Growth Mindset: So wächst du – privat und im Job
- Astrid Travi
Mindset steht für Einstellung oder Weltanschauung. Gemeint ist damit unsere innere Haltung, die Denken, Handeln und Fühlen beeinflusst. In diesem Beitrag erfährst du, was ein “Growth Mindset“ ist und wie du es für dein Privat- und Berufsleben trainieren kannst.
Stell dir vor: Du setzt eine Sonnenbrille mit gelben Gläsern auf. Sofort scheint die Welt in einem gelben Schleier gehüllt zu sein. Mit braunen Gläsern erscheint alles bräunlich. Tatsächlich aber ist der Baum grün, der Himmel blau und der Asphalt grau. Deine Brille entscheidet, wie du die Welt wahrnimmst. Genauso funktioniert das Mindset. Oft glauben wir, dass die Dinge so sind, wie wir sie sehen. Aber das stimmt nicht. Das Mindset verändert unsere Perspektive.
Doch wie beeinflusst das Mindset unseren Alltag und das Berufsleben? Ein Beispiel: Dir steht am nächsten Tag eine wichtige Präsentation bevor: Gehst du mit zu viel Selbstkritik, Unsicherheit oder sogar Angst an die Sache heran, so werden diese negativen Gedanken dein Handeln beeinflussen. Du fokussierst dich während der Präsentation zu sehr auf vermeintliche Fehler oder negative Eigenschaften. Die Folge: Du bist unkonzentriert und deine Unsicherheit überträgt sich auf die Zuhörenden.
Allerdings ist unser Mindset nicht angeboren. Es entwickelt sich mit den persönlichen und beruflichen Erfahrungen, die wir machen, bewerten und im Gedächtnis abspeichern. Das Mindset ist also erlernt – und lässt sich somit auch verändern.
Über die Autorin
Astrid Travi ist geschäftsführende Gesellschafterin der stg – Die MitarbeiterBerater GmbH. Sie verfügt über 30 Jahre Erfahrung als Sozialpädagogin mit den Schwerpunkten “Begleitung beruflicher Veränderungen“ und “Krisenberatung“. Diese Themen hat sie auch in leitender Funktion u.a. bei Siemens verantwortet.
Unterschiedliche Formen des Mindset
Die US-amerikanische Psychologin Carol Dweck erforscht, wie Menschen mit Herausforderungen und Niederlagen umgehen. Sie fand heraus, dass unser Verhalten direkte Rückschlüsse auf das Mindset zulässt. So unterscheidet Dweck das “Fixed Mindset“ vom “Growth Mindset“.
Menschen mit einem “Fixed Mindset“ gelten als “fest“ oder “unflexibel“. Sie betrachten Gegebenheiten als statisch und glauben, dass ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten nicht veränderbar sind. Scheitern ist in ihren Augen ein Beweis dafür, dass ihnen etwas nicht liegt (Persönlichkeit) oder sie es nicht können (Fähigkeiten). Fehler sind für sie Hinweise auf die Grenzen ihrer Kompetenz und deshalb nach Möglichkeit zu vermeiden. Dies ist eine stillstandsorientierte Denkweise.
Personen mit einem “Growth Mindset“ sind überzeugt, dass sich Menschen verändern können – in ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten. Scheitern erklären sie damit, dass etwas noch nicht ausreichend entwickelt wurde und Fehler sind in ihren Augen Hinweise für Entwicklung. Dies ist die wachstumsorientierte Denkweise.
Welches Mindset hab ich?
Doch wie findest du sicher heraus, welches Mindset du hast? Diese Frage lässt sich zuverlässig mit deiner Antwort auf zwei Fragen klären:
Frage 1: Was waren deine drei größten Erfolge?
Nimm dir ein paar Minuten Zeit und überlege dir, wie deine Antwort auf diese Frage lauten würde und wie du sie formulierst.
Hast du das Bedürfnis, deine Erfolge durch Belege (Abschlüsse, Auszeichnungen, Beförderungen) etc. zu untermauern oder würdest du frei von den Herausforderungen erzählen, die du in deinem Leben gemeistert hast?
Wie du deine Antwort formulierst, zeigt, welches Mindset du hast. Menschen mit einem “Fixed Mindset“ weisen eher auf möglichst objektive “Beweise“ ihrer Fähigkeiten hin, wie zum Beispiel Abschlüsse, Auszeichnungen oder Beförderungen. Menschen mit einem “Growth Mindset“ erzählen eher Geschichten. Sie berichten von Herausforderungen, die sie gemeistert haben.
Frage 2: Wie hast du diese Erfolge erreicht?
Nimm dir auch für diese Frage einige Minuten Zeit und mach dir Notizen.
