Deutschlandstipendium: 300 Euro monatlich von Staat und Unternehmen – was dahintersteckt
- Julia Jung
Für die Spitzenkräfte von morgen werfen Bund und private Förderer ihr Geld in einen Topf. Heraus kommt: das Deutschlandstipendium. Doch was steckt genau hinter dem Goldesel für Studenten? Wie bewirbt man sich? Und wer wird überhaupt gefördert?
Wer die e-fellows.net Stipendien-Datenbank durchstöbert, findet dort fast 900 Stipendien. Scheinbar mehr als genug. Doch mit Einführung des Deutschlandstipendiums im Jahr 2011 wollte der Bund eine "neue Stipendienkultur" schaffen. USA, Frankreich & Co. hatten es vorgemacht: Auch in Deutschland sollten nun Mittel privater Sponsoren in die Talentförderung fließen. Für den glücklichen Studenten bedeutet das seitdem vor allem: bares Geld – 300 Euro pro Monat gibt es für Deutschlandstipendiaten.
Wer hat's erfunden?
Seit dem Sommersemester 2011 unterstützt das Deutschlandstipendium begabte Studenten. Ins Rollen gebracht hat das Ganze das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Mittelfristig sollen mit dem Programm etwa 160.000 Studenten gefördert werden. Zusammen mit den Stipendiaten der Begabtenförderungswerke wären das dann etwa zehn Prozent der zwei Millionen deutschen Studenten. Von diesem Ziel ist das Ministerium noch ein Stück entfernt, aber immerhin hat sich die Zahl der Geförderten im vergangenen Jahr verzweieinhalbfacht: 2015 erhielten immerhin 24.276 Studenten die Unterstützung.
300 Euro im Monat – woher kommt die Kohle?
Halbe-Halbe für das Ganze: 150 Euro kommen jeweils von Bund und privaten Förderern. Private Förderer können Wirtschaftsunternehmen, Vereine, Stiftungen oder auch Alumni sein. Jede Universität bekommt je nach Studentenanteil eine bestimmte Anzahl an Stipendien zugesagt. Die tatsächliche Zahl an Plätzen hängt allerdings von den privaten Sponsoren ab. Fehlen diese, verfällt der Anspruch der Universität auf das Geld. Bei der LMU München waren für das Sommersemester 2016 zum Beispiel 190 Plätze – bei fast 50.000 Studenten ist das nicht einmal ein Prozent.
Welches Mitspracherecht haben die privaten Förderer bei der Vergabe der Stipendien?
Die privaten Geldgeber können zweckgebunden fördern. Dabei geht es zu wie an der Wursttheke: Darf es die Uni oder FH sein? Lieber ein Sozial- oder Naturwissenschaftler? Bestimmte Studiengänge haben dadurch einen Vorteil. So bekommt der BWLer oder der Ingenieur wesentlich öfter Fördermittel zugesagt als der Kunsthistoriker. An der LMU München gingen beispielsweise 16 Stipendien an die Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik, aber nur 9 an Sprach- und Literaturwissenschaftler.
Wer wird gefördert?
Egal, ob Grünschnabel oder alter Hase: Sowohl Studenten in höheren Fachsemestern als auch Studienanfänger können sich für ein Stipendium bewerben. Voraussetzung ist zunächst einmal die Immatrikulation an der jeweiligen Hochschule. Das Stipendium ist unabhängig vom Einkommen der Eltern oder der Studenten – wird aber nur an "begabte Bewerber mit herausragenden Leistungen" vergeben. Das heißt: Es zählen offiziell gute Noten, Engagement und persönlicher Werdegang. Die genauen Kriterien unterscheiden sich aber von Hochschule zu Hochschule ein wenig. So wählt die RWTH Aachen zum Beispiel nur nach Noten aus, andere Unis haben aufwändigere Verfahren mit Auswahlgesprächen.
Wie finde ich heraus, ob meine Universität das Deutschlandstipendium vergibt?
Hier sind die Informationen leider ziemlich zersplittert. Selbst in Stipendien-Datenbanken wird derzeit nur ein Teil der Angebote aufgelistet (Stipendiengeber können aber ihre Stipendien gerne jederzeit in der Stipendien-Datenbank von e-fellows.net eintragen lassen, d. Red.). Deshalb findet man die Informationen am besten auf der Website der Universität selbst. Dort steht auch, wie viele Stipendien vergeben werden und wie die Plätze auf die Fakultäten aufgeteilt sind.
Ich werde schon anderweitig gefördert. Kann ich mich trotzdem für das Deutschlandstipendium bewerben?
