Freiwilligenarbeit in Paraguay: Fahr raus in die Welt und triff dich selbst

Autor*innen
Jan-Willem Prügel
Zwei Hände halten einen Berg in ihren Händen

Eine Auszeit, in der man zu sich selbst findet und gleichzeitig anderen hilft. Wer sich für einen Freiwilligendienst im Ausland entscheidet, wird nicht selten ins kalte Wasser geworfen und mit einer Welt konfrontiert, die so ganz anders ist, als die gewohnte Umgebung. e-fellow Jan-Willem war mit dem American Field Service (AFS) in Paraguay. Zwei staatlich geförderte Programmoptionen – inklusive Bewerbungsprozess – stellt er hier vor.

Feierabend. Ein kleiner Bus, 50 Passagiere. Alles schwitzt, seufzt und wartet sehnlichst auf eine kühle Dusche, die bei knapp 40 Grad im Schatten auch bitter nötig ist. Mitten drin ein junger Deutscher, den es aus lauter Abenteuerlust in die Ferne verschlagen hat. Er freut sich auf einen eiskalten Kräutertee, der im Kuhhorn serviert und mit einem Metallstrohhalm getrunken wird. Wir befinden uns im südamerikanischen Paraguay, genauer gesagt in der Hauptstadt Asunción, wo ich in einem vom Bund geförderten Programm als Entwicklungshelfer auf Zeit arbeite.

e-fellow Jan-Willem Prügel (24) studiert im vierten Semester Jura an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. 2009/10 war er mit dem American Field Service (AFS) im Rahmen des weltwärts-Programms in Paraguay und hat dort für eine NGO gearbeitet. Seit 2010 leitet er selbst Seminare für Ausreisende und Rückkehrer:innen.

So lautete die Einleitung meines Abschlussberichts über meine Zeit in Paraguay. Es was ein sehr ungewöhnlicher und unvergesslicher Abschnitt meines Lebens. Wie kaum ein anderes Programm gibt ein Freiwilligendienst im Ausland Anlass, sich neuen Chancen und Veränderungen zu öffnen. Ein Freiwilligendienst verbindet Zeit für sich selbst mit der Unterstützung anderer, die dringend Hilfe benötigen. Menschen, die es nicht immer leicht haben und nur selten Zugang zu höherer Bildung bekommen. Menschen, die nichts wissen vom Alltag hier in Deutschland. Von Sozialversicherung oder Kündigungsschutz. Von Überstundenvergütung oder Arbeitslosenhilfe. Es ist derselbe Planet, aber zugleich wie eine andere Welt. Wer sich für einen Freiwilligendienst entscheidet, öffnet sich ein Tor dorthin. Was es dort zu sehen gibt, lernt man nicht in Büchern oder im Internet. Zugleich lernt man auch sich selbst besser kennen, stößt an seine Grenzen und wird gezwungen, sie zu überwinden. Immer wieder bin ich fasziniert von den Fortschritten, die Menschen während ihres Jahres machen. Die charakterliche Reifung ist sehr intensiv, soziale Verantwortung wird für die Freiwilligen zu mehr als einer abgedroschenen Phrase – sie leben und erleben sie. 

Wir aber geht man den ersten Schritt? Auf zwei Programme, die die Suchenden auf den Weg bringen, möchte ich hier ganz besonders hinweisen. 

Weltwärts

Weltwärts ist der internationale Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und wird zu 75 Prozent gefördert. Grundsätzlich kann teilnehmen, wer zwischen 18 und 28 Jahren alt ist, mindestens einen Hauptschulabschluss plus Berufsausbildung oder eine (Fach-)Hochschulreife vorweisen kann und zudem deutsche:r Staatsbürger:in ist. Die Entsendung verläuft nicht direkt über den Bund, sondern durch ausgewählte kirchliche und weltliche Trägerorganisationen. Nach Aufnahme in eine solche Organisation steht meist ein Vorbereitungsprogramm an, woran sich weitere Seminare im Ausland und nach der Rückkehr anschließen – insgesamt etwa vier Wochen. Entsandt wird grundsätzlich nur in Entwicklungsländer für einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten. Die meisten Träger fördern rund ein Jahr und bieten häufig Tätigkeiten an Schulen, etwa als Lehrerassistenz, oder bei NGOs. Untergebracht wird man vielerorts in einer Gastfamilie, was die persönliche Bindung zum Gastland noch intensiver werden lässt.

Internationaler Jugendfreiwilligendienst (IJFD)

Die Struktur ist vergleichbar mit der des weltwärts-Projekts, allerdings gibt es ein paar Unterschiede: Förderer ist nicht das BMZ, sondern das Familienministerium. Teilnahmeberechtigt ist jeder ab 18 bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, unabhängig von der schulischen Laufbahn. Entsandt werden kann prinzipiell in jedes Land der Erde, das entsprechende Stellen anbietet. Viele Träger versenden aus Sicherheitsgründen aber nicht in besonders betroffene Krisenregionen. Auch der Eigenanteil – zu decken durch Spendensammlung – ist etwas höher.

