Überwachung in der Beziehung: "Er stand vor dem Bett, mitten in der Nacht, und checkte mein Handy"
- Clara Ott
Die eine musste ständig online erreichbar sein, die andere wurde heimlich abgehört. Zwei Frauen erzählen von ihren kontrollsüchtigen Partnern – nur eine machte Schluss.
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Lassen Sie Ihren Partner an Ihr Smartphone? Oder fürchten Sie, er oder sie könnte Chats oder Bilder finden, die eine Beziehungskrise auslösen? Das wollten wir vor einigen Wochen in einem Aufruf von Ihnen wissen. Unter den Einsendungen waren zwei Einsendungen, die besonders herausstachen. Eine Frau hat uns erzählt, wie sie in ihrer Fernbeziehung aus dem Ausland getrackt wurde, die andere entdeckte, dass ihr Ehemann mehrere Handys in der Wohnung versteckte, um sie zu Hause zu überwachen. Das sind ihre Geschichten.
Es ist vier Jahre her, dass ich meinen Mann in flagranti erwischte: Er stand vor dem Bett, mitten in der Nacht, und checkte mein Handy. Auf meine Frage, was zur Hölle er da mache, antwortete er ausweichend: "Ich habe nur kurz was geguckt." Mein Handy war damals mit PIN oder Fingerabdruck gesperrt. Er hatte mich ausgespäht. Ich stand unter Schock.
Damals waren wir seit zehn Jahren zusammen, fünf davon verheiratet, unsere drei Kinder waren noch klein. Kennengelernt hatten wir uns mit Mitte 20 im Studium, der Klassiker. In den Tagen, nachdem ich ihn erwischt hatte, rumorte es in meinem Kopf. Ich fragte mich, wie lange er schon alles mitliest und was er alles gesehen haben könnte: berufliche E-Mails, WhatsApp-Chats, die offenen Tabs meiner Browser-Fenster, Fotos, alles.
Wann genau seine Kontrolle anfing, kann ich nicht sagen. Ich hatte zwar schon bemerkt, dass mein Handy in der Wohnung immer mal an anderen Orten lag oder morgens auf meinem Nachttisch nicht so, wie ich es hingelegt hatte. In meiner Naivität aber dachte ich, es läge an meinem Erinnerungsvermögen. Ich fühlte mich hintergangen. Schließlich tauscht man auch Dinge mit Freundinnen aus, die der Partner nicht unbedingt wissen muss. Ich änderte meine Handy-PIN und überwachte von da an ihn: Zum Beispiel schaute ich morgens, ob der Flugmodus meines Telefons nachts ausgeschaltet worden war. Man kann schauen, welche Apps wie lange und wann benutzt werden. Manchmal war er eine Stunde online, während ich schlief.
Mir wurde immer bewusster, dass er alles kontrollierte, jeden Anruf, jede Sprachnachricht, was mich tagsüber lähmte und einschränkte. Ich wurde panisch, änderte ständig meine Passwörter, aber er las weiter mit. Vermutlich schaute er mir über die Schulter, um sie herauszubekommen.
Und irgendwann entdeckte ich in unserem Schlafzimmer, zwischen meinen Schminksachen, ein uraltes Handy. Es war an eine Powerbank angeschlossen, auf dem Handy lief ein Audiomitschnitt, bereits über 16 Stunden lang. Offensichtlich hatte mein Mann mitgeschnitten, wenn ich mit meinen Freundinnen telefonierte oder er nicht zu Hause war. Als ich ihn zur Rede stellte, schwieg er mich an. Kurz darauf verreiste er übers Wochenende, und ich durchsuchte das ganze Haus. Ich fand sieben alte Handys, alle an Powerbanks angeschlossen, sogar eins in meinem Auto, in der Tasche hinter dem Fahrersitz. Alle hatten stundenlange Tonaufnahmen gespeichert. Wann bitte hatte er mit seinem Vollzeitjob Kapazitäten, sich das alles anzuhören?
Ich fotografierte die Beweise, falls ich ihn anzeigen sollte, schließlich war das eine Mischung aus Stalking und häuslicher Gewalt, also psychischer. Die Handys versteckte ich, sodass er sie nicht erneut benutzen konnte. Schmerzhaft war, dass keine meiner Freundinnen mir diese Geschichte glaubte. "Das würde dein Mann nie machen, er ist doch so ein lieber!" Denn er ist Everybody's Darling: Ein charmanter Typ, alle finden ihn sympathisch. Ich hätte es selbst nie für möglich gehalten, dass jemand so etwas Furchtbares macht. Er ist nicht außergewöhnlich besitzergreifend, nur oft unsicher. Ihm ist nie beigebracht worden, über sein Innenleben zu sprechen.
