Partnersuche für Anspruchsvolle: Wen suchst du, und wenn ja, wie viele?

Autor*innen
Magdalena Schneider
Ein Paar hält sich an den Händen, die Köpfe sind von einem großen Herz überdeckt [© Lustre – stock.adobe.com]

Wisch und weg! (Potenzielle) Lebensgefährten gegen ein attraktiveres Exemplar auszutauschen, ist heute tinderleicht. Mein Abschluss, meine Karriere, mein perfekter Partner. Aber was macht dieses Anspruchsdenken mit uns? Sollten wir wirklich den Partner suchen – statt einen zu finden? Hat Amor in seiner Blindheit am Ende immer noch bessere Trefferquoten als die Algorithmen der Partnerbörsen? Eine persönliche Lovestory, eine Psychologin und jede Menge Zahlen zur Großen Liebe im Jahr 2022. Und dazu, wie man sie findet – dank (oder trotz) moderner Helfer. 

Grafik Wo haben Sie Ihren Partner kennengelernt [Quelle: eigene Darstellung nach kartenmacherei]

Meine Freundin Marie hat Jan mit 17 auf einem Festival kennengelernt. Als die Zelte abgebaut und die beiden wieder daheim waren, lagen einige hundert Kilometer zwischen ihnen. Eine Handynummer von Jan hatte Marie nicht – und auch die Mails, die sie nach dem Festival täglich austauschten, schrieb Jan an der Uni: Einen Computer gab es in seiner WG noch nicht. Einige Jahre später haben die beiden geheiratet: Marie hat zwischen Dixie-Klo und Wellenbrecher keinen Partner fürs Leben gesucht – und ihn vielleicht gerade deswegen gefunden. Amor hatte für sie nur einen Pfeil im Köcher – aber es war ein Volltreffer.

Grafik Durchschnittliches Heiratsalter von Frauen und Männern in Deutschland [Quelle: eigene Darstellung nach dem Statistischen Bundesamt]

Arbeitet man sich durchs Netz und versucht zu verstehen, wie Partnersuche heute funktioniert, muss man feststellen: Marie und Jan sind Dating-Dinos – Exemplare wie sie wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben. Liebeshungrige von heute finden sich nicht mehr zufällig auf dem Zeltplatz – sie suchen gezielt nacheinander. 

Manchmal suchen sie dabei jemanden, von dem sie nur hoffen können, dass es ihn auch wirklich gibt. Sie swipen, chatten und machen das Date spätestens seit Corona zur Businesskonferenz: Aus dem Homeoffice in den Jour fixe mit der potenziellen Liebeskandidatin oder dem Liebeskandidaten – selten war Dating so durchstrukturiert und scheinbar berechenbar wie heute.  

Vertrauen ist gut, Algorithmus ist besser

Laut der Studie "So heiratet Deutschland" der Kartenmacherei aus dem Jahr 2021 sind die meisten Beziehungen noch ganz klassisch über Freunde entstanden. Aber der Trend hin zum Online-Dating ist stark steigend und übertrifft nun sogar das traditionelle Kennenlernen beim Feiern. Damit stehen soziale Medien, Flirtportale und Online-Partnervermittlung auch höher im Kurs als der erste Kontakt über ein gemeinsames Hobby oder vor dem Kennenlernen im Studium oder am Arbeitsplatz.

Mister "Alright for now"

Abgesehen von der Frage nach dem Wo stellt sich in der heutigen Datinglandschaft mehr denn je die Frage nach dem Wonach: Wonach suche ich – und wonach nicht? Auf der Suche nach dem passenden Lebensgefährten stehen Singles heute schließlich so viele Wege offen wie nie zuvor.

In einer maximal flexiblen Welt ist auch das Angebot der möglichen Partner scheinbar unendlich – niemand muss sich mehr mit dem netten Jungen aus der Nachbarschaft oder der sympathischen Trainingspartnerin zufriedengeben. Wenn man schon in Studium und Karriere das Maximum herausholt, warum sollte man ausgerechnet in der Liebe mit dem (vermeintlichen) Trostpreis glücklich werden? "Wisch und weg" hat in Zeiten von Tinder & Co. eine ganz neue Bedeutung gewonnen.

Vor einigen Jahren rief der Kolumnist und Schriftsteller Michael Nast deswegen die "Generation Beziehungsunfähig" aus. Mit Erkenntnissen aus dem eigenen Liebesleben und Anekdoten aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis traf er einen Nerv. Seine These von einer Generation, die für immer auf der Suche ist, wurde zum Bestseller: "Wir arbeiten an unserer Karriere, an unserer Figur und daran, unseren Traumpartner zu finden, als wäre unser Leben ein Katalogentwurf, dem wir gerecht werden wollen", schreibt Nast in seinem Werk. "Die Beziehungs- und Bindungsunfähigkeit, von der heutzutage so viel geredet wird, ist nichts anderes als das Streben nach universeller Selbstverwirklichung, nach vermeintlicher Perfektion."

