Lern-App von e-fellows: Effizienter lernen: So geht's

Autor*innen
Anneke Fuchs
Zwei Hände die ein Buch halten aus dem Buchstaben kommen

In weniger Zeit mehr schaffen – klingt zu schön, um wahr zu sein? Mit der Lern-App Retain klappt's. Sie nutzt die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung und fragt dank KI das Wissen genau zur richtigen Zeit ab. Wie das funktioniert, erfährst du hier. 

Fragst du dich auch häufig, wie du effizienter lernen kannst? Dann geht es dir wie Marco Zeulner, der nie genau wusste, ob er schon genug Wissen verinnerlicht hatte, um die Prüfungen zu bestehen. Aus diesem Grund entwickelte er zusammen mit seinem Zwillingsbruder Tobias und einem früheren Kommilitonen und Freund die Lern-App Retain. Wir haben mit ihm gesprochen. 

Zwei Männer in Hemden, mit kurzen Hosen und weißen Turnschuhen stehen auf dem Gehsteig, hinter ihnen ein Busch. Sie haben die Arme umeinander gelegt.

Die Zwillingsbrüder Tobias (links) und Marco Zeulner (rechts) begeistern sich für Data Science. Marco hat nach dem Realschulabschluss eine dreijährige Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration absolviert und anschließend einige Jahre in seinem Ausbildungsbetrieb weitergearbeitet. Er studierte dual den Bachelor Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Data Science. Die ersten Einblicke in das Thema faszinierten ihn, weshalb er sich dazu entschied, den Master Data Science an der LMU mit Schwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz (KI) zu studieren. Seit Januar 2024 ist er e-fellows.net-Stipendiat.  

Junger Mann in weißem T-Shirt sitzt vor Wasserfällen

Marco und Ilyas Böhm haben sich im Bachelorstudium kennengelernt. Ilyas ist der dritte Kopf hinter der App "Retain". 

Wie entstand die Idee zu eurer App?

Nach vier Jahren Arbeiten war es für mich eine ganz schöne Umstellung, im Bachelor auf einmal ganz viel Theorie lernen zu müssen. Ich habe mich dann gefragt, wie man effizient lernen kann, und bin auf die Anki-App gestoßen. Das ist in Deutschland die bekannteste App, wenn es um das effiziente Lernen mit Karteikarten geht.

Als ich mit der App für meine Prüfungen gelernt habe, sind mir einige Schwachstellen daran aufgefallen: Mich hat gestört, dass ich nicht sehen konnte, wie weit ich in meinem Lernprozess bin. Ich wurde zu keinem Zeitpunkt gefragt, wann meine Prüfung ist und was mein Lernziel ist. So habe ich zwar gelernt, wusste aber nicht, ob ich gerade 70 Prozent geschafft habe oder schon 100 Prozent. Da ich dazu neige, zu viel zu lernen, hat mich das viel Zeit gekostet. Außerdem nutzt Anki einen Standard-Algorithmus, der 2025 schon 40 Jahre alt wird.  

Was findest du daran problematisch?

Der Algorithmus entscheidet anhand von Regeln, wann er dem Nutzer eine bestimmte Karteikarte ausspielt. Das heißt, wenn ich eine Karteikarte konnte, wird mir diese beispielsweise erst nach sieben Tagen wieder gezeigt. Wenn ich eine Karteikarte nicht konnte, wird sie mir beispielsweise schon wieder zehn Minuten später ausgespielt. Das Problem daran ist, dass jemand einmal diese Regeln aufstellt und diese sehr statisch sind und sich nicht an die Nutzer:innen anpassen. 

Unser Gehirn funktioniert aber nicht immer gleich: Wenn ich momentan sehr gestresst bin, kann ich mir Sachen schwerer merken, als wenn ich entspannt bin. Unabhängig davon tun sich manche Menschen grundsätzlich leichter damit, sich Dinge zu merken als andere. Die KI, mit der wir arbeiten, passt sich automatisch an das Lernverhalten jedes einzelnen Nutzers an. Das ist ihr großer Vorteil. 

Euer Algorithmus arbeitet also mithilfe von KI. Wie kann ich mir das vorstellen?

In der Lernwissenschaft hat sich ein Modell etabliert, das zeigt, für welche Zeit sich unser Gehirn Sachen merkt und diese vergisst: die Vergessenskurve von Ebbinghaus. Diese besagt, dass ich in dem Moment, in dem ich eine Wissenseinheit lese, sie in dieser Millisekunde zu 100 Prozent wiedergeben kann. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ich dieses Wissen wiedergeben kann.

Ein Diagramm, auf der x-Achse die Tage von 0 bis 7, auf der y-Achse Prozentzahlen für die Erinnerung

Dieses Modell war lange etabliert. In letzter Zeit haben sich die kritischen Stimmen daran aber gemehrt: Denn das Modell basiert nur auf einer einzigen Komponente, der sogenannten "Memory Strength" und ist deshalb zu vereinfacht, um die Komplexität unseres Erinnerungsvermögens zu beschreiben. Inzwischen hat sich das DSR-Modell von Piotr Wozniak durchgesetzt, welches das Gehirn mit diesen Komponenten modelliert: 

  • Difficulty (D): beschreibt, wie unterschiedlich schwer einzelne Wissenseinheiten sind
  • Stability (S): steht dafür, wie lange eine Wissenseinheit im Gedächtnis bleibt
  • Retrievability (R): definiert, wie einfach eine Wissenseinheit wiedergegeben werden kann

Dieses erweiterte Modell hat ebenso das Ziel, zu modellieren, wie einzelne Personen Wissen aufnehmen und vergessen. Aber es ist viel flexibler und realistischer und kann dadurch viel genauere Vorhersagen machen. Deshalb wird es auch seit einigen Jahren erfolgreich in der Praxis eingesetzt, zum Beispiel von der App "SuperMemo“. 

