Deutschlandstipendium: Finanzspritze für Studierende
- Philipp Wittenbrink
Seit dem Sommersemester 2011 existiert das "Deutschlandstipendium". Statt der bisherigen drei Prozent sollen dadurch insgesamt acht Prozent der deutschen Studierenden mit einem Stipendium gefördert werden. Das hört sich erst mal gut an, dennoch gibt es Kritik am neuen Förderprogramm.
Um der steten Sorge ums Geld zu entgehen, träumen die meisten Studierenden von einem Stipendium. In Deutschland gibt es mehrere Hundert Institutionen, bei denen man diese Form der Studienbeihilfe beantragen kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt seit Langem zwölf Begabtenförderungswerke, die mit die größten deutschen Stipendiengeber sind. Sie lassen sich nach politischen, konfessionellen oder weltanschaulichen Förderern unterteilen: So ist zum Beispiel die Studienstiftung des deutschen Volkes weltanschaulich unabhängig, die Konrad-Adenauer-Stiftung hingegen christdemokratisch orientiert, während das Evangelische Studienwerk Villigst einen konfessionellen Schwerpunkt setzt.
Obwohl es viele Stipendien gibt, ist es mit der deutschen Stipendienkultur nicht weit her. Gerade mal drei Prozent der Studierenden bekommen bislang ein Stipendium. Die Bundesregierung hat daraus ihre Schlüsse gezogen und bietet seit dem Sommersemester 2011 ein weiteres Stipendium an: das "Deutschlandstipendium".
Auf der offiziellen Website schreibt Annette Schavan, als ehemalige Bildungsministerin sozusagen geistige Mutter und Schirmherrin des Projekts: "Das Deutschlandstipendium setzt Anreize für Spitzenleistungen, auf die unser Land im globalen Wettbewerb angewiesen ist, und wirkt zugleich dem Fachkräftemangel entgegen." Dieser Mangel nämlich zeichnet sich immer deutlicher ab, weil viele junge Akademiker:innen im Ausland bessere Berufschancen sehen. So hat man sich ein außergewöhnlich breit angelegtes Projekt vorgenommen: Mittelfristig sollen sich acht Prozent (also 160.000) aller Student:innen über die Finanzspritze freuen können.
Vorteile und Leistungen
Die ausgewählten Empfänger:innen des Deutschlandstipendiums bekommen im Monat eine Finanzspritze von 300 Euro, nach Möglichkeit für die gesamte Dauer der Regelstudienzeit. Schon Studienanfänger:innen können das Stipendium beantragen. Bei der Auswahl fürs Deutschlandstipendium zählen bereits die schulischen Leistungen. Ein weiterer Vorteil ist, dass neben dem Erststudium auch ein Zweit- oder Ergänzungsstudium sowie Master-Studiengänge gefördert werden.
Es zählen die Noten und die Persönlichkeit des/der Bewerber:in
Man bewirbt sich direkt bei den zuständigen Stellen der jeweiligen Hochschule. Einzureichen sind unter anderem ein Motivationsschreiben und eine Übersicht über die bisher erbrachten Leistungen. Wenn diese gut und alle anderen Auswahlkriterien erfüllt sind, wird das Deutschlandstipendium zunächst für zwei Semester bewilligt. Für das nächste Studienjahr muss man den Antrag erneut stellen.
Doch nicht nur gute Noten zählen. Auch politisches oder gesellschaftliches Engagement und der Einsatz im sozialen Umfeld spielen eine Rolle. Auf der eigenen Website wird beispielsweise eine junge Stipendiatin vorgestellt, die in ihrer Freizeit Lebensmittelpakete packt und ihren Beruf dazu nutzen möchte, hilfsbedürftigen Menschen Wege in ein selbständiges Leben zu ebnen.
