Die Karrierefrage: Wie oft sollte ich den Job wechseln?
- Josefine Janert

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Mehr Gehalt, eine neue Aufgabe: Es kann gute Gründe geben, sich nach einer anderen Stelle umzusehen. Doch zu viele Wechsel innerhalb kurzer Zeit schrecken potentielle Arbeitgeber ab.
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Es gibt Karrieremythen, die halten sich. "Es ist sinnvoll, alle zwei Jahre die Stelle zu wechseln", lautet so ein Spruch. "Jeder dritte Job muss passen", also den fachlichen Erwartungen des Erwerbstätigen entsprechen und mehr Lohn einbringen - so lautet ein weiterer. Auch häufig zu hören ist: "Eine Kaminkarriere zu machen - also 20, 30 Jahre beim selben Unternehmen zu bleiben und dort in der Hierarchie aufzusteigen -, das war höchstens noch für die Generation der Babyboomer attraktiv."
Der Wirtschaftswissenschaftler Philipp Apke aus Leipzig schüttelt den Kopf über derlei Aussagen. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Tageinz und berät mit seinem Team deutschlandweit Erwerbstätige. "Viele Karrieremythen stimmen überhaupt nicht", konstatiert Apke. Er erzählt von jungen Ratsuchenden, die durchaus eine Kaminkarriere anstreben. Abgesehen von solchen Wünschen würde sich die Sicht auf die Arbeit in unserer Gesellschaft immer mal wieder verändern. Vor ein paar Jahren noch hätten viele Menschen in seiner Beratung geäußert, dass sie vor allem eine sinnhafte Arbeit wollen. Nun, da die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, stünden Jobs im Mittelpunkt, "die Sicherheit und Struktur versprechen".
Bei der Frage, ob und wie häufig jemand die Stelle wechselt, spiele außerdem die persönliche Situation eine Rolle. Und das Alter. So trennen sich nach seiner Erfahrung 20 bis 30 Jahre alte Menschen, die gerade ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben, schneller mal von einem Unternehmen als ältere. In dieser Phase sei es üblich, sich umzuschauen und sich auszuprobieren, sagt Berufsberater Apke.
Beim nächsten Unternehmen kann man mehr verdienen
Hochschulabsolventen, die jünger als 28 Jahre sind und keine Personalverantwortung haben, verdienen in den ersten drei Berufsjahren ein Mediangehalt von 45.000 Euro im Jahr. Das berichtet die Onlinestellenbörse Stepstone in ihrem "Gehaltsreport 2024". Für Berufserfahrene ist eine höhere Vergütung drin. Auch deshalb, sagt Philipp Apke, würden jüngere Menschen häufiger den Job wechseln - weil sie beim nächsten Unternehmen mehr verdienen können.
Auch in späteren Lebensphasen können Umbrüche folgen. Eine Selbständigkeit scheitert. Der Arbeitgeber ist insolvent. Aus persönlichen Gründen sind mehrere Umzüge nacheinander erforderlich. Oder man hat sich weitergebildet und benötigt mehrere Schritte, um ein passendes Unternehmen zu finden. In einer solchen Situation den Job zu wechseln, auch mehrfach, findet Valentin Nowotny von der Unternehmensberatung P3 völlig in Ordnung. "Wenn jemand innerhalb kurzer Zeit dreimal eine andere Stelle antritt, wirkt das allerdings wie ein Muster", sagt der Berliner Psychologe.
Gefährlich seien "Dauermuster im Lebenslauf", also kurze Arbeitsphasen bei verschiedenen Unternehmen, die sich zusammengenommen über Jahre erstrecken. "Wenn es grundsätzlich passt", solle man sich ruhig mal auf zwei oder mehr Jahre in einem Betrieb einrichten, schlägt Nowotny vor. "Viele Menschen schaffen das aber nicht." Sie würden die geforderte Leistung nicht erbringen, zu viel auf einmal erreichen wollen oder auf andere Weise mit ihren Kollegen kollidieren. Doch Unternehmen wünschten sich Mitarbeitende, "die längerfristig in einer Organisation erfolgreich sind". Die menschlich und fachlich andocken, sich einbringen. Schließlich sei es für das Unternehmen aufwendig und kostspielig, einen neuen Kollegen einzuarbeiten, sagt Nowotny.
Was möchte man erreichen?
Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat untersucht, wie lange Menschen ihre Stellen behalten. Dafür hat der Arbeitsmarktökonom Daten des Sozio-oekonomischen Panels genutzt, einer repräsentativen Langzeitbefragung, die seit 1983 in Deutschland stattfindet. Schäfers Befund: Seit 2013 ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit in der öffentlichen Verwaltung und im Bildungswesen zurückgegangen. Im Kredit- und Versicherungsgewerbe sowie im Tief- und Ausbaugewerbe ist sie gestiegen. "Die übrigen Branchen zeigen keinen eindeutigen Trend", schreibt Schäfer.
