Wissenschaftliches Arbeiten: Wie man schlechte Hausarbeiten schreibt
- Jan Fischer
Was zeichnet eine gute Hausarbeit aus? Klare Argumente, neue Gedanken, verständlicher Stil? Von wegen. Wer es heute zum Bachelor bringen will, braucht ein gutes Fremdwörterlexikon. Und den Mut, Sätze zu formulieren, die hoffentlich wenigstens der Dozent versteht. Unser Schreibratgeber hilft.
Akademisches Schreiben ist schwer. Dabei gibt es bibliothekenweise Ratgeber, dicker als Doktorarbeiten. Es gibt Handouts, die unverständliche Zitierweisen noch unverständlicher erklären. Es gibt Tipps, die sich von Sprechstunde zu Sprechstunde neu widersprechen.
Viele dieser Ratschläge lauten: Schreib verständlich, halte deine Gedanken einfach, nutz eine möglichst klare Ausdrucksweise. Natürlich weiß jeder Erstsemester, dass man so keine Einsen schreibt. In der Welt der Wissenschaft haben erst emeritierte Professoren das Recht, sich klar auszudrücken (oft zum ersten Mal in ihrem Leben).
Wer wirklich an der Spitze mitkritzeln will, muss anders an die Sache herangehen. Er braucht dazu nur diesen endgültigen Ratgeber für akademisches Schreiben.
1. Gliederungspunkte brauchen Unterpunkte
1.1 Und die Unterpunkte brauchen Unterpunkte
Akademisches Schreiben beginnt schon bei der Gliederung. Lass dich nicht in die Falle mangelnder Komplexität locken. Jeder Gliederungspunkt verlangt einen Unterpunkt. Jeder Unterpunkt verlangt einen weiteren Unterpunkt. Komm vom Stöckchen aufs Hölzchen, vergiss auch den Umweg übers Ästchen nicht und erkläre am besten nochs Blättchen dazu. Übergenauigkeit und Umständlichkeit sind schließlich akademische Primärtugenden.
2. Substantive. Hauptwörter. Nomina
Verben sind für Anfänger, Substantive der Königsweg. Substantiviere grundsätzlich jedes Verb. Ersetze zusätzlich alle gebräuchlichen Substantive durch Synonyme, die wissenschaftlicher klingen. Orientiere dich beispielsweise an dieser gelungenen Definition eines Eisenbahnunternehmens aus dem 19. Jahrhundert: "Ein Eisenbahnunternehmen ist ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist."
3. Release the Satzkraken!
Es gibt Sätze, die galoppieren von Anfang bis Ende wie ein ausgeruhtes Pferd. Dann wieder gibt es Sätze, die von ihrem Zentrum aus in alle Richtungen wuchern und ihre Nebensätze und Einschübe verknoten wie eine betrunkene Krake ihre Tentakel. Lass deine innere Satzkrake frei.
Nutz dazu alle Satzzeichen, die die deutsche Sprache hergibt: Semikolons, Doppelpunkte, Gedankenstriche, eckige Klammern, Interrobangs. Schließlich kann man deine hochkomplexen Gedanken kaum in einfachen Sätzen ausdrücken. Bonus: Satzkraken wirken geheimnisvoll und geben – wenn entwirrt – dem Leser das Gefühl, etwas geleistet zu haben.
4. Lass Fußnoten wuchern
Fußnoten sind die versteckten Zahnräder akademischer Literatur. Du kannst sie für die Quellenangaben deiner Zitate nutzen. Wahre Profis aber verstecken darin lange Textpassagen, die ebensogut in den Hauptext gepasst hätten. Die Möglichkeiten sind unendlich: Schreib Fußnoten, die über mehrere Seiten gehen; gib Fußnoten weitere Fußfußnoten; setz sie nicht ans Ende der Seite, sondern ans Ende des Textes! Jede Fußnote durchbricht die langweilige Linearität deiner Arbeit und gibt dir den nötigen Anschein profunder Belesenheit.
5. Nutz niemals übersetzte Zitate
Unterschätz deine Leser nicht: Statt einfach die Übersetzung eines Zitats zu nutzen, belasse es in jedem Fall in der Originalsprache. Auch wenn du selbst nur die deutsche Fassung vorliegen hast und den Originalwortlaut mühsam ergoogeln musst. Deine Leser werden begeistert sein, endlich ihre Fremdsprachenkenntnisse anwenden zu können. Und ganz ehrlich: Wer nicht Englisch, Französisch, Slowenisch, Altgriechisch und Dothraki flüssig liest, ist es auch nicht wert, deine Arbeit zu verstehen.
6. Fachbegriffe, Fachbegriffe, Fachbegriffe
Sorg dafür, dass du nur von den Menschen verstanden werden kannst, von denen du auch verstanden werden willst. Nutz intensiv das Fachvokabular deiner Disziplin. Definiere Termini auf keinen Fall, das wirkt unprofessionell. Musterbeispiel: Wer eine nicht für sich bestimmte, quaderförmige Ausschachtung in der Pedosphäre vornimmt, wird sich deren Sohlbereich unter Einfluss der Gravitation nähern. Oder für Nicht-Geosophen: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
7. Erfinde eigene Wörter
Wenn du in der Profiliga des akademischen Schreibens spielen willst, musst du allen klarmachen, dass deine Gedanken neu und bahnbrechend sind. Am einfachsten erreichst du das, indem du neue Wörter für das erfindest, was du sagen willst. Denn wirklich Neues kann wohl kaum in alten Begrifflichkeiten ausgedrückt werden! Peter Sloterdijk macht's vor: Affluenzgesellschaft, Air-Design, Alethotop, Algodizee, Atmoterrorismus und Autokoprophagie sind nur einige der Begriffe (mit A), die der deutsche Philosophen der Welt geschenkt hat.
8. Dropp Names, wo du kannst
Scheu dich nicht, auf den Schultern von Riesen zu schreiben. Tritt mit Hegel in einen aristoletischen Dialog über die kafkaesken Ausformungen von Deleuzes Texten über Platon. Quickfix: Schreib einfach ein beliebiges Wort hin, setz es in Anführungszeichen und ergänz dann einen großen Namen in Klammern dahinter. Das ist ein "Zeichen" (Peirce) dafür, dass du eine Menge schlauer Bücher gelesen hast.
9. Lass deinen Gedanken freien Lauf
"Geben Sie Gedankenfreiheit", verlangt schon Schillers Marquis von Posa. Zu Recht. Es gibt schließlich viele Wege von A nach B. Am langweiligsten ist der gerade. Besuch in deiner Arbeit noch C und D, mach einen Exkurs zu Z, um dann wieder bei C anzulanden. Schau auch noch bei Y vorbei, weil das so ein schöner Buchstabe ist. Schließlich musst du ja irgendwie auf die Seitenzahl kommen.
10. Leg dich nicht fest. Oder doch?
Ergebnisse sind was für Mathematiker. Beweis Mut zur Lücke, indem du in deinem Fazit keine der Thesen noch einmal aufgreifst, die du mit deiner Arbeit eigentlich beweisen wollten. Mäandere zwischen rhetorischen Fragen hin und her, solange, bis du deinem Leser ein eindeutiges "Vielleicht" mit auf den Weg geben kannst.
Glückwunsch. Deinem Aufstieg zur Professur steht nun nichts mehr im Wege.