Au-pair in Australien: "Ich und Kinder? Niemals!"

Autor*innen
Julia Jung
Eine Kind und eine erwachsene Frau high-fiven. Über den Kopf des Kindes schweben verworrene Linien, die übergehen in einen geordneten Wollknäuel über dem Kopf der Frau.

Schule aus – was nun? Für e-fellow Julia war klar: Erst mal Auszeit. Kein Lernen, kein Zeitdruck. Also entschied sie sich, für ein halbes Jahr als Au-pair in Australien zu arbeiten. Hier schreibt sie über ihre Erfahrungen, an was man als künftige Nanny alles denken muss und warum sie Kinder eigentlich gar nicht mag.

e-fellow Julia kommt aus Tübingen und verbrachte zwischen Abitur und Jurastudium ein Auslandsjahr in Australien und Neuseeland.

Julias Au-pair-Erfahrungen

Die Entscheidung, als Au-pair ins Ausland zu gehen, traf ich relativ spontan. Es war die einfachste Möglichkeit, in einem fremden Land für längere Zeit zu leben ohne monatelange Vorbereitungszeit. Doch was muss man bei der Planung beachten?

Die Bewerbung

Erst einmal muss eine Gastfamilie her. Von einer Freundin bekam ich den Tipp, über das Internet zu suchen. Dort wurde ich auch schnell fündig. Auf Seiten wie AuPairWorld kann man sich kostenlos anmelden und ein Profil über sich mit Bild, Hobbys, Erfahrungen und Co. erstellen. Per Suchmaschine findet man dann Gastfamilien, die zu einem passen könnten. Ich nahm mit einigen Kontakt auf und hatte am Ende über 30 Zusagen. Das System ist einfach und man findet Au-pair-Stellen für nur einen Monat oder auch für ein ganzes Jahr.

Unabhängig oder auf Nummer sicher?

Eine andere Möglichkeit wäre eine Agentur gewesen. Mit solchen Au-pair-Organisationen kann man auf Nummer Sicher gehen und hat eine persönliche Betreuung vor Ort. Ich habe mich dagegen entschieden, auch weil Gebühren bis zu 600 Euro fällig werden und man immer nur eine Familie vorgeschlagen bekommt. Diese muss man erst ablehnen, bevor man den nächsten Vorschlag sieht. Ein großer Vorteil ist allerdings, dass man am Ende ein offizielles Zertifikat bekommt.

Wenn schon weg, dann weit weg

Am Anfang war ich noch unschlüssig, wo ich das nächste halbe Jahr verbringen wollte. Daher bewarb ich mich bei Familien in Frankreich, Spanien, Finnland oder auch Italien. Die Wahl fiel dann aber auf Australien: wenn schon weg, dann weit weg. Mit dem Gedanken, nur ein paar Stunden von daheim entfernt zu sein, wollte ich mich nicht abfinden.

Welche Familie passt zu mir?

Dann stellte sich natürlich die Frage nach der Familie und den Kindern selbst. Will ich Babys betreuen und Windeln wechseln? Oder will ich Schulkinder, die nur ein paar Stunden morgens und abends versorgt werden müssen? Wie viele Kinder traue ich mir eigentlich zu? Wie viel Freizeit brauche ich? Im Endeffekt entscheidet das Bauchgefühl. Man merkt recht schnell beim Telefon- oder Skypegespräch, ob die Familie zu einem passt oder nicht. Trotzdem schadet es nicht, sich im Voraus Gedanken zu machen und vor allem viele Fragen zu stellen. Immer den konkreten Tagesablauf, Arbeitszeiten und die erwartete Arbeit im Haushalt erfragen.

Ab ins Ungewisse

Nachdem alles geklärt war, ging es schließlich am 17. August mit dem Flieger nach Melbourne, Australien. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt. Ist die Familie nett? Werden sie auch wirklich am Flughafen sein? Wie sind die Kinder, komme ich mit allem zurecht? Ich konnte kaum glauben, dass man mir, 19 Jahre alt, gerade aus der Schule gekommen, keinen blassen Schimmer von Kids, wirklich seinen Nachwuchs anvertrauen wollte. Endlich angekommen, erwarteten mich drei kleine Grinsebacken: Die vierjährigen Zwillinge Hugo und Thomas und ihre Schwester Sophia, sieben Jahre alt. Mir war sofort klar, dass ich mir nicht die einfachste Familie ausgesucht hatte, aber die Eltern waren schon mal nett und ich war offensichtlich in keiner "Freakfamilie" gelandet.

