Wachmacher: Müdigkeit vertreiben: Kaffee kriegt Konkurrenz

Autor*innen
Carola Schmid
Ein Mann sitzt auf einer riesigen Kaffebohne und genießt einen Espresso.

Einfach nur wach sein war gestern. Heute wirst du schonender wach, schneller wach, länger wach, wacher als wach – zumindest, wenn man den Versprechungen der Kaffeealternativen-Hersteller glaubt. Was Guarana-Kakao, Mate, Matcha und Co. tatsächlich können, haben wir für dich recherchiert und am eigenen Leib ausprobiert.

"Wie hältst du’s mit dem Koffein?" ist zur Glaubensfrage geworden – Alternativen erhöhen bei Kaffeetrinkern den Rechtfertigungszwang. Dabei wirken die allermeisten der Wachmacher – soviel sei vorweg verraten – auf unser Gehirn exakt identisch.

Same same, but different? So wirken Wachmacher

Wer arbeitet, muss auch ruhen: Dieser Meinung ist zumindest unser Hirn. Im Laufe des Tages entsteht nämlich als Abfallprodukt der Hirntätigkeit der körpereigene Müdemacher Adenosin – der Stoff, aus dem die Träume sind. Adenosin drosselt die Rezeptoren im Gehirn, die indirekt beispielsweise für Herzschlag und Blutdruck verantwortlich sind. Zieht das Adenosin an diesen Rezeptoren die Bremse, fährt dein Körper langsam runter: So entsteht ein Gefühl von Müdigkeit.

Je härter du arbeitest, desto mehr Adenosin wird freigesetzt und desto müder wirst du – es sei denn, du wirkst diesem Schutzmechanismus mit Kaffee, Tee, Mate, Guarana und Co. entgegen. Denn Koffein, das die Blut-Hirn-Schranke problemlos überwindet, sieht Adenosin sehr ähnlich, dockt an denselben Rezeptoren an und blockiert sie. Das Adenosin kommt nicht zum Zug, wir bleiben munter – und zwar völlig unabhängig davon, ob wir gerade Kaffee oder Grüntee, Guarana-Kakao oder Matcha-Latte getrunken haben. In all diesen alternativen Wachmachern steckt nämlich nicht mehr und nicht weniger als das gute alte Koffein, auch wenn wir die Wirkstoffe wider besseren Wissens immer noch nominell unterscheiden in Matein, Thein, Guaranin und so weiter. Was ist also dran an vollmundigen Werbeversprechen von längerem, heftigerem, sanfterem oder verträglicherem Wachwerden? Wir haben recherchiert und getestet.

Wachmacher – von uns für dich getestet

Schwarzer Tee

Die Fraktion Schwarztee verspricht sich von ihrem Wachmacher eine im Vergleich zu Kaffee sanftere und länger anhaltende Wirkung. Wie kann das sein? Nun, zum einen enthält eine Tasse schwarzer Tee nur halb soviel Koffein wie eine Tasse Kaffee, nämlich 50 mg. Außerdem bindet sich das Koffein insbesondere bei längerer Ziehzeit an die im Tee enthaltenen Gerbstoffe und wird dadurch vom Körper erst langsam im Darm statt wie bei Kaffee schnell im Magen absorbiert. Schwarztee ist also tatsächlich weniger aufputschend als Kaffee und vertreibt die Müdigkeit länger und gleichmäßiger.

Das Lieblingsgetränk der Briten schont außerdem den Magen, weil es im Gegensatz zu Kaffee arm an Chlorogensäure ist. Diese entsteht bei kurzer, sehr heißer Röstung der Bohnen und stimuliert die Sekretion von Salzsäure im Magen. Wer aber auf Kaffee nicht verzichten mag, könnte ebenso gut auf eine schonend geröstete Sorte umsteigen, die deutlich weniger Chlorogensäure enthält.