Beide Programme übernehmen anteilig die Kosten für Transport, Unterbringung, Taschengeld und Versicherung. Die Freiwilligen haben Anspruch auf die örtlich übliche Anzahl an Jahresurlaubstagen, meist um die 25, sowie ein angemessenes Taschengeld. Beim IJFD werden Impfkosten nicht übernommen. Ausdrücklich erwünscht sind Eigenbeteiligungen in Form von Spenden, die durch Fundraising gesammelt werden. Andernfalls müssten die Entsendeorganisationen den Rest aus eigener Tasche übernehmen, was langfristig zur Einstellung der Programme führen würde.

Die Qual der Wahl

Natürlich gibt es eine große Zahl an Trägerorganisationen und es ist nicht immer leicht, diejenige zu finden, die am besten zu einem passt. Einige bevorzugen einen rein entwicklungspolitischen Ansatz, während für andere eine christliche Orientierung unerlässlich ist. Oft ist es aber auch einfach eine Frage der Verfügbarkeit. Schließlich gibt es jedes Jahr weitaus mehr Bewerber:innen als Plätze.

Auch bei mir hat es mehrere, teils recht frustrierende Anläufe gebraucht bis ich endlich ein Angebot hatte, das ich sogleich dankend annahm. Ich ging nach Paraguay, um dort bei einer gemeinnützigen Nichtregierungsorganisation (NGO) den Umweltschutz und die dortige Gemeindeentwicklung zu unterstützen. Noch heute bin ich meiner Trägerorganisation American Field Service (AFS) dankbar für die professionelle Unterstützung, die ich erhalten habe. Als älteste internationale Austauschorganisation hat sie neben einem hervorragenden Ruf vor allem auch viele wertvolle Kontakte zu Behörden, Arbeitgeber:innen und Politiker:innen in aller Welt.

Ich fühlte mich stets gut betreut und wusste, dass ein kompetenter Sachbearbeiter nur einen Anruf entfernt ist – auch an Feiertagen. Der Freiwilligendienst hat einen großen Teil zu meiner Persönlichkeitsentwicklung beigetragen und die Menschen, die ich währenddessen kennengelernt habe, sind zu einer Art erweiterten Großfamilie geworden. Auch die über 40.000 Mitglieder starke Facebook-Gruppe ist optimal, wenn man mal einen Schlafplatz für ein paar Tage braucht und gleichzeitig ein paar tolle Menschen kennenlernen will. Aus diesen Gründen habe ich mich entschlossen, etwas zurückzugeben. Daher leite ich seit 2010 ehrenamtlich Seminare für Ausreisende, Rückkehrer:innen und wähle Bewerber:innen aus. 

Das Bewerbungsverfahren

Der Bewerbungsablauf bei AFS, aber auch einigen anderen Organisationen, läuft stets nach einem bestimmten Muster ab: Zunächst füllst du eine Online-Bewerbung aus, auf deren Basis eine Vorauswahl erfolgt. Diese ist allerdings nur auf Fakten wie Alter oder Staatsangehörigkeit beschränkt. Danach kommt - im Fall eines positiven Votums – die Einladung zu einem Auswahlseminar in deiner Nähe. Dort werden an zwei Tagen verschiedene Aktivitäten durchgeführt, bei denen du in Bezug auf Teamfähigkeit, Rücksichtnahme und Motivation begutachtet wirst.

Es lohnt sich also, möglichst aktiv an den Gruppenaktivitäten teilzunehmen, freundlich zu sein und vor allem andere nicht auszugrenzen. Schulische Leistungen sind dagegen irrelevant. Teil der Auswahl ist auch ein kurzes Interview, das zusammen mit einem oder einer anderen Bewerber:in und zwei Prüfer:innen durchgeführt wird. Ihr solltet euch unter anderem vorher genau überlegen, warum gerade ihr für ein bestimmtes Land oder einen Kulturkreis geeignet seid und wie ihr euch in Stress-Situationen verhalten würdet. Wichtig ist vor allem, ruhig zu bleiben und auch "gemeine" Fragen freundlich und selbstsicher zu kontern. Schließlich müsst ihr vor Ort ja auch selbstbewusst agieren können. Wenn man ehrenamtliches Engagement vorweisen kann, schadet das sicher auch nicht.

Es gibt ein internes Bewertungssystem, das vereinfacht in "abgelehnt", "Warteliste" und "angenommen" aufgeteilt werden kann. Auf meiner letzten Auswahl haben wir einige direkt angenommen und den Rest auf Wartelisten gesetzt, von denen immer noch einige ein Freiwilligendienst bei uns erwartet. Direkt abgelehnt wurde dieses Mal niemand. Parallelbewerbungen bei anderen Trägern sind aber trotzdem immer eine gute Idee.

Ich persönlich habe ein paar meiner engsten Freunde durch AFS gefunden, weil nur diejenigen, die dieses Wagnis ebenfalls auf sich genommen und gemeistert haben, verstehen können, was man durchgemacht hat und was einem in einem vorgeht. Man mag durch den Freiwilligendienst faktisch ein Jahr "verlieren", aber gewinnt für das Leben. Ich profitiere jeden Tag davon – und das kann mir niemand mehr nehmen.

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