Gesunde Ernährung: "Mit der richtigen Ernährung kann man mehrere Lebensjahre rausschlagen"

Autor*innen
Katrin Hummel
Geschäftsmann mit verschränkten Armen, vor seinem Gesicht ein Pizzastück, von der Seite eine Hand, die Salat hält

Viel Vitamin B12, wenig Salz und bloß nicht dick werden: Ein Ernährungswissenschaftler über die Frage, wie man möglichst lange gesund leben kann.

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Ein Ernährungswissenschaftler erklärt, wie man möglichst lange gesund leben kann, wann Nahrungsergänzungsmittel hilfreich und wann sie schädlich sind, und spricht über die fatalen Symptome eines Vitamin-B12-Mangels.

Herr Prof. Smollich, was kann ich tun, um möglichst lange gesund zu bleiben?

Die wichtigsten Krankheiten im Alter, die man durch Ernährung beeinflussen kann, sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Demenz. Das Risiko, daran zu sterben, kann man durch die richtige Ernährung im mittleren Lebensalter sehr gut reduzieren. Und zwar durch die Vermeidung von Übergewicht und Adipositas.

Ich kann also essen, was ich will, Hauptsache, ich bin nicht dick?

Sie können zusätzlich noch viel Gemüse und Vollkornprodukte essen, weil die antientzündliche Effekte im Körper haben und gut fürs Mikrobiom sind. Und möglichst wenig Alkohol trinken. Dazu Hülsenfrüchte zwei- bis dreimal die Woche und möglichst kein hoch verarbeitetes Fleisch. Gut ist es, frisch zu kochen, abwechslungsreich zu kochen. Und Beeren, Nüsse und hochwertige Pflanzenöle zu sich zu nehmen. Die meisten Menschen können auch salzreduziert essen, was gut für die Blutgefäße ist. Aber zentral ist die Vermeidung von Übergewicht und Adipositas.

Warum?

Die führen zu einer Leberverfettung. Das heißt, das Risiko für Diabetes und Schäden an den Blutgefäßen steigt, weil sich da Fett ablagert. Viele Menschen denken, Übergewicht ist einfach nur so ein schwerer Rucksack, den man mit sich rumschleppen muss. Aber das stimmt nicht. Fettgewebe ist hormonell extrem aktiv. Je mehr man davon hat, desto mehr Hormone produziert es. Und diese Hormone stimulieren das Wachstum von Krebszellen . Ab einem Body-Mass-Index von 30 ist das Krebsrisiko deutlich erhöht. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz steigt das Risiko schon ab einem BMI von 25.

Welchen Einfluss hat die Ernährung im Vergleich zu Sport, sozialer Interaktion und Schlaf?

Das kann man so nicht sagen, leider, weil das in Studien nicht zu trennen ist. Menschen, die sich gesünder ernähren, sind auch sozial aktiver, machen häufiger Sport und schlafen besser. Sie haben auch mehr Geld, einen höheren sozioökonomischen Status und gehen häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen. Ich persönlich halte Bewegung und Ernährung für ungefähr gleich wichtig und sehe soziale Interaktion und Schlaf an nachgeordneter Stelle. Wobei, wenn ich schlecht schlafe aufgrund von Stress, wirkt sich das auch direkt negativ auf den Zuckerstoffwechsel aus.

Inwiefern?

Das führt zu Heißhungerattacken. Wenn man schlecht schläft, will man mehr Süßes essen. Wir haben diese Adipositas-Pandemie in der westlichen Welt unter anderem, weil die Schlafdauer in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hat. Im Vergleich zu den Fünfzigerjahren schlafen die Menschen heute circa anderthalb Stunden weniger pro Nacht. Durch Handynutzung und Social Media nimmt das noch weiter ab. Und das ist ein wesentlicher Triggerfaktor dafür, dass wir immer mehr Adipositas bei Jugendlichen haben. Das ist dramatisch, ehrlich gesagt.

Was ist mit Nahrungsergänzungsmitteln? Sind die wichtig?

Da gibt es drei Gruppen. Die einen sind einfach überflüssig, die haben gar keine Effekte. Dann haben wir welche, die sehr nützlich sein können, und andere, die schädlich und gefährlich sein können. Und was in welche Gruppe fällt, das ist individuell unterschiedlich. Wenn man jetzt so im mittleren Alter und gesund ist, haben wir zum Beispiel in Deutschland eine sehr starke Unterversorgung mit Vitamin D und bei Jod. Das heißt, da ist die Empfehlung, im Winter Vitamin D zu supplementieren und ausschließlich Jodsalz zu verwenden. Alles andere, was darüber hinausgeht, muss man individuell prüfen. Aber es gibt bestimmte Mikronährstoffe, bei denen viele ältere Menschen Defizite haben.