Grüner Tee und Matcha

Obwohl Camellia sinensis, die Teepflanze, sowohl am Anfang von Grün- als auch von Schwarztee steht, genießen Grünteesorten heutzutage einen besseren Ruf als ihre schwarzen Brüder und natürlich auch als Kaffee. Im Gegensatz zum Schwarztee wird Grüntee nämlich nicht fermentiert, weshalb Vitamine, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Gerbstoffe erhalten bleiben. Um von dieser Wirkung maximal zu profitieren, muss man die Blätter aber wie beim Matcha-Tee als ganze zu sich nehmen statt sie bloß zu überbrühen.

In Sachen Koffeingehalt hat je nach Sorte mal der schwarze, mal der grüne Tee die Nase vorne. Da jedoch Grüntee mehr Gerbstoffe als Schwarztee enthält, empfinden viele die Wirkung als noch sanfter, sprich zeitverzögerter und langanhaltender. Für den Magen ist Grüntee genau wie Schwarztee schonender als Kaffee. Außerhalb Asiens beliebt ist der besonders gesunde, gemahlene Grüntee namens Matcha vor allem als Trendgetränk Matcha Latte – das wiederum mehr aus Milch denn aus Tee besteht. Von einem Wachmacher kann hier im Gegensatz zum Original nicht mehr die Rede sein.

Mate-Tee

Auch wenn Mate-"Tee" gar kein Tee ist, sondern eine Stechpalmenart, braucht er sich nicht hinter echtem Tee und Kaffee zu verstecken. Traditionell gießt man 50 mg des getrockneten Krauts (yerba) mit bis zu einem halben Liter Wasser in einer Kalebasse auf und trinkt den Tee nach und nach durch einen Strohhalm. Eine solche Portion schlägt mit 420 mg Koffein zu Buche – hinzu kommen die ebenfalls aufputschenden Stoffe Theophyllin und Theobromin.

Dass man Mate trotzdem eine belebende, aber nicht aufregende Wirkung zusagt, liegt an den Gerbstoffen, die das Koffein an sich binden und für eine langsamere Aufnahme sorgen. Bei 420 mg Koffein spielt das dann aber auch keine Rolle mehr. Mate enthält noch mehr gesunde Antioxidantien als Grüntee, aber leider auch wie Kaffee viel magenreizende Chlorogensäure. Die über Rauch gerösteten Blätter stehen außerdem im Verdacht, bei übermäßigem Genuss das Risiko für Krebserkrankungen im Mundraum zu erhöhen.

Guarana

Die Kerne der südamerikanischen Lianenpflanze Guarana enthalten fünfmal soviel Koffein wie Kaffeebohnen, aber auch etwa 25 Prozent Gerbstoffe, an die das Koffein gebunden ist. Guarana liefert dir also wie Kaffee jede Menge Koffein, hält aber auch gleichmäßig und lange wach wie Tee – und schont obendrein den Magen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Guarana sehr vielseitig und unkompliziert einsetzbar ist. Du kannst das Pulver einfach in Wasser, Saft oder Jogurt einrühren.

Einziger Nachteil: Aufgrund des sehr hohen Koffeingehalts musst du dich vorsichtig an Guarana herantasten. Ein Teelöffel Guarana-Extrakt (8 Prozent Koffein) liefert mit 150 mg mehr Koffein als die stärkste Tasse Kaffee, und die Wirkung lässt nicht nach 90 Minuten wieder nach. Für Naschkatzen gibt es neben Kaugummis, Bonbons und Kaltgetränken seit Kurzem auch eine Trinkschokolade mit Guarana. Schon mit drei Teelöffeln, die für 200 ml Kakao reichen, bringt es "koawach" auf ordentliche 62 mg Koffein.

Energydrinks mit Taurin, Inosit und Glucuronolacton

Auch wenn klangvolle Namen und jede Menge Fachchinesisch auf der Verpackung etwas anderes vermuten lassen: Energydrinks funktionieren genau wie alle anderen hier getesteten Wachmacher auf Basis von Koffein und sind lediglich mit einigen Zusatzstoffen angereichert. Gesetzlich definiert sind sie als koffeinhaltige Erfrischungsgetränke, die maximal 320 mg Koffein, 4.000 mg Taurin, 200 mg Inosit und 2.400 mg Glucuronolacton pro Liter enthalten. In den meisten Fällen spielen das enthaltene Koffein und der hohe Zuckergehalt die wichtigste Rolle für die aufputschende Wirkung.