Von Badüberflutungen und Liebesschwüren

Dennoch hatte ich in der ersten Zeit große Zweifel, ob meine Entscheidung richtig war. Lohnt es sich wirklich, ein halbes Jahr lang Nanny zu spielen? Hätte ich nicht lieber doch mit dem Studium anfangen sollen? Um es vorweg zu nehmen: Ja, es war die richtige Entscheidung. Aber es dauerte eine Weile, bis mir das klar wurde. Der Alltag als Au-pair kann recht monoton werden, ganz zu schweigen von aufsässigen Vierjährigen. Ich hatte zwar mit anstrengenden Kindern gerechnet, aber nicht mit diesen Zwillingen. Die Jungs waren schwer zu bändigen, schon morgens ging das Geschrei und Gerangel los. Da wurde regelmäßig das Bad überflutet, Spielzeuge zerstört, Zimmer verwüstet und natürlich gezofft bis zum Umfallen. Über die meisten Aktionen kann ich heute nur noch lachen. Die Kleinen hatten aber auch ihre liebenswürdigen Momente. Wenn der kleine Knirps zum Abschied "I love you" aus dem Klassenzimmer ruft oder abends noch eine Kuschelrunde verlangt, öffnet sich natürlich jedes Nanny-Herz.

Was macht man den ganzen Tag als Au-pair?

Ich war auf jeden Fall immer auf Trab, da blieb wenigstens keine Zeit für Heimweh. Ich arbeitete von morgens sieben Uhr bis abends, je nachdem, wann die Eltern heimkamen. Insgesamt kam ich dabei auf 30 bis 35 Stunden pro Woche und bekam 200 Dollar (125 Euro) Taschengeld in der Woche. Meine Aufgaben bestanden darin, morgens Schulbrote zu schmieren, die Kids zur Schule beziehungsweise in den Kindergarten zu bringen, wieder abzuholen und danach zu beaufsichtigen. Hausarbeit wie Wäsche waschen, saugen, aufräumen und für die Kinder kochen gehörte auch dazu. Freizeit hatte ich immer zwischen drei und vier Stunden am Tag, abends und am Wochenende. Diese freie Zeit verbrachte ich meistens in meiner neuen Lieblingsstadt: Melbourne. Schon seit meiner ersten Sightseeingtour hat mich die Metropole fasziniert. Ich hatte mir die perfekte Stadt zum Leben ausgesucht. Über Facebook fand ich schnell weitere "Leidensgenossinnen" und traf mich mit anderen Au-pairs. Auch den Rest des roten Kontinents wollte ich sehen, also hängte ich nach dem geplanten halben Jahr Au-pair noch weitere vier Monate Reisen dran.

Von der Uni an den Herd

Ich bin das beste Beispiel für jemanden, der eigentlich kein Au-pair werden sollte: Ich mag keine Kinder. Ich finde sie anstrengend, nervig und viel zu laut. Für mich war der Au-pair-Aufenthalt die perfekte Möglichkeit, schnell und einfach in ein anderes Land zu kommen und irgendwie auch ein "Experiment". Wie kann ich mit Kindern umgehen? Welche Tricks gibt es bei der Erziehung? Sprich: Wie manipuliert man die Quälgeister am besten? Deswegen nahm ich die Herausforderung an und tauschte meine Karrierepläne gegen Herd und drei Kids – und die Arbeit hat mir tatsächlich Spaß gemacht. Ich habe mich für die Kinder verantwortlich gefühlt und war ihre Bezugsperson.

Spaß und Verantwortung

Die Arbeit als Au-pair macht Spaß, darf jedoch nicht unterschätzt werden. Nicht nur Spiele stehen auf dem Tagesprogramm, sondern ernstzunehmende Herausforderungen.

Jedem, der sich für eine Stelle bewirbt sollte klar sein, dass der Nanny-Job mit viel Arbeit und Verantwortung verbunden ist.

Und die Erfahrung war es wert ...

Man lernt, einen Familien-Haushalt zu führen, mehr als nur Fertiggerichte zu kochen und Ausflüge kindergerecht bis ins Detail zu planen. Man lernt, wie man drei kleine Kinder im Großstadtgetümmel und in der U-Bahn beieinanderhält, wie man sie tröstet und wann man streng sein muss. Diese Lebenserfahrung kommt normalerweise erst mit den eigenen Kindern – als Au-pair ist man da einen Schritt voraus. Und das gilt nicht nur für weibliche Au-pairs, ich habe einige Jungs getroffen, die sich als männliche Nanny versucht haben und dasselbe sagen: Das Abenteuer Au-pair lohnt sich!

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