Die Stipendiengeber berücksichtigen zudem die Überwindung besonderer biografischer Hürden, die sich aus der familiären oder kulturellen Herkunft ergeben. Wenn also jemand zu Hause neben der Ausbildung auch noch einen Verwandten pflegt oder sich um jüngere Geschwister kümmert, ist er weniger engagierten Konkurrent:innen um eine Nasenlänge voraus. Kurzum: Das Bewerbungs- und Auswahlverfahren will die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers in Betracht ziehen.
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Verschiedene Einnahmequellen und Praktika erlaubt
Unerheblich hingegen ist der finanzielle Hintergrund, aus dem der/die Bewerber:in stammt. Die Tochter aus bestem Hause kann sich ebenso um den monatlichen Zuschuss bemühen wie der Junge aus der Plattenbausiedlung. Die Förderung versteht sich als Belohnung für individuelle Leistungen und als Ansporn, diese weiterhin zu erbringen. Die Verdienste der Eltern spielen keine Rolle. Das Gleiche gilt auch für eigene Einnahmen wie beispielsweise Wohngeld. Darüber hinaus wird das Stipendium auch dann weitergezahlt, wenn man ein Praktikum macht oder im Ausland ist.
Soziale Bildungsfinanzierung gibt's woanders
Dass das Geld der Eltern bei der Auswahl keine Rolle spielt, trifft nicht überall auf Beifall. Viele hätten es bevorzugt, wenn das Stipendium bevorzugt Kindern aus ärmeren Familien gewährt würde. Da deren Anteil an den Student:innen ohnehin kontinuierlich sinkt, hofften sie auf ein Signal, um wieder mehr Schüler:innen aus sozial schwachem Umfeld für den akademischen Karriereweg zu motivieren.
Die soziale Säule der Bildungsfinanzierung bleibt weiterhin BAföG – auf die das Stipendiengeld übrigens auch nicht angerechnet wird. Ein:e BAföG-Student:in kann also das Stipendium in Anspruch nehmen, ohne Abstriche bei seinem beziehungsweise ihrem gewohnten Salär machen zu müssen. Bezieht jemand den Höchstsatz, kann er zusammen mit dem Stipendiengeld auf knapp 940 Euro im Monat kommen.
Wer sich traut...
Manche fragen sich jedoch, wer den Mut hat, sich überhaupt für ein Stipendium zu bewerben. Sie kommen zu dem Schluss, dass eher Kinder aus "besseren" Familien den richtigen Habitus mitbringen, um die Auswahlkommission von ihrer Eignung zu überzeugen. Darum halten sie ein Stipendium für ungeeignet, um die soziale Schieflage an Hochschulen zu korrigieren.
Keine Garantie für komplette Förderung der Studienzeit
Anlass zur Kritik bietet auch das Finanzierungskonzept des Deutschlandstipendiums. Der/die Stipendiat:in erhält 150 Euro vom Staat, weitere 150 Euro sollen aus der Wirtschaft kommen. Außerdem übernimmt der Bund die Akquise-Kosten für die Stipendienmittel in Form einer Pauschale. Die Resonanz von der Privatseite ist allerdings noch ausbaufähig. So bekommen viele der Student:innen keine Zusage für die Förderung der kompletten Regelstudienzeit. Auch wer alle Auflagen erfüllt, kann leer ausgehen, weil private Förderer abspringen.
Nicht jeder ist überzeugt
Diese Unsicherheit mag der Grund dafür sein, dass die Idee des Deutschlandstipendiums nicht bei allen Hochschulen gut ankommt. Wie der Nachrichtensender NDR Info berichtete, wollen die Universitäten in Flensburg, Lübeck und Hamburg zum Beispiel überhaupt nicht mitmachen. Die Uni Kiel rechnet damit, nur zwei Drittel der möglichen Stipendienplätze vergeben zu können. Und der Kanzler der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg nannte das Programm ein "bürokratisches Monster".
Dieser Artikel wurde e-fellows.net von Philipp Wittenbrink zur Verfügung gestellt. Er betreibt ein Informationsportal zum Thema Tagesgeld und ist Geschäftsführer der Performeo GmbH.