Eine schiefe Nase lässt sich nicht geradewischen

Eine schiefe Nase kann bei Tinder daher schon zum fatalen Wisch nach links führen. Wer ernstere Intentionen hat, vertraut bei der Partnersuche im Internet anderen Plattformen wie ElitePartner. Online arbeiten sich dort viele Singles durch lange psychologische Fragebögen, die anschließend mit den Daten anderer Datingwilliger gematcht werden. Je höher die Übereinstimmung, desto größer die Liebe, so die Verheißung. ElitePartner verspricht "kultivierte und niveauvolle Singles", "Zugang nur mit ernsten Absichten" – dafür sollen Mitarbeiter sorgen, die entscheiden, wer zur Plattform passt. Sogar die Stiftung Warentest lobte die Passgenauigkeit der Partnervorschläge. So einfach ist das also – den perfekten Gefährten, einmal in den Warenkorb, bitte?

Verdammt, ich lieb dich – ich lieb dich nicht

Der Gründer der Plattform, Arne Kahlke, ist mittlerweile in einer anderen Branche unterwegs. Vielleicht erlaubt er sich deshalb – nach immerhin mehr als 14 Jahren in der Online-Partnervermittlung – inzwischen ein überraschendes Urteil: "Die Menschen werden nicht glücklicher, wenn sie sich alles selbst aussuchen können", sagte er in einem Interview. Maximale Freiheit und Optimierung führen also nicht zu maximalem Glück?

Psychologin Alexandra Hartmann findet: "Tatsächlich ist die Partnersuche, was den Optimierungswillen angeht, ein Kind unserer Zeit. Ich nehme bei meinen Klienten zwar nicht unbedingt einen steigenden Anspruch wahr – aber die Angst, etwas zu verpassen. Man tut sich heute schwer damit, zu sagen: 'Das ist der Weg, den ich jetzt gehe.' Stattdessen hat man oft im Hinterkopf: 'Aber wenn ich jetzt den anderen Weg nehmen würde, dann würde ich vielleicht etwas ganz anderes erleben ...' Einfach losgehen und sich auf etwas einlassen: Das möchte man nicht mehr. Man hadert sehr viel."

Ein Indiz für dieses Zögern, sich in Beziehungen festzulegen, ist auch das Heiratsalter, das sich seit Jahren immer weiter nach oben schraubt: Männer waren 2020 bereits durchschnittlich 34,9 Jahre alt und Frauen 32,4 Jahre alt, als sie sich das Jawort gaben.

Mit ihren Klienten bespricht Psychologin Hartmann oft, was denn ein perfekter Partner sei, und ob es ihn überhaupt geben könne. "Viele kommen selbst zu dem Schluss, dass diese Anspruchshaltung Quatsch ist. Umgekehrt gilt natürlich nicht, dass eingeschränkte Freiheit bei der Partnerwahl glücklicher macht. Wenn früher Partnerschaften vermittelt wurden oder man vielleicht einfach den Nachbarn geheiratet hat, wurden Beziehungen dadurch nicht zufriedenstellender. Aber am Sprichwort 'Wer die Wahl hat, hat die Qual' ist durchaus etwas dran. Zum Wählen gehört Mut! Wenn man sich einmal für einen Partner entschieden hat, denkt jeder in schwachen Momenten: Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich jemand anderen kennengelernt hätte? Wie würde es weitergehen, wenn ich mich trenne?"

"Philosophisch kann man sich mit dieser Frage auch auseinandersetzen", so Hartmann weiter. "Aber eine endgültige Antwort bekommt niemand. Und es ist auch nicht bewiesen, dass Personen, die viele Optionen ausprobiert haben, beständigere Beziehungen führen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Je weniger Partnerschaften man hatte, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Beziehung hält. Denn das Partnerwechseln kann zur Gewohnheit werden – man neigt dann dazu, sich schneller zu trennen".

Lohnen sich also das 137. Date und die dritte Ehe am Ende ebenso wenig wie die vielen Euros für psychotestbasierte Matchings? Kann die durchoptimierte Partnersuche genauso frustrieren wie die Nachbars-Ehe anno 1900? "Die Möglichkeit besteht", bestätigt die Paartherapeutin. "Freiheit und (Liebes-)Glück haben wenig miteinander zu tun – weder in der einen noch in der anderen Richtung".

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