Lesetechniken: Lesen leicht gemacht
Die Menge an Informationen, die der Menschheit zur Verfügung steht, wächst unaufhörlich – Schätzungen zufolge verdoppelt sich das Wissen der Welt inzwischen etwa alle zwölf Jahre. Ein Großteil dieser Informationen wird uns in schriftlicher Form präsentiert: in Büchern, in Zeitungen, (Fach-)Zeitschriften und natürlich zunehmend im Internet. Wir müssen also immer mehr lesen, wenn wir in der Informationsgesellschaft mithalten wollen.
In besonderem Maße gilt das für jeden, der heutzutage studiert und dabei eine immer größere Menge an Fachliteratur bewältigen muss. Und nachdem der so genannte "Nürnberger Trichter" – ein großer Trichter, den man am Kopf ansetzt, damit mühelos Wissen hineinfließt – auch nach 500 Jahren leider noch nicht erfunden ist, müssen wir dieser Flut an Texten anders Herr werden. Zum Beispiel mit Hilfe der richtigen Lesetechnik.
Wie lesen wir?
Wenn wir Menschen lesen, dann lassen wir den Blick entlang der Leserichtung über einen Text wandern: In westlichen Ländern von links nach rechts und von oben nach unten. Dabei fixieren wir aber nicht jedes Wort, sondern überspringen im Schnitt drei Viertel aller kurzen Wörter – das sind Wörter mit nur drei Buchstaben. Insgesamt liest ein "normaler" Leser etwa 250 Wörter pro Minute. Dabei gilt: Je eindeutiger die grammatische Struktur und die Bedeutung eines Satzes oder Textteils ist, desto schneller liest man. Denn je besser man versteht, was man liest, desto seltener muss man mit dem Blick zum vorherigen Satz oder Abschnitt zurückspringen. Dieses Zurückspringen heißt "Regression" und ist ein ganz normaler, unbewusster Prozess, der das Lesen allerdings verlangsamen kann.
Lesen leicht gemacht
Ob man das nun schon Lesetechnik nennt oder nicht – es gibt einige wichtige Dinge, die dir das Lesen auch schwieriger Texte erleichtern. Bekannte Schriftarten wie Arial zum Beispiel, an die deine Augen bereits gewöhnt sind. Außerdem die richtige Schriftgröße – ungefähr 12 Punkt, je nach Schriftart – und eine gute Gliederung des Textes. Gut zu wissen ist außerdem, dass der oft beliebte Blocksatz den Lesefluss hemmt. Viele sind der Ansicht, dass auch das sogenannte Subvokalisieren, also das ständige (lautlose oder halblaute) Mitsprechen der Wörter, schnelles Lesen verhindert. Einig ist sich die Fachwelt darüber aber nicht.
Auf alle Fälle kannst du dir das Leseleben leichter machen, wenn du ...
- auf die richtige Beleuchtung achtest. Als ideal gilt eine gleichmäßige Beleuchtung von 1.000 Lux, das entspricht ungefähr dem Tageslicht bei bedecktem Himmel. Lichtreflexe oder Gegensätze von hellen und dunklen Zonen im Sichtfeld solltest du vermeiden – die einsame Schreibtischlampe im dunklen Zimmer ist keine richtige Beleuchtung.
- die richtige Haltung einnimmst. Wenn du ein Buch auf deinen Schreibtisch legst und dich darüber beugst, sind Schultern und Nacken gebeugt und verspannen sich früher oder später. Also sitz besser gerade oder nutze ein Stehpult zum Lesen. Liegen strengt zwar auch nicht an, kann aber rasch müde machen.
- Ablenkung vermeidest. Wenn du dich auf ein Buch konzentrieren willst, dann solltest du vor allem andere optische Reize vermeiden. Das gilt für den laufenden Zeiger deiner Armbanduhr genauso wie für blinkende Bildschirmschoner. Ob du nebenbei Musik hörst oder nicht, musst du selbst entscheiden. Einer Diskussionsrunde im Radio zu lauschen, ist aber sicher nicht gut.
- motiviert bist. Wenn du keine Lust hast, kommst du nicht voran. Mach also bei akuter Leseunlust entweder eine Pause oder motiviere dich durch eine Belohung, die du dir am Ende des Buches gönnen wirst. Und wenn du merkst, dass du dich beim Lesen über Inhalt, Autor oder Schreibstil nur noch ärgerst, dann leg das Buch weg und versuche, ein anderes, besseres zu finden.
- dich richtig vorbereitest. Je schwieriger und/oder länger der Text ist, den du lesen musst, desto wichtiger ist die Vorbereitung. Es bringt wenig, durch den Text zu hetzen, aber den Inhalt gleich wieder zu vergessen. Damit dein Leseaufwand nicht umsonst ist, kannst du die SQ3R-Methode nutzen.
