Lerchen und Nachteulen: Im Uhrzeigersinn

Autor*innen
Dominik Reintjes
Frau erhebt den Finger, als ob sie eine Idee hat. An Stelle des Kopfes befinden sich vergrößerte frei gestellte Augen und Mund. Der Mund ist lächelnd aufgerissen, die Augen weit.

Zu welcher Tageszeit jemand besonders leistungsfähig ist, liegt in den Genen. Wollen Vorgesetzte mehr aus ihren Teams herausholen, sollten sie den Arbeitsalltag im Büro also besser takten.

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Als Student lief Stefan Volk erst am späten Abend zu Höchstform auf. Bis tief in die Nacht büffelte er für Prüfungen. Wenn andere schliefen, konnte er sich mathematische Formeln am besten einprägen. Und sollte am nächsten Morgen doch wieder funktionieren. Müde schleppte er sich in den Hörsaal der Humboldt-Universität in Berlin. "Wenn die Prüfung um acht Uhr morgens begann, war meine innere Uhr noch auf Schlaf eingestellt", sagt Volk.

Jeder Mensch wird von einer inneren Uhr gesteuert. Sie entscheidet darüber, wann wir einschlafen, wann wir ohne Wecker aufwachen würden – und wann wir am meisten leisten können. Für die Erkenntnis, dass unsere Gene den Takt der inneren Uhr vorgeben, erhielten drei US-Forscher vor fünf Jahren den Nobelpreis für Medizin. So weit hat es Stefan Volk noch nicht gebracht. Doch das Studium hat er trotz Müdigkeit gepackt. Und einen Doktor in Management gemacht. Er ist überzeugt: Das Wissen über die innere Uhr ist für Führungskräfte von enormer Bedeutung. An der Universität in Sydney untersucht Volk inzwischen, welche Rhythmen über Tatendrang und Antriebslosigkeit entscheiden. "Wenn Menschen im Einklang mit ihrer inneren Uhr arbeiten, sind sie effizienter, zufriedener und gesünder", sagt er.

Fluglinien und Kliniken nutzen die Erkenntnisse von Chronobiologen bereits, um Fehler im Operationssaal oder im Cockpit zu verhindern. In den meisten Büros aber gilt noch immer: Morgenstund hat Gold im Mund. Und zwar für alle. So werden wichtige Termine in die frühen Stunden des Tages gelegt. Gut für die Morgenmenschen, die sogenannten Lerchen. Schlecht für Abendtypen, die Eulen. Sie seien dadurch "demotiviert, unkonzentriert und überfordert", sagt Volk – und rät Führungskräften deshalb, die Lerchen und Eulen im Team auszumachen und ihren Bedürfnissen entgegenzukommen.

Jeder Mensch hat am Tag "einen Peak", wie Volk es ausdrückt. Einen Moment, in dem er auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit ist. Das ist die Zeit für komplizierte oder kreative Aufgaben. Eine Operation. Start oder Landung eines Flugs. Ein Strategiemeeting. "Der Zeitpunkt dieses Peaks ist höchst individuell und verschiebt sich mit dem Lebensalter", sagt Volk. Für Morgentypen seien die ersten Arbeitsstunden die besten des Tages. "Da sollten sie nicht einen Berg an E-Mails abarbeiten", sagt der Experte. Für Abendtypen kann Routinearbeit zu Tagesbeginn jedoch sinnvoll sein.

Um Arbeit optimal zu verteilen, im Team wie über den Tag, müssen Führungskräfte wissen, wer wie tickt. Dazu können sie einen Fragebogen nutzen, den der Chronobiologe Till Roenneberg an der Ludwig-Maximilians-Universität in München entwickelt hat: Wann gehen Sie ins Bett? Wachen Sie vor dem Wecker auf? Und wann arbeiten Sie? Solche Fragen stellt Roenneberg, der parallel zur akademischen Karriere die Beratungsfirma Chronsulting gegründet hat. Inzwischen ermittelt er bei seinen Kunden auch schon mal per Smartwatch die zirkadianen Rhythmen der Mitarbeiter. Gemeinsam mit dem Management sortiert er dann die Arbeitszeiten um.

Mehr Schlaf, weniger Fehltage 

Noch, sagt Roenneberg, sind vor allem große Beratungen zu solchen Schritten bereit. Doch relevant seien sie auch anderswo. Bei Thyssenkrupp ermittelte Roenneberg in einem Versuch die Chronotypen von gut 100 Schichtarbeitern und teilte die Lerchen in die Frühschicht, die Eulen in die Spätschicht ein. Die Mitarbeiter schliefen so eine Stunde länger pro Nacht. Pauschale Arbeitszeiten anzuordnen, das sei so, wie der Belegschaft Einheitskleidung vor die Füße zu werfen, sagt Roenneberg. "Manchen werden die Schuhe passen, aber eben nicht allen." So sei es auch im Büro mit dem Nine-to-Five-Tag.

In der idealen Arbeitswelt, wie sie Roenneberg vorschwebt, verteilen Führungskräfte nur Aufgaben samt Abgabefrist. Jeder entscheidet selbst, wann er diese erledigt. Vor allem, darauf legt der Chronobiologe sehr viel Wert, "sollte ein Unternehmen seinen Angestellten vorschreiben, ohne Wecker aufzustehen". Auch aus Eigeninteresse. Um niemanden für Arbeitsstunden zu bezahlen, in denen er noch gar nicht leistungsfähig ist. Außerdem begünstigt Schlafmangel Bluthochdruck oder Schlaganfälle – und steigert so den Krankenstand im Unternehmen. „Die Führung nach der inneren Uhr ist eigentlich ein zutiefst kapitalistisches Interesse“, sagt Roenneberg.

Und doch scheitert sie oft an alltäglichen Zwängen: an verpflichtenden Meetings, Kernarbeitszeiten, Rufbereitschaft. Stefan Volk rät deshalb zu Pragmatismus: Die meisten Menschen haben ihr Leistungshoch zwischen 10 und 15 Uhr. Diese Zeit sollten Unternehmen an einem Achtstundentag zur Kernarbeitszeit machen. "Die Morgentypen arbeiten dann irgendwann vor 10 Uhr die drei restlichen Stunden ab, die Abendtypen irgendwann nach 15 Uhr."

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