Hochbegabung: Leben als Hochbegabter – Fluch oder Segen?
- Catalina Schröder
Auch wenn Hochbegabte durch ihr Talent häufig Vorteile haben, sprechen viele von ihnen ungern darüber. Denn oft begegnen ihnen andere dann mit Neid oder Missgunst. Dabei entsprechen viele von ihnen gar nicht dem gängigen Streber-Klischee. Ein Interview.
Ein hochbegabter e-fellow, der anonym bleiben möchte, hat im Sommer sein Abitur gemacht und danach begonnen, an der WHU in Vallendar zu studieren. Vor etwa einem Jahr hat er durch den Hochbegabtenverein Mensa e.V. die offizielle Bestätigung für seine Hochbegabung bekommen.
Was bedeutet Hochbegabung für dich?
Darüber, was man allgemein unter Hochbegabung versteht, habe ich mir noch nie richtig Gedanken gemacht. Für mich persönlich heißt Hochbegabung, dass ich schnell schalten kann, Informationen miteinander verbinde und Bezüge erkenne.
Wann hast du gemerkt, dass du hochbegabt bist?
In der Schule ist mir immer alles ziemlich leicht gefallen. Ich habe mich oft gelangweilt und hatte schon länger das Gefühl, dass bei mir irgendetwas anders ist. Allerdings habe ich gedacht, dass man gute Noten vielleicht auch mit einem netten Lächeln bekommt. Durch Zufall bin ich dann auf Mensa e.V. gestoßen und habe vor etwa einem Jahr im Internet den Probe-IQ-Test gemacht. Dabei kam raus, dass ich gute Chancen hätte, den "echten" Test zu bestehen.
Was für ein Gefühl hattest du, als du den Test gemacht hast?
Ehrlich gesagt hatte ich ziemlich viel Angst vor dem Ergebnis, denn versagen wollte ich schließlich auch nicht. Aber im Endeffekt hat es dann gut geklappt.
Hast du durch die Hochbegabung Vor- oder Nachteile?
Im Großen und Ganzen denke ich, dass ich von der Hochbegabung profitiere, da mir viele Dinge leichter fallen als anderen. Als Nachteil empfinde ich manchmal meine geringe Entscheidungsfreude, weil ich dazu neige, immer alle möglichen Alternativen genau abzuwägen. Insgesamt überwiegen aber die Vorteile.
Wie ist deiner Ansicht nach das Bild von Hochbegabten in unserer Gesellschaft?
Ich habe das Gefühl, dass die meisten Menschen mit Hochbegabung etwas Negatives verbinden. Persönlich schäme ich mich überhaupt nicht dafür, hochbegabt zu sein und versuche auch, aus dem Klischee auszubrechen. Denn ein Streber, der sich am Liebsten im stillen Kämmerlein mit theoretischen Dingen beschäftigt, bin ich bestimmt nicht. Im Gegenteil: Ich mache immer viele Sachen gleichzeitig und war beispielsweise stellvertretender Stufensprecher, hatte eine Patenklasse und habe Mathenachhilfe gegeben. Hausaufgaben habe ich in der Schule meist nicht so wichtig genommen.
Wie reagieren Leute, wenn du sagst, dass du hochbegabt bist?
Eigentlich spreche ich gar nicht darüber. Meine Eltern, meine Freundin und ein guter Freund, der ebenfalls hochbegabt ist, wissen davon. Sonst ist das aber kein Thema für mich, ich würde es niemandem auf die Nase binden.
Wirst du auf Grund deiner Hochbegabung gefördert?
Über das "Begabtenförderprogramm Wirtschaft" der Claussen-Simon-Stiftung habe ich während der 11. Klasse ein Semester Mathe studiert. Das war mir allerdings zu trocken. Parallel zum Abitur habe ich dann International Management studiert, was mir wesentlich mehr Spaß gemacht hat. Zusätzlich habe ich bei "Jugend Aktiv e.V." an Rhetorik-Seminaren und Coaching-Programmen teilgenommen, das mir bei der Wahl meines Studiums sehr geholfen hat. Meine Schule hat mich jetzt für die Studienstiftung des Deutschen Volkes vorgeschlagen.
Denkst du, dass Hochbegabte in Deutschland ausreichend gefördert werden?
Meiner Meinung nach gibt es auf jeden Fall genügend Angebote. Wer gefördert werden möchte oder sich engagieren will, der findet auch etwas. Das setzt natürlich Eigeninitiative voraus.
Wie profitierst du beispielsweise von der Mitgliedschaft bei Mensa?
An Mensa gefällt mir, dass ich dort andere Hochbegabte treffen und mich einfach mit ihnen unterhalten kann. An den Stammtischen nehme ich leider viel zu selten teil. Die Hochbegabung an sich ist für uns gar kein Thema, aber ich habe einfach das Gefühl, mit den anderen Mensa-Mitgliedern auf einer Wellenlänge zu sein, und das ist sehr schön.
Seit ein paar Wochen studierst du an der WHU Vallendar. Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Nachdem ich in meinen letzten Sommerferien zwei Praktika in Frankfurt am Main und London gemacht habe, konzentriere ich mich momentan voll auf mein Studium. Besonders gefällt mir dabei das breite Sprachenangebot an der WHU. Seit zwei Monaten lerne ich jetzt Spanisch und möchte auch im nächsten Sommer ein Praktikum in Spanien machen. Was ich nach dem Studium mache, weiß ich aber noch nicht genau. Diesbezüglich möchte ich mich noch ein wenig durch zukünftige Praktika inspirieren lassen. Andererseits könnte ich mir auch vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen – dafür fehlt mir nur noch die zündende Idee. Spannend fände ich es auch, als Dozent an der Uni zu arbeiten. Wer weiß, vielleicht probiere ich auch einfach mal alle drei Sachen aus.