Welche denn?

Ganz oft Vitamin B12. Der Körper kann das Vitamin B12 nicht mehr so gut aufnehmen. Durch einen B12-Mangel wird man vergesslich, desorientiert, und das Heimtückische daran ist, dass das oft als dem Alter geschuldet abgetan wird. Sehr sinnvoll kann auch die Einnahme von Protein und Kreatin sein. Ältere Menschen haben einen erhöhten Proteinbedarf, der über die normale Nahrung oft nicht gedeckt werden kann. Hier können Proteinpulver und -shakes hilfreich sein. Auch die Einnahme von Kreatin kann den Erhalt der Muskulatur im Alter fördern, wenn es mit Krafttraining kombiniert wird. Neuere Studiendaten deuten außerdem auf positive Effekte von Kreatin auf die Gedächtnisfunktion im Alter hin. Damit es wirkt, sind mindestens drei Gramm pro Tag nötig.

Kann man sich das einfach im Internet bestellen?

Na klar, aber genauso gut kann man es in Drogerien oder Apotheken kaufen. Es gibt in Deutschland bei Nahrungsergänzungsmitteln keinen grundsätzlichen Qualitätsunterschied zwischen Präparaten aus Apotheken und Drogerien. Der einzige Unterschied: In der Apotheke gibt es diese Substanzen auch als Arzneimittel, für die höhere Qualitätsanforderungen gelten als für Nahrungsergänzungsmittel.

Kann man messen, ob man Protein- und Kreatinmangel hat?

Protein kann man im Blut messen, oder man kann einfach mal ein paar Tage lang ein Ernährungstagebuch führen, dann kann ein guter Hausarzt das auch beurteilen. Aber einen Kreatinmangel kann man nicht messen, weil es dafür keine Referenzwerte gibt. Man weiß also, wenn man ihn misst, nicht, ob der gemessene Wert hoch oder niedrig ist. Wenn man sich für solche Themen interessiert, empfehle ich, sich einen Hausarzt zu suchen, der gleichzeitig auch Ernährungsmediziner ist.

Welche Nahrungsergänzungsmittel können schädlich sein?

Grundsätzlich alle, die überdosiert sind. Und wenn man Nierenschäden hat, kann es durch manche zu weiteren Nierenschäden kommen. Es gibt Menschen, die werden durch zu hohes Vitamin D dialysepflichtig, weil die Nieren komplett kaputt sind. Zu viel Eisen erhöht das Diabetesrisiko, zu viel Calcium schädigt das Herz und die Blutgefäße. Und überdosiertes Vitamin B12 erhöht das Lungenkrebsrisiko. Man sollte, bevor man Nahrungsergänzungsmittel nimmt, mit dem Hausarzt sprechen.

Ist das wirklich die einzige Möglichkeit?

Wenn man keine Blutuntersuchung machen möchte, muss man das Kleingedruckte auf der Packung lesen. Da steht nämlich immer drauf, wie viel Prozent der Tageszufuhr in einem Präparat drin ist. Wenn man keinen Mangel hat und das Präparat rein vorsorglich einnimmt, ohne eine Blutuntersuchung gemacht zu haben, sollte man darauf achten, dass in so einem Präparat nicht mehr als 100 Prozent der empfohlenen Tageszufuhr drin sind.

Was bringt Intervallfasten?

Für eine Gewichtsreduktion hat es keinen Vorteil im Vergleich zu einer Situation, wo ich stattdessen drei, vier Mahlzeiten am Tag habe und bei jeder ein bisschen weniger esse. Also das ist kein Zaubermittel. Und im Alter ist es superkritisch. Wenn ich nur acht Stunden am Tag esse, dann muss ich ja in diesen acht Stunden meine ganzen Nährstoffe, mein ganzes Protein aufnehmen. Und gerade ältere Leute haben einen hohen Proteinbedarf und schaffen meiner Erfahrung nach praktisch nie, in acht Stunden die optimale Proteinmenge aufzunehmen. Und die Ballaststoffe sowieso nicht. Deshalb rate ich im Alter eher vom Intervallfasten ab.

Man liest doch immer, dass beim Intervallfasten die Zellen repariert werden.