Bei BAföG-Bezug ist die zusätzliche Förderung durch das Deutschlandstipendium kein Problem. Andernfalls darf man als Stipendiat prinzipiell keine andere begabungs- und leistungsabhängige materielle Förderung erhalten, die mehr als 30 Euro im Monat umfasst. Bewerben kann man sich allerdings in jedem Fall. Bei einer Zusage kann man die andere finanzielle Förderung lediglich zu Gunsten des Deutschlandstipendiums aufgeben. Unter diese Regel fallen auch die Stipendien der Begabtenförderungswerke (wie beispielsweise Konrad-Adenauer-Stiftung oder Friedrich-Ebert-Stiftung), da ja ihre Förderung materiell sowie begabungs- oder leistungsabhängig ist. Es gibt allerdings sehr wohl Stipendien, die mit dem Deutschlandstipendium kombiniert werden können. Hier eine Übersicht.
Wie lange werde ich gefördert?
Das Stipendium wird für mindestens zwei Semester vergeben. Die Idee ist eigentlich, dem Studenten so lange wie möglich den Rücken freizuhalten. Sofern genug Fördermittel zur Verfügung stehen, kann die Förderung daher auch verlängert werden. Dazu muss der Stipendiat die Förderkriterien aber natürlich auch weiterhin erfüllen. Dies wird jedes Jahr aufs Neue geprüft. Die Förderungshöchstdauer richtet sich nach der Regelstudienzeit im entsprechenden Studiengang.
Wie vertragen sich Deutschlandstipendium und BAföG?
Das Geld wird nicht auf das BAföG angerechnet. Die Förderung des Deutschlandstipendiums ist unabhängig vom sonstigen Einkommen des Studenten oder der Eltern. Auch Sozialversicherungsbeiträge müssen nicht geleistet werden.
Und wie sieht es mit dem Erasmus-Programm oder einem DAAD-Stipendium aus?
Während eines fachbezogenen Auslandsaufenthalts, etwa über das Erasmus-Programm, wird der Stipendiat gefördert. Anders sieht es bei einem DAAD-Stipendium aus: Wer ein DAAD-Vollstipendium bekommt, kann nicht gleichzeitig das Deutschlandstipendium beziehen (siehe Punkt 6). In diesem Fall kann man sich jedoch vom Deutschlandstipendium beurlauben lassen. Wer nur ein Teilstipendium vom DAAD bekommt, kann parallel auch das Deutschlandstipendium erhalten.
Welche weiteren Leistungen sind mit dem Deutschlandstipendium verbunden?
Über die monatliche Förderung von 300 Euro hinaus bieten einige Stipendiengeber ihren Stipendiaten ein Zusatzprogramm. Das können zum Beispiel Unternehmensführungen oder Netzwerkangebote sein. Die Stipendiaten sind zur Teilnahme an diesen Angeboten jedoch nicht verpflichtet.
Klingt ja alles wunderbar – aber wo ist der Haken?
Natürlich kommt auch das Deutschlandstipendium nicht ohne eine ordentliche Ladung Kritik davon. Wie bei fast allen Förderungen taucht die Frage nach sozialer Gerechtigkeit auf. Wird nur dem gegeben, der schon hat? Und können Kinder aus gut situierten Familien nicht von Vornherein bessere Leistungen erzielen – da sie lernen können, statt zu jobben? Eigentlich nicht, sollte man meinen. Denn unter den Auswahlkriterien des Deutschlandstipendiums wird explizit der familiäre Hintergrund erwähnt.
Doch selbst dann bleibt die Frage, wieso man einem wohlsituierten Studenten jährlich zusätzliche 3.600 Euro schenken sollte – und ob hier der Ansatz der einkommensabhängigen oder idellen Förderung (zum Beispiel durch ein "Seminar-Budget") nicht besser sei.
Hier fordern Kritiker ein Umdenken. Das Geld sollte ihrer Meinung nach beispielsweise besser in die Aufstockung von BAföG gesteckt werden. Andererseits fließen laut Bildungsministerium bereits drei Milliarden Euro ins BAföG. Der Anteil der Fördergelder (derzeit rund 30 Millionen Euro) für das Stipendienprogramm sei im Vergleich dazu gering.
Außerdem wird das Finanzierungskonzept des Stipendiums kritisiert. Denn die privaten Sponsoren sind noch zurückhaltend, dadurch kann die vom Bund bereitgestellte Förderung nicht voll ausgeschöpft werden. Und wenn private Förderer abspringen, gehen die Stipendiaten komplett leer aus – obwohl sie alle Bedingungen erfüllen. Manche Hochschulen nehmen auch gar nicht erst am Programm teil. Schließlich müssen die Hochschulen erst einmal die internen Strukturen schaffen, um private Geldgeber anzuwerben - eine ungewohnte Aufgabe für eine behördenartige Verwaltungskultur.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Verteilung der Stipendien. Dass die Unternehmen mitbestimmen können, wer ihr Geld bekommt, ist im Grunde löblich. Für manche Studenten bedeutet das allerdings einen erheblichen Nachteil. So werden BWLer, Juristen oder Naturwissenschaftler beispielsweise eher gefördert als Geisteswissenschaftler.