Die Wirkung der anderen drei Bestandteile gegen Müdigkeit konnte hingegen bislang noch nicht nachgewiesen werden. Von Taurin vermutet man auf Grundlage von Tierexperimenten, dass es die Wirkung des Koffeins stärkt, indem es den Insulinspiegel beeinflusst und so den Stoffwechsel beschleunigt. Inosit, auch "Muskelzucker" genannt, soll die Signalübertragung in Zellen verbessern. Glucuronolacton, eine körpereigene Zuckersäure, war bis 2012 nicht einmal ohne Genehmigungsverfahren einsetzbar. Kein Wunder: Das Lebensmittel mit dem höchsten natürlichen Glucuronolacton-Gehalt, Wein, enthält mit 20 mg pro Liter weniger als ein Hundertstel des in Energydrinks erlaubten "Wachmachers".

Club Mate

Club Mate ist längst kein Berliner Szene-Drink mehr. Was als Nischenprodukt einer mittelfränkischen Brauerei begann, gehört heute in jeden gut sortierten Kiosk und jedes Café irgendwo zwischen veganen Käsekuchen und die Fairtrade-Schokolade. Das langweilige Etikett auf der schlichten Flasche scheint sich den Marktregeln irgendwie zu entziehen: "Man gewöhnt sich dran," lockt man die potentiellen Kundinnen und Kunden.

Liest man die Inhaltsstoffe, könnte man meinen, Club Mate stammt aus den feuchten Träumen eines Berliner Start-ups: "Alkoholfrei, laktosefrei, glutenfrei, vegetarisch, vegan, hergestellt aus erneuerbaren Energien." Mit 20 mg in 100 ml hat Club Mate etwa halb so viel Koffein wie Kaffee.

Wachwerden ohne Koffein

Wer von der Auswahl an Wachmachern mit Koffein überfordert ist, der sollte sich die Liste an Wachmachern ohne Koffein gar nicht erst anschauen. Die Mittel der Wahl reichen von sauren Getränken bis zu kaltem Wasser, das Wirkspektrum von "kreislaufanregend" bis "revitalisierend". Die Theorie dahinter: Unser Gehirn braucht Sauerstoff. Mittel, die Sauerstoff ins Gehirn bringen, helfen folglich unserem Gehirn bei der Arbeit.

Der Haken daran: Zwar verdünnt Wasser wie jedes Getränk unser Blut, wodurch unser Hirn besser mit Sauerstoff versorgt wird und andere Lebensmittel, Bewegung oder frische Luft können die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Hirns ebenso verbessern. Am vorhandenen Adenosin aber ändern sie nichts. Auch bestimmte Gerüche oder Geschmäcker, mögen sie auch noch so "spritzig" oder "frisch" sein, können nicht verhindern, dass dein Hirn in den Ruhemodus schaltet. Findet auch die Redaktion.

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Smoothie mit grünem Apfel

Redakteurin Julia testet das Wachmacherpotenzial von Apfel-Smoothie:

"Ein Smoothie mit grünen Äpfeln, Zitrone und Ingwer klingt nach einem gesunden Frühstück. Wenn das Ganze dann auch noch wachmacht, umso besser!

Die Vorbereitung ist zwar etwas aufwändig, aber immer noch im Rahmen. Doch dann die Ernüchterung: Die Zutaten bekommen keine annähernd trinkbare Konsistenz, egal, wie lang ich mixe. Der Geschmack ist säuerlich mit einer deutlich wahrnehmbaren Schärfe durch den Ingwer.

Und der Wachmach-Faktor? Ehrlich gesagt: nicht vorhanden. Ich fühle mich eher erschöpft durch die Küchen-Action. Im Büro angekommen – zu spät übrigens – gibt es erstmal zwei Tassen Schwarztee."