Psychotherapie: So kommst du an einen Therapieplatz
- Julian Gebhard
Wer an Ängsten oder Depressionen leidet, wartet oft monatelang auf eine Psychotherapie. Gerade seit der Pandemie ist die Nachfrage besonders hoch, doch es gibt schlichtweg zu wenig Therapieplätze. Wir geben Tipps, wie du trotzdem fündig wirst.
Wichtige Anlaufstellen
Solltest du dich aktuell in einer Lebenskrise befinden und Hilfe benötigen, wende dich bitte an folgende Telefonnummern:
- Info-Telefon Depression: 0800-3344-533
- Nummer gegen Kummer: 116111
- Telefon-Seelsorge: 0800-1110111
- In Notfällen: 112
Lange Wartezeiten – aber wieso?
Laut dem WDR warten Betroffene in Deutschland im Schnitt fünf Monate auf einen Therapieplatz – je nach Bundesland sogar noch länger. Doch woher kommen diese langen Wartezeiten?
Die Anzahl an ausgebildeten Psychotherapeut:innen in Deutschland steigt – denn immer mehr junge Menschen interessieren sich für Psychologie und wollen dem beruflich nachgehen. Um eine Psychotherapie über die gesetzliche Krankenkasse abrechnen zu können, brauchen Behandelnde einen sogenannten “Kassensitz“, den der gemeinsame Bundesausschuss bestimmt – also eine Zulassung, um vertragsärztlich tätig zu werden. Diese Kassensitze wurden 1999 festgelegt und seitdem nicht angepasst – was den gegenwärtigen Mangel an Therapieplätzen erklärt. Denn die Anzahl an Personen, die behandelt werden müssten, steigt stetig.
Wer übernimmt die Kosten für eine Psychotherapie?
Eine Therapie ist teuer. Wenn du in Deutschland gesetzlich krankenversichert bist, übernimmt aber deine Krankenkasse die Kosten für eine ambulante Psychotherapie – wenn sie medizinisch notwendig ist.
Je nach Krankenkasse hast du vor dem Beginn deiner Psychotherapie eine gewisse Anzahl an probatorischen Sitzungen. Diese dienen dazu, die Behandlungsmethoden zu besprechen sowie alles Administrative zu klären. In diesen Sitzungen besprichst du mit deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten unter anderem auch die Übernahme der Kosten. Nach den probatorischen Sitzungen stellt dein Therapeut oder deine Therapeutin den Antrag auf Psychotherapie direkt bei der Krankenkasse – du musst dich also nicht mit den bürokratischen Hürden auseinandersetzen. Sobald die Psychotherapie von der Krankenkasse genehmigt wurde, startet auch die Behandlung.
Nach den probatorischen Sitzungen fordert dein Therapeut oder deine Therapeutin einen sogenannten Konsiliarbericht an. Dieser ist auch für die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse relevant. Der Bericht ist von deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin auszufüllen und dient dazu, körperliche Ursachen deiner Beschwerden auszuschließen und die Notwendigkeit für eine Psychotherapie zu bestätigen.
5 Wege zur Psychotherapie
Dein Hausarzt oder deine Hausärztin
Deine erste Anlaufstelle bei psychischen Problemen oder Krisen sollte deine Hausarztpraxis sein – denn dein Hausarzt oder deine Hausärztin kennt dich bereits und kann dich über passende Therapiemöglichkeiten informieren. Im besten Fall stellt er oder sie dir bereits eine Überweisung für eine Psychotherapie aus – oder stellt dir eine Kontaktliste an Therapeut:innen und Praxen zusammen, an die du dich wenden kannst.
Deine Krankenkasse
Auch die Krankenkasse kann dich bei der Suche nach einem Therapieplatz unterstützen. Einige Krankenkassen haben Service-Hotlines oder Vermittlungsdienste, die dich individuell beraten – zum Beispiel zur Übernahme der Kosten – und dir helfen, eine:n geeignete:n Therapeut:in in der Nähe zu finden. Krankenkassen haben auch oft Listen von Psychotherapeut:innen, mit denen sie zusammenarbeiten. Diese kannst du entsprechend anfordern.
Kassenärztliche Vereinigungen
Jedes Bundesland verfügt über eine Kassenärztliche Vereinigung, die sich um die Organisation der ambulanten medizinischen Versorgung im jeweiligen Bundesland kümmert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass jede:r die medizinische Versorgung bekommt, die er oder sie benötigt. Auf den Webseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen kannst du nach Psychotherapeut:innen in deiner Nähe suchen und bekommst direkt eine Liste mit Kontaktdaten ausgespielt.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Online-Plattformen, die sich darauf spezialisiert haben, dich bei der Suche nach einem Therapieplatz zu unterstützen – zum Beispiel therapie.de und Psychotherapeutensuche.de.
Ausbildungsinstitute für Psychotherapie
In Ausbildungsambulanzen wird die Psychotherapie von studierten Psycholog:innen übernommen, die gerade eine staatlich anerkannte Ausbildung oder Zusatzausbildung für Psychotherapie absolvieren.
Doch keine Sorge: Du wirst exzellent betreut. Nach einem Erstgespräch mit einer oder einem erfahrenen und ausgebildeten Psychotherapeuten wird entschieden, ob du für eine Therapie in der Ausbildungsambulanz geeignet bist. Wenn ja, wirst du an eine Person in Ausbildung vermittelt, die gut zu deinen Bedürfnissen passt. Natürlich kannst auch du Anforderungen an diese Person stellen, zum Beispiel welches Geschlecht die behandelnde Person haben soll.
Privatpraxen
Wenn du bereit bist, die Kosten für eine Psychotherapie selbst zu tragen, oder eine private Krankenversicherung hast, könnten Privatpraxen eine Option sein. Die Wartezeiten sind in der Regel kürzer als in öffentlichen Einrichtungen. Die Kosten variieren: Laut Finanzen.de werden für eine Einzelsitzung circa 100 Euro fällig.
Und jetzt heißt es: Ran ans Telefon und die Hoffnung nicht verlieren! Viele Psychotherapeut:innen werden dich vermutlich mit sehr langen Wartezeiten konfrontieren. Es ist wichtig, hartnäckig zu sein und mehrere Optionen zu erkunden. Die Verfügbarkeit von Therapieplätzen kann stark variieren, daher kann es einige Zeit dauern, bis du eine geeignete Praxis findest.
Achtung: Psychotherapie ist kein Allheilmittel
Eine Psychotherapie ist deine erste Anlaufstelle, wenn du professionelle Hilfe bei psychischen Problemen oder Krisen suchst. Doch Therapien sind kein Allheilmittel – und wirken bei jeder Person unterschiedlich.