Nach seiner Rückkehr verlangte ich erneut eine Erklärung von ihm. Wieder kam nichts von ihm, außer Herumdrucksen. "Wenn ich das nächste Handy finde, lasse ich mich scheiden und bin weg", drohte ich. "Mit den Kindern." Ich meinte es ernst. Nach dem ersten Vorfall bin ich ins Gästezimmer gezogen, weil ich den Gedanken unerträglich fand, mit ihm in einem Bett zu schlafen. Ich habe jeden Abend knallhart die Tür abgeschlossen und konnte trotzdem nicht schlafen. Bei jedem Klackern der Heizung oder Rascheln im Baum vor dem Fenster bin ich hochgeschreckt, panisch, dass er mir wieder hinterherspioniert.
Ich bin ein Stück weit paranoid geworden, bekam sogar im Job Probleme. Ich hatte Angst, dass jemand meine E-Mails mitliest oder meine beruflichen Telefonate überwacht. Das alles hat meine Leistungsfähigkeit, meine Konzentration und mein Wohlbefinden eingeschränkt.
Mich hat das auch deswegen so getroffen, weil ich so etwas nicht zum ersten Mal erlebt hatte: Meine Mutter hat mein Tagebuch gelesen, als ich 16 war – ein erster schmerzhafter Vertrauensbruch für mich, den meine Mutter bis heute nicht nachvollziehen kann. Die Geschichte mit meinem Mann habe ich ihr nie erzählt, denn ich war und bin mir sicher, dass sie ihn verteidigt hätte.
Während der Pandemie haben mein Mann und ich aneinander vorbeigelebt. Wir waren wie Mitbewohner in einer WG, unsere Gespräche drehten sich um die Organisation unseres Alltags mit den Kindern. Mein Mann hat sich nicht mehr getraut, mich zu umarmen oder zu küssen, über einen sehr langen Zeitraum. An Sex war sowieso nicht zu denken. Überwunden habe ich das alles nur, weil ich eine Therapie begonnen habe. Auf eigene Kosten, weil ich so schnell und noch dazu in der Coronazeit keinen von der Krankenkasse bezahlten Therapieplatz gefunden hätte. Eigentlich wäre es an ihm gewesen, sich professionelle Hilfe zu suchen, das weiß er auch. Angeblich sucht er seit vier Jahren nach einem Platz, er finde einfach keinen, behauptet er. Mittlerweile bereut er sein Fehlverhalten. Sagt er. Über seine genauen Beweggründe schweigt er sich bis heute aus.
Und da ist noch etwas, das mir große Sorgen macht: unsere Kinder. Ich frage mich, was passiert, wenn sie alt genug sind, um selbst Handys zu besitzen? Wird mein Mann dann eine Spy-Software auf ihren Geräten installieren? Zu tracken, wo die Kinder sind, ist das eine, aber er würde vermutlich auch die Chats mit ihren Freunden lesen. Ihnen könnte es ähnlich ergehen wie mir als Jugendliche.
Wieso ich mich nicht getrennt habe, ist vermutlich schwer nachzuvollziehen. Anfangs bin ich geblieben, weil unsere Kinder noch sehr klein waren. Momentan bin ich mir sicher, dass er verstanden hat, wie sehr er mich damals verletzt hat. Er hat kapiert, dass das nicht noch einmal vorkommen darf, weil ich dann weg bin. Gerade ist die Stimmung wieder sehr gut zwischen uns. Er hat einen neuen Job, der ihn selbstsicherer gemacht hat. Und ich liebe ihn ja auch, trotz allem.
Natürlich gibt es immer wieder Momente, in denen ich ein ungutes Gefühl habe. Wenn ich Auto fahre etwa und er zu meinem Handy greift, um den Kindern Musik anzumachen. Bekomme ich auf einer Fahrt eine SMS, muss ich mir verkneifen, sie mir von ihm vorlesen zu lassen. Ich will ihn nicht auf dumme Ideen bringen.
Sechs Jahre lange führte ich eine Fernbeziehung mit Felipe*, der in Spanien lebte. Er war ein gut aussehender Mann, zehn Jahre älter als ich – und er hat mich kontrolliert, vom ersten Tag an. Ständig musste ich online sein, mich rechtfertigen, erreichbar sein, ansonsten entzog er mir seine Liebe. Ich war verliebt und bin in etwas hineingerutscht, was ich bis heute nicht fassen kann.
Kennengelernt haben wir uns über die Gamingplattform Discord. Wir waren oft gleichzeitig online, haben zusammen gespielt. Anfangs ließ sich gar nicht so gut trennen, was noch Kennenlernen war und was schon Kontrolle. Ich fand es süß, dass er ständig chatten wollte, dass er Fotos von mir wollte, sehen wollte, wie ich morgens nach dem Aufwachen aussehe, welches Outfit ich anziehe, was ich mir abends zu essen mache. Er wollte aber auch wissen, wie meine Arbeitskollegen aussehen, wo ich nach der Arbeit hinging, wann ich wieder zu Hause war. Vor dem Einschlafen wollte er Videoanrufe. Er erzählt mir, dass ihn seine Ex betrogen habe und er mir nicht so schnell vertrauen könne. Mit der Zeit fielen mir aber komische Sprüche auf. Er kommentierte, wenn ich mir die Nägel lackiert hatte, fragte, für wen ich Lippenstift trug. "Hast du jemanden kennengelernt?", schrieb er dann. So oft, dass ich irgendwann keine Lust mehr hatte, mich schön zu machen – außer für ihn.