Ja, bei Mäusen. Aber das Entscheidende ist ja, ob man als Mensch dadurch einen Gesundheitsvorteil hat. Man liest immer: Die Autophagie wird angeregt. Aber das ist ein Kommunikationsfehler. Autophagie und Zellerneuerung, das hört sich erst mal gut an, aber was hilft das, wenn man zum Beispiel erneuerte Zellen hat, aber zu wenig Protein und dann die Treppe runterstürzt? In der Realität kann man solche Konzepte, die aus Tierversuchen stammen, nicht anwenden. Gerade dieses Intervallfastenkonzept 16:8. Warum ist das gerade 16:8? Weil man das in Tierversuchen mit Mäusen so gemacht hat. Bei denen kam dann dieser Effekt zustande, dass Mäuse länger leben, wenn sie 16:8 intervallfasten. Aber Mäuse verhungern, wenn sie zwei bis drei Tage gar nichts fressen. Das heißt, für die ist 16 Stunden fasten so wie für uns zehn oder 15 Tage fasten. Man kann das überhaupt nicht übertragen.

Wie viele Jahre kann man herausschlagen, wenn man gesund lebt?

Das ist in Studien der Weltgesundheitsorganisation immer wieder gezeigt worden, das sind so elf bis 13 Lebensjahre, wenn man das von der Kindheit an macht. Aber es lohnt sich, selbst mit 50 oder 60 noch damit anzufangen. Dann lebt man im Durchschnitt immer noch zwei bis drei Jahre länger. Aber das Entscheidende ist, dass nicht nur die Lebenserwartung steigt, sondern dass sich die gesunde Lebenszeit verlängert.

Unterscheidet sich der Stoffwechsel von älteren und jüngeren Menschen?

Der Stoffwechsel im Alter reduziert sich eher, das heißt, Kalorien werden nicht mehr so gut verwertet, Nährstoffe werden nicht mehr so gut aufgenommen, Abbauprodukte nicht mehr so gut ausgeschieden. Aber das ist sehr individuell, je nachdem wie der Lebensstil ist.

Brauchen ältere Menschen andere oder mehr Nährstoffe als jüngere?

Ja, man muss im Alter stark darauf achten, dass das wenige, was gegessen wird, sehr nährstoffdicht ist. Wenn man das nicht schafft, ist es häufig sinnvoll, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Wie viel sollte man trinken?

Die Lehrbuchantwort dazu lautet: ungefähr 20 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht. Aber in Wirklichkeit hängt es natürlich davon ab, wie viel ich mich bewege, ob meine Wohnung klimatisiert ist oder nicht, ob ich viel schwitze oder nicht, ob ich rausgehe oder nicht. Das kann man so pauschal nicht sagen.

Und was nun ist die Empfehlung beim Wasser: besser mit oder ohne Kohlensäure? Natriumarm oder nicht?

Kohlensäure hat gesundheitlich keinen Effekt. Aber wenn man abnehmen möchte und vor dem Essen Wasser mit Kohlensäure trinkt, isst man hinterher weniger, was für manche gut sein kann. Und natriumarm ist in Deutschland meist besser, weil die durchschnittliche Natriumzufuhr viel zu hoch ist.

Wie viel Salz sollte man essen?

Die WHO sagt maximal fünf Gramm pro Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sagt maximal sechs Gramm pro Tag. Das ist ungefähr ein Teelöffel. Die Realität in Deutschland ist: Die Hälfte der Männer konsumiert pro Tag mehr als zehn Gramm, also mehr als das Doppelte der WHO-Empfehlung. Bei Frauen sind es durchschnittlich acht bis neun Gramm pro Tag. Das heißt, es ist ein Problem, dass wir zu viel Salz aufnehmen. Salz erhöht bei den meisten Menschen den Blutdruck und ist ein ganz zentraler Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall und alle anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wo ist denn dieses viele Salz drin, doch vor allem in Convenience-Produkten, oder?

Genau, von dem ganzen Salz, das ich aufnehme, stammen 80 bis 90 Prozent aus Fertiglebensmitteln . Also auch aus Brot zum Beispiel oder aus Brötchen, die ich beim Bäcker kaufe. Wir reden hier nicht über Junkfood, sondern es geht vor allem um Brot, Käse, Wurst und Fertiggerichte. Deswegen ist das Entscheidende, möglichst viel selbst zu kochen.

Was sind eigentlich die Quellen für Ihre hier gemachten Aussagen?

Ich lese jeden Tag die neuesten Studien. Anderthalb Stunden, weil es zu meiner Jobbeschreibung gehört, da aktuell zu sein. Und meine Aussagen decken sich mit den medizinischen Leitlinien der Fachgesellschaften, zum Beispiel mit der Leitlinie für Ernährung in der Geriatrie der Europäischen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Darin ist der aktuelle Stand des Wissens zusammengefasst.

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