Laut dem Gehaltsreport von Stepstone wird im Bankenwesen das höchste Mediangehalt überhaupt verdient: 63.250 Euro im Jahr. Die vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln ermittelte Übersicht zeigt, dass das Kredit- und Versicherungsgewerbe auch die im Durchschnitt längste Betriebszugehörigkeit aufweist: knapp 17 Jahre. Am unteren Ende der Skala findet sich das Gastgewerbe mit knapp sechs Jahren. Die Zahlen stammen von 2021. Viele Hotel- und Restaurantbesitzer haben unter der Pandemie bekanntlich stark gelitten und suchen jetzt händeringend nach Arbeitskräften. Laut IW-Forscher Schäfer gilt Folgendes aber für die gesamte Volkswirtschaft: Nicht einmal in der Corona-Zeit, als Menschen in Kurzarbeit gingen und Einkommenseinbußen hinnehmen mussten, ist die Bindung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten lockerer geworden. Corona hat die Dauer der Betriebszugehörigkeit kaum beeinflusst. "In konjunkturell schwierigem Umfeld", schreibt Schäfer, würden Beschäftigte "ein Risiko in Form eines Arbeitsplatzwechsels" eher nicht eingehen wollen.
Berufsberater Apke beobachtet, dass potentielle Jobwechsler häufig drei Gründe vorbringen: Sie wollen sich von einem Betrieb verabschieden, weil sie sich mit den Werten und der Unternehmenskultur nicht oder nicht mehr identifizieren können. In diese Kategorie zählt er auch, wenn jemand sagt: "Ich komme mit meinem Chef nicht klar." Oder: Sie können sich an ihrem Arbeitsplatz nicht weiterentwickeln. Sie lernen dort nichts Neues mehr. Drittens: Ihre bisherige Tätigkeit bedeutet ihnen nichts mehr. Apke empfiehlt Jobwechslern "eine Art Grundlagenarbeit". Ehe sie sich etwas Neues suchen, können sie sich überlegen, wo ihre Talente und Stärken liegen, was sie erreichen möchten. Danach werden sie im Vorstellungsgespräch sicher gefragt.
Bewerbung sofort aussortiert?
Doch bis dahin müssen sie erst einmal kommen. Wer in der Vergangenheit allzu häufig das Unternehmen gewechselt hat, dem kann es passieren, dass seine Bewerbung auf eine Stellenausschreibung sofort aussortiert wird. Das muss nicht einmal der Personaler selbst tun, sondern die Software, die das Unternehmen nutzt, um unter den Kandidatinnen und Kandidaten eine Vorauswahl zu treffen. Sie kann so programmiert sein. Unternehmensberater Nowotny empfiehlt in solchen Fällen, eine andere Strategie zu wählen. Der Jobwechsler könne eine Initiativbewerbung schreiben und darauf hoffen, dass die Software nicht zum Einsatz kommt. Oder er könne Menschen aus dem Wunschunternehmen direkt ansprechen, etwa auf einer Karrieremesse.
Überhaupt findet er, dass man nicht gleich das Unternehmen verlassen müsse, wenn man mit seinem jetzigen Arbeitsplatz unzufrieden ist. Jeder Wechsel bringe ja auch Risiken mit sich. Nur darauf zu achten, dass man im Laufe seines Berufswegs die Hierarchieleiter hinaufsteigt, das sei veraltetes Denken, meint Nowotny. Es könne auch spannend sein, eine Fachkarriere zu machen und sich als Experte für ein Thema zu profilieren. Dafür könne man zum Beispiel innerhalb des Unternehmens andere Aufgaben annehmen oder die Form des Arbeitens variieren und etwa in einem agilen Team mitwirken, also einem Team, das eigenverantwortlich arbeitet und sich dabei selbst organisiert. Um einen Wechsel innerhalb des Unternehmens anzubahnen, rät Nowotny, "sich gut zu vernetzen und auch mal Aufgaben rechts und links des eigenen Verantwortungsbereiches zu übernehmen".
Auch Berufsberater Apke hält Wechsel im eigenen Unternehmen für eine gute Idee. Er empfiehlt, solche Pläne immer mal wieder mit der Führungsperson zu besprechen. "Man kann Projekte übernehmen, die für das Unternehmen wichtig sind, um die eigene Sichtbarkeit zu steigern", sagt er.
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