Liegt für dich der Ursprung eines Erfolgs in Dingen, die du besonders gut kannst, wie zum Beispiel Menschen von einem Produkt oder einer Idee zu überzeugen, oder ist für dich der Weg das Ziel – besonders, wenn du Herausforderungen oder Probleme, die sich dir in den Weg gestellt haben, lösen konntest?
Menschen mit einem “Fixed Mindset“ nennen eher vorhandene Fähigkeiten und Kompetenzen. Erfolg ist für sie ein Beweis derselben. Für Menschen mit einem “Growth Mindset“ hingegen liegt der Erfolg in ihrer Entwicklung beim Lösen des Problems oder Erreichen des Ziels.
Und: Wie lautet deine Antwort auf die beiden Fragen? Es kann sein, dass sie nicht so eindeutig ausfällt wie oben beschrieben. Das liegt daran, dass “Fixed Mindset“ und “Growth Mindset“ variieren – von sehr ausgeprägt bis zu “von beiden etwas, je nach Situation“.
Wachstum ist erlernbar
Jeder Mensch kann über sich hinauswachsen. Das fand Carol Dweck in ihren Studien heraus, in denen sie den Zusammenhang von persönlicher Einstellung und Erfolg untersuchte. Erfolg und Trainingsaufwand, so stellte sie fest, hängen deutlicher zusammen als Erfolg und Begabung. Das heißt: Menschen, die mehr lernten und mehr übten, zeigten später auch bessere Leistungen. Dies zeigt sich schon in der Schulzeit. Schülerinnen und Schüler können durch harte Arbeit, viel Lernen und durch die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten bemerkenswerte Leistungen hervorbringen.
Die Relevanz für den Job liegt auf der Hand. Wer Fehler fürchtet, bleibt in der sicheren Komfortzone – und hindert sich möglicherweise selbst daran, die nächste Stufe auf der Karriereleiter zu erklimmen. Denn unsere dynamische Arbeitswelt verlangt nach persönlicher Entwicklung. Es kommt nicht darauf an, dass jede Person alles gleich gut kann, sondern viel mehr darauf, sich nicht selbst von vornherein zu limitieren. Wer heute nach der Ausbildung in den Job startet, weiß immer weniger, wohin ihn oder sie die Karriere führt. Ein dynamisches Selbstbild schafft die Voraussetzung für lebenslanges Lernen und die Bereitschaft, sich immer wieder auf Neues einzulassen.
So trainierst du dein Mindset
Welches Mindset du hast, zeigt sich sehr deutlich über die Ausdrucksweise. Darin liegt auch ein wirksamer Hebel. Denn die Art und Weise, wie du über deine Fähigkeiten sprichst, beeinflusst letztlich auch dein Handeln und vor allem auch deinen Erfolg. Wichtig ist das Wort “noch“. Es impliziert, dass sich eine Herausforderung meistern lässt.
Um dein Mindset zu trainieren, kannst du folgende Übung durchführen. Diese kannst du jederzeit und an jedem Ort durchführen – du benötigst lediglich ein Blatt Papier, einen Stift und einen Moment für dich.
- Zeichne zwei Spalten auf ein Blatt. Über die linke Spalte schreibst du “Ich kann schon gut“, über der rechten steht “Ich kann noch nicht ...“.
- linke Spalte: Notiere fünf Dinge, die du gut kannst (“Ich kann gut ...“)
- rechte Spalte: Notiere fünf Dinge, die du nicht gut kannst (“Ich kann nicht…“)
- Betrachte erst die Ich-kann-Spalte: Seit wann machst du das schon? Seit wann kannst du es gut? Wieviel Übung hat das “gut können“ erfordert?
- Betrachte dann die Ich-kann-nicht-Spalte: Was hast du schon versucht, um das zu können – vor allem im Vergleich zu den Fähigkeiten der anderen Spalte?
- Ergänze vor jeder Tätigkeit ein “noch“ nicht. Wie fühlt es sich jetzt an? Was verändert sich, wenn du dir bewusst machst, dass du all das mit genügend Training und Anstrengung lernen könntest?
- Überlege am Schluss, was sich verändert hat, wenn du beide Spalten betrachtest. Vielleicht fallen dir weitere Beispiele ein, was du im Laufe deines Lebens gelernt hast.
Wenn du willst, kannst du diese Übung auch an aufeinanderfolgenden Tagen wiederholen. Nimm jeden Tag einen anderen Lebensbereich (zum Beispiel Arbeit, Beziehung, Familie, Umgang mit sich selbst, Freizeit und Hobbys). Setzt du dich aktiv mit deinen Fähigkeiten auseinander und wirst dir bewusst, dass du auch noch nicht vorhandene Fähigkeiten durch Training erreichen kannst, so kann sich dein Mindset verändern. Denn jeder Mensch kann wachsen – solange er oder sie sich dem bewusst ist und sich damit auseinandersetzt.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Üben und Wachsen!