsgremien der größten deutschen Börsenkonzerne besetzen die Alumni von McKinsey, Boston Consulting und Roland Berger die meisten Posten. Was macht die Berater so einflussreich?
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Was haben Oliver Bäte, Theodor Weimer und Dominik von Achten gemeinsam? Die drei Topmanager eint nicht nur, dass sie Dax-Konzerne führen. Bäte ist Vorstandschef der Allianz, Weimer der Deutschen Börse und von Achten von Heidelberg Materials.
Alle drei haben ihr Handwerk zudem bei einer der weltweit führenden Strategieberatungen gelernt, dort ihr erstes Geld verdient und ihre Netzwerke begründet: Oliver Bäte bei McKinsey, Theodor Weimer bei McKinsey und Bain und Dominik von Achten bei Boston Consulting.
Die drei befinden sich damit in guter Gesellschaft. Das Handelsblatt Research Institute hat alle Dax-Vorstände mit Ausnahme der beiden nach niederländischem Recht organisierten Konzerne Airbus und Qiagen zum Stichtag 31. Dezember 2023 analysiert. Insgesamt 48 der 231 amtierenden Dax-38-Vorstände sind demnach Alumni der drei international führenden Strategieberatungen McKinsey, Boston Consulting und Bain, der führenden deutschen Strategieberatung Roland Berger, des IT-Beratungsriesen Accenture oder entstammen den Beratungstruppen der vier weltweit größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, EY, KPMG und PwC. Damit hat jeder fünfte Dax-Vorstand mindestens einmal in seiner Karriere als Berater gearbeitet.
Die Präsenz von Ex-Beratern in den Vorstandsetagen wundert Personalberater wie Jörg Kasten nicht. Der geschäftsführende Partner von Boyden International vermittelt sie seit vielen Jahren in Führungspositionen. Er sagt: "Kandidaten, die in ihrem Lebenslauf mehr als zwei Jahre bei einer der führenden Beratungen waren und dort mindestens einmal befördert wurden, haben ein Gütesiegel." Das seien Hochleistungsleute und damit genau solche, die man in Vorständen brauche.
Und eine in Dax-Gremien seit Jahren aktive Aufsichtsrätin berichtet: "Berater genießen sofort und große Aufmerksamkeit, mehr denn je." Denn bei ihnen sei klar: "Sie scheuen die Arbeit nicht. Sie kennen sich mit Transformationsprozessen aus. Das Schnelllebige macht ihnen keine Angst. Sie sind krisenerprobt."
Für die Beratungen selbst ist die Präsenz in Vorstandsetagen wichtig. Sie stärkt das Netzwerk und sorgt häufig für neue Aufträge. Zwar werden Beraterverträge heute nicht mehr freihändig von Vorständen oder Aufsichtsräten vergeben, sondern über Ausschreibungen und von Einkaufsabteilungen. Doch auch heute zahlt sich aus, früh von einem Beratungsbedarf zu wissen. Entsprechend aufwendig und umsichtig pflegen die Gesellschaften ihre Ehemaligen-Netzwerke.
Für Walter Sinn, den Deutschlandchef von Bain, ist die Zahl von Dax-Vorständen unter den Alumni jedenfalls "ein relevanter Faktor". Das Beratungsgeschäft basiere nicht nur auf strategischem und konzeptionellem Denken, es sei auch eine Vertrauensbeziehung.
Nicht ohne diesen Grund beobachten die Beratungsgesellschaften untereinander genau, welche und wie viele Alumni wo in Führung gehen. In Deutschland gibt es einen klaren Gewinner: McKinsey. Die Partnerschaft ist der Vorstandslieferant schlechthin. 22 der Ende 2023 aktiven Dax-Vorstände starteten oder entwickelten ihre Karriere bei der weltweiten Nummer eins der Strategieberatungen.
McKinsey dominiert
Damit ist jeder zehnte Dax-Vorstand ein Alumni dieser einflussreichen und traditionsreichen Partnerschaft, die 2026 ihr 100-jähriges Jubiläum feiern will und seit 1962 in Deutschland mit einem Büro vertreten ist. Die weltweite Nummer zwei Boston Consulting, die hierzulande 1975 startete, kommt auf fünf Alumni im Dax, die weltweite Nummer drei Bain, die seit 1982 hierzulande aktiv ist, auf drei Ehemalige.
Zu den "Ex-Meckies" zählen neben Oliver Bäte und Theodor Weimer weitere sehr einflussreiche Köpfe des Dax. Dazu gehören Leonard Birnbaum (Eon), Markus Krebber (RWE), Tobias Meyer (DHL), Lutz Meschke (Porsche), Arno Antlitz (Volkswagen), David Schröder (Zalando) sowie Markus Rieß (Munich Re).
Die Präsenz der McKinsey-Alumni geht so weit, dass sie bei einigen Konzernen das Gremium sogar dominieren. Beim Versicherer Allianz haben vier von neun Vorständen bei der Strategieberatung gearbeitet, bei der Telekom vier von acht, bei der Deutschen Börse drei von sechs und beim Modehändler Zalando sogar vier von fünf.
McKinsey-Deutschlandchef Fabian Billing ist "stolz auf den Beitrag, den viele unserer Alumni in Wirtschaft und Gesellschaft leisten", sagt er dem Handelsblatt. Das Alumninetzwerk umfasse heute mehr als 50.000 ehemalige Beschäftigte in 140 Ländern. Fast 1000 davon seien CEOs oder Vorstandsmitglieder in führenden privaten, öffentlichen oder sozialen Organisationen.
Für die Dominanz von McKinsey in deutschen Vorstandsetagen gibt es Personalberatern wie Claus P. Fischer, Partner bei Russell Reynolds Associates, zufolge vor allem einen Grund: "McKinsey hat sich in Deutschland sehr früh und sehr massiv etabliert. Die Beratung war im doppelten Sinne die erste Adresse für Topabsolventen." Dieses erfolgreiche Engagement der vergangenen Jahrzehnte zahle sich nun aus.
Fischer zählt selbst zu diesem Alumni-Kreis. Der Headhunter arbeitete einst selbst zwei Jahre bei McKinsey, bevor er in die Personalberatung wechselte. Diese Zeit habe ihn nicht nur inhaltlich geprägt. Das Image, die Leistungskultur und das Netzwerk seien auch "ein Katalysator für Karriere" gewesen. Der 52-Jährige ist sich aber auch sicher: "Die anderen Beratungen holen auf."
Die Präsenz von Ex-Beratern im Allgemeinen und von "Ex-Meckies" im Besonderen findet nicht nur Zuspruch. Thorsten Deelmann, Managementexperte, Professor und Autor des Buches "Die Berater-Republik", sagt: "Früher haben Ingenieure viele Führungspositionen besetzt, später waren es Juristen und Finanzer – heute gibt es viele Consultants. Das führt zu einer Homogenität, die gut für die Verständigung untereinander ist, aber schlecht für die Vielfalt im Denken und im Team."
Auch Jörg Kasten sagt: "Ein gelernter Berater tut jedem Vorstand gut. Das sind schon überwiegend sehr schlaue Köpfe und Hochleistungsleute. Zu viele oder nur Berater sollten es aber nicht sein. Monokulturen sind nie gut."
Die Ex-Berater selbst, die es in Vorstände geschafft haben, sind keine homogene Gruppe. Unter ihnen sind verhältnismäßig viele Frauen. 16 von 48 Ex-Beratern sind Frauen. Die Quote liegt bei einem Drittel – deutlich über der gesamten Frauenquote der Dax-Vorstände von 24 Prozent.
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