Aufgrund der Entfernung und weil auch die Pandemie dazwischenkam, sahen wir uns höchstens dreimal im Jahr, dann für jeweils mindestens zwei Wochen. Rückblickend ging es ihm um die totale Kontrolle. Felipe war zwar Anfang 40, aber kein Mann, mit dem man Dinge diskutieren konnte. Unsere Gespräche waren nie tiefgründig, sondern drehten sich immer nur darum, was wir tagsüber so machten. Wenn ich mal nicht gleich antwortete oder einen seiner Anrufe nicht annahm, beschimpfte er mich. Oder er unterstellte mir, ihn nicht genug zu lieben. Das führte dazu, dass ich mich sogar rechtfertigte, wenn ich nicht direkt nach Hause ging nach der Arbeit, sondern mich aus dem Supermarkt meldete. Statt Freundinnen zu treffen, warf ich mich zu Hause sofort vor den Laptop. Dabei bin ich eigentlich gesellig und war immer gerne ausgegangen. Ich war ja gerade mal Ende 20.
Naiv, wie ich war, dachte ich, dass es einfacher würde, wenn er mir mehr vertraut. Stattdessen reagierte er immer extremer. Zum Beispiel verlangte er, dass ich meinen Standort teilte, sodass er mich von Spanien aus tracken konnte. Er selbst teilte seinen Standort nur manchmal. Es störte ihn, wenn ich mit männlichen Kollegen Mittagspause machte. Ich musste mich zurückmelden, wenn ich wieder am Arbeitsplatz war. Aber ich war immer noch zu verliebt, um zu realisieren, was er mit mir machte.
Zwei Jahre nach unserem Kennenlernen verlor er seine Arbeit und machte eine Umschulung. Obwohl er offensichtlich viel zu Hause rumsaß, ließ er mich manchmal Stunden auf eine Antwort warten. Trotzdem schickte ich ihm jeden Tag ein "Guten Morgen", dazu Fotos von mir im Bett. Und obwohl ich nichts von ihm hörte, hatte ich mich bis zum Mittag ungefähr zehnmal bei ihm gemeldet. So sehr hatte er mich manipuliert.
Wenn wir uns gegenseitig besuchten, war es trotzdem schön. Vor allem, wenn ich bei ihm in Spanien war, an der Küste. Er stellte mich seiner Familie vor, und wir schmiedeten Zukunftspläne: heiraten, Kinder, Haus. Das ganze Programm, schließlich waren wir ja sechs Jahre zusammen. Felipe wollte Deutsch lernen, zu mir ziehen, sich eine neue Arbeit suchen. Ich fand es spannend, die Kultur seines Landes kennenzulernen. Dabei merkte ich nicht, wie unglücklich ich zwischen unseren Treffen war.
Und dann kam der Abend, an dem es eskalierte. Es war ein Winterabend, und ich wollte baden. Er schrieb, dass ich mich per Video melden soll, aber ich wollte meine Ruhe. Das schrieb ich ihm auch so, das erste Mal in all den Jahren. Fünf Tage lang antwortete er nicht. Dann schrieb er: "Hast du dich jetzt endlich beruhigt? Oder ist jetzt Schluss?" Ich war perplex und schwieg.
Zweimal rief er danach noch an, aber ich hatte keine Kraft, ranzugehen. Er schickte lange Mails. Was mir einfiele, das alles nach sechs Jahren einfach hinzuschmeißen, ob ich ihn bloß verarscht hätte. Dazu beschimpfte er mich. Erst dachte ich noch, er würde um unsere Beziehung kämpfen. Doch er meldete sich wieder tagelang nicht. Die Trennung liegt zwei Jahre zurück. Damals half mir eine gute Freundin, die letzten sechs Jahre einmal von außen zu betrachten. Ich begriff, was Felipe mit mir gemacht hatte. Daraufhin habe ich ihn auf allen Kanälen geblockt; er hat auch nicht versucht, mich auf anderem Weg zu erreichen. Trotzdem hatte ich Liebeskummer, musste erst wieder lernen, allein zu sein.
Seit ein paar Monaten habe ich einen neuen Freund, den ich jederzeit anrufen kann. Ich kann aber auch jederzeit allein heimgehen und Netflix gucken. Es interessiert ihn nur, wie es mir geht.
*Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die Frauen in diesem Text anonymisiert. Ihre echten Namen sind der Redaktion bekannt.
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