Wir haben ebendieses Modell für unseren Algorithmus genutzt und es mithilfe von Künstlicher Intelligenz auf den Lernprozess jeder Nutzerin und jeden Nutzers angewandt. So wird für jede einzelne Karteikarte der optimale Zeitpunkt zum erneuten Abfragen auf Basis dieses Models berechnet. Dabei berücksichtigen wir das Prüfungsdatum. Erstellt eine Nutzerin bei uns ein Kartendeck, kann sie angeben, bis wann sie diese beherrschen muss. Außerdem kann sie angeben, wie gut sie diese können will. Wir bieten hier drei Abstufungen an. Denn für eine Multiple-Choice-Klausur muss ich Themen weniger im Detail beherrschen als für die Verteidigung meiner Masterarbeit. 

So können wir personalisierte Lernpläne anbieten und den Nutzer:innen komplett transparent darstellen, wo sie gerade stehen und wie weit sie noch von ihrem Lernziel entfernt sind. Das kann momentan keine andere App auf dem Markt.

Für welche Fächer und für welche Art von Prüfungen eignet sich das Lernen mit der Retain-App?

Perfekt geeignet ist die App, wenn man einfach nur Theorie auswendig lernen muss, die man schnell in der Klausur abrufen können will. Dazu zählen zum Beispiel theoretisches Wissen, Konzepte, Definitionen oder Aufzählungen. Das Gute ist ja, dass man sich schon beim Erstellen der Karteikarten in die Rolle des Professors versetzt und sich damit beschäftigt, welche Fragen er stellen könnte. 

Jetzt könnte man einwenden, dass das Erstellen der Karteikarten viel Zeit in Anspruch nimmt. Was würdest du jemandem raten, der nicht mehr viel Zeit bis zur Prüfung hat, aber dennoch gerne mit eurer App lernen würde?

Ich würde ihm raten, sich mit seinen Kommiliton:innen die Themen zu teilen. Jeder macht ein Kapitel. Ihr könnt die in unserer App ganz einfach miteinander teilen und zu einem Kartendeck zusammenfügen. Wenn man vorher mit Anki gearbeitet hat, kann man seine Karteikarten auch in unsere App importieren. Außerdem arbeiten wir gerade mit Hochdruck daran, dass die Nutzer:innen künftig einfach eine PDF-Datei hochladen können und die KI daraus automatisch Fragen erstellt.  

Ihr versprecht eine Zeitersparnis von 20 Prozent beim Lernen mit eurer App im Vergleich zum Lernen mit der Anki-App. Wie kommt diese Zahl zustande?

Wissenschaftler:innen haben diesen Wert bei einer Gegenüberstellung verschiedener Lern-Algorithmen ermittelt. Mit unserem neuen KI-Ansatz brauchen die Nutzer:innen 20 Prozent weniger Wiederholungen, das heißt 20 Prozent weniger Zeit, um denselben Wissensstand zu erreichen wie mit einem regelbasierten System wie der Anki-App. 

Wo stößt eure App an ihre Grenzen?

Gerade für konzeptionelle Fächer, die man verstehen muss wie Mathe oder Physik, eignet sich unsere App nicht. Ansonsten haben wir noch Optimierungsbedarf bei sehr großen Kartendecks. Wir haben viel mit Mediziner:innen gesprochen, die auf ihr Staatsexamen lernen. Die haben häufig Decks mit mehr als 40.000 Karteikarten. Da wir unsere Berechnungen für jede einzelne Karteikarte machen, kommt hier ganz schön viel Rechenlast zusammen. Aktuell begrenzen wir die Decks auf 20.000 Karteikarten, aber wir arbeiten an einer Lösung. 

Welche Pläne und Visionen habt ihr sonst noch für die Retain-App?

Ich bin der Ansicht: Wir haben gerade erst angefangen. Meine persönliche Vision ist es, noch mehr aus der KI rauszuholen. Das mit den Fragen, die aus PDFs generiert werden, ist eine davon. Sehr gerne würde ich auch noch den Challenge-Gedanken einbauen, sodass Nutzer:innen in Lerngruppen gegenseitig sehen, bei wie viel Prozent sie gerade stehen und sich mit ihren Kommiliton:innen vergleichen können. Das schafft ja dann doch immer so einen Wettbewerbsgedanken und zusätzliche Motivation. 

Motiviert? Leg los!

Du willst dich selbst von der App überzeugen? Dann hol sie dir hier. Mit der kostenlosen Version kannst du Karteikartendecks erstellen und dich abfragen lassen. Für 4,99 Euro pro Monat bekommst du die Vollversion, die sich dank KI-basiertem Algorithmus dir und deinem Lernziel anpasst. Dort kannst du deinen persönlichen Lernplan inklusive gewünschtem Ergebnis erstellen. 

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