SQ3R steht für "Survey", "Question", "Read", "Recite", "Review"
- "Survey": Steig nicht sofort in den Text ein, sondern lies zunächst den Klappentext, das Inhaltsverzeichnis und schau dir die Gliederung an. Vielleicht kannst du sogar einige Kapitel streichen?
- "Question": Mach dir klar, warum du den Text liest. Möchtest du nur einzelne Fragen beantwortet haben oder den ganzen Inhalt lernen?
- "Read and Recite": Nimm dir das Buch vor und lies es exakt. Mach dabei aber immer wieder Pausen, um dir das Gelesene noch mal zu vergegenwärtigen – und mach dir Notizen. Ohne eine schriftliche Fixierung vergisst du schon in den ersten 10 bis 20 Minuten ungefähr 80 Prozent dessen, was du gerade gelesen hast.
- "Review": Leg das Buch nicht sofort weg, wenn du es gelesen hast. Blättere es nochmals durch, überfliege die Überschriften, formuliere die Aussagen dahinter. Damit vernetzt du das Gelesene in deinem Kopf, so dass es eine Einheit bildet.
Einfache Techniken fürs Lesen
Es ist hell, du bist entspannt, konzentriert und motiviert, du hast dich gut vorbereitet – aber trotzdem weißt du nicht, wie du den Literaturberg vor dir bewältigen sollst? Dann hilft dir vielleicht eine Lesetechnik. Davon gibt es viele und einige erfordern eine ganze Menge Übung. Außerdem musst du natürlich die passende Lesetechnik für die passende Textart wählen – eine Zeitungsseite kannst du zum Beispiel eher "überfliegen" als Goethes Faust. Fangen wir aber mit den einfacheren Lesetechniken an:
- Sequenzielles Lesen: Allzu viel Technik steckt hier noch nicht dahinter: Sequenzielles Lesen heißt einfach, dass du den Text wirklich von Anfang bis Ende liest und versuchst, alles zu verstehen. Dabei solltest du langsam und gründlich lesen, so dass du so selten wie möglich Textteile ein zweites Mal lesen musst.
- Kursorisches Lesen: Das Kursorische Lesen ist im Grunde die Anwendung der SQ3R-Methode. Du liest also zuerst Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Vor- und Nachwort und ziehst danach ein erstes Fazit: Worum geht es in dem Buch wirklich, welche Informationen gibt es dir. Nun fängst du an, das Buch gründlich durchzuarbeiten. Du liest den Text also nicht nur, sondern markierst wichtige Stellen und machst dir Notizen.
- Punktuelles lesen: Dabei liest du einen Text nur teilweise. Das heißt, du wählst einzelne wichtige Abschnitte aus, liest diese gründlich und versuchst dann, die Bedeutungen der einzelnen Textteile in den Kontext einzuordnen
- Diagonales Lesen: Auch dabei liest du nur ausgewählte Bereiche eines Textes. Das sind in der Regel der erste Satz jedes Absatzes, hervorgehobene Stellen (Fettdruck, Überschriften), Aufzählungen, Schlussfolgerungen und Fachausdrücke. Dadurch kannst du einen Text schnell durcharbeiten – allerdings auf Kosten von Details und eventuell des Textverständnisses.
- Scannen: Bei dieser Technik "fliegt" man mit den Augen über den Text und sucht gezielt nach speziellen Informationen oder einzelnen Wörtern. Die meisten von uns benutzen die Technik des "Scannens" ganz automatisch beim Lesen von Webseiten. Durch das Scannen verändert sich unser Leseverhalten allerdings gravierend: Fast jeder fünfte Bücherleser zwischen 20 und 29 Jahren überfliegt seine Lektüre heutzutage lediglich, liest nur das Interessanteste und verliert dadurch bei langen und schwierigen Texten schnell die Geduld. Wenn du auch am liebsten "scannst", wirst du dich im Studium und später im Beruf umstellen müssen. Aber keine Angst: Das Gehirn bewältigt das relativ leicht und gewöhnt sich in recht kurzer Zeit an die Aufnahme und das Speichern größerer Textmengen.
- Wort für Wort: Diese Methode beruht drauf, dass du keinen ganzen Text vor dir hast, sondern jeweils ein Wort nach dem anderen auf dem Display erscheint. So soll deine Lesegeschwindigkeit gesteigert werden. Dadurch, dass das Auge nicht mehr von Wort zu Wort springen muss, sondern auf der gleichen Stelle verharren kann, sollst du laut Fürsprechern dieser Lesetechnik beim Lesen eine Menge Zeit sparen. Der Nachteil ist, dass du spezielle Lese-Apps benutzen musst, um diese Technik anzuwenden. Auch mag die Einzelwortanzeige zwar dabei helfen, schneller zu lesen, doch das Textverständnis bleibt dabei oft auf der Strecke. Für Romane oder wichtige Texte fürs Studium eignet sich diese Methode also eher nicht.