Wirtschaftsstudiengänge: Bachelor von der Business-School
- Kirstin von Elm
Viele Privathochschulen sehen sich als Kaderschmieden für den Führungsnachwuchs und bieten vor allem Masterprogramme an. Doch die Unternehmen suchen immer jüngere Talente. Müssen die Eliteunis umdenken?
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Rund 50.000 Quadratmeter, verteilt auf 36 Stockwerke – auf dem neuen Vertical Campus der IE University in der spanischen Hauptstadt ist viel Platz. Wo einst die Fußballer von Real Madrid trainierten, ragen heute fünf futuristische Bürotürme 180 Meter in die Höhe. Sie beherbergen Beratungsgesellschaften, Banken, Versicherungen, einen Energiekonzern – und die private Wirtschaftsuniversität, die als eine der besten Europas gilt. Seit Oktober 2021 legen im IE Tower 4.000 junge Menschen aus aller Welt den akademischen Grundstein für ihre Karriere, darunter rund 600 Deutsche. Luft nach oben gibt es reichlich, die Kapazität des Vertical Campus reicht für bis zu 6.000 Studierende. 240 Millionen Euro hat die IE in den Neubau investiert, in dem ausschließlich Bachelorstudenten ausgebildet werden.
Hat der MBA ausgedient?
Studienanfänger an einer Eliteuni – das ist nicht die Regel. Traditionell sehen sich private Wirtschaftshochschulen als Graduate Schools, Kaderschmieden für den akademisch vorgebildeten Führungsnachwuchs. Deshalb bieten andere Topadressen wie INSEAD oder HEC in Frankreich, IESE in Spanien oder die London Business School nur Masterprogramme an, vor allem den Master of Business Administration (MBA). Viele deutsche Anbieter halten es ebenso, etwa die ESMT in Berlin, die HHL in Leipzig oder die Mannheim Business School.
Statt mit öffentlichem Bildungsauftrag Erstsemestern Grundlagenwissen zu vermitteln, sehen die Business-Schools ihre Aufgabe darin, ambitionierte und gut zahlende Kandidaten mit Studienabschluss und Berufserfahrung auf eine Managementkarriere vorzubereiten. Erstsemester, die direkt nach der Schule oder einer Berufsausbildung ein Wirtschaftsstudium starten möchten, haben bisher nur wenige private Anbieter auf dem Radar.
Die IE hingegen ist bereits 2007 in das Segment eingestiegen, es sei mittlerweile ein wichtiger Teil des Studienangebots: "Die Nachfrage nach unseren Bachelorprogrammen wächst seit Jahren kontinuierlich im zweistelligen Bereich", sagt Mar Hurtado de Mendoza, Leiterin Global Recruiting. Interessierte können aus 22 verschiedenen Studiengängen mit Wirtschafts- und Managementinhalten wählen, darunter diverse interdisziplinäre Doppelabschlüsse mit Fächern wie Recht, Politik, Design oder Datenwissenschaft.
Hintergrund sei die steigende Nachfrage von Unternehmen nach jüngeren, leichter formbaren Juniorprofilen, ergänzt Eric Schlie, Leiter Career Services an der IE und verantwortlich für das weltweite Alumni-Netzwerk. Um in internationalen Unternehmen durchzustarten, benötige man heute nicht mehr zwingend einen MBA, sagt der Managementprofessor, der seine akademische Karriere einst an der ESMT in Berlin begann.
Insbesondere bei den Beratungsgesellschaften seien die Anforderungen an den Studienabschluss in den vergangenen Jahren gesunken, beobachtet David Döbele, Gründer der Personalberatung Pumpkin Careers, die auf Berufseinsteiger im Investmentbanking und in der Unternehmensberatung spezialisiert ist. Es kämen zunehmend auch gute Bachelorabsolventen zum Zuge, was sich inzwischen auch bei Studienanfängern herumgesprochen habe: "Wir sehen, dass viele Studierende sich bereits von Beginn ihres Bachelors an zielstrebig auf eine Karriere in diesen Branchen vorbereiten", sagt Döbele. Bis zu ihrem Abschluss nach drei oder vier Jahren hätten diese Überflieger oft schon mehrere Vorpraktika in ihren Lebensläufen.
Solche karriereorientierten jungen Menschen, die neben der akademischen auch Wert auf eine praxisorientierte Ausbildung legen, betrachten manche Privatunis heute als vielversprechende Zielgruppe. In Deutschland werben etwa die WHU Otto Beisheim School of Management in Koblenz, die Frankfurt School of Finance and Management oder die EBS Universität für Wirtschaft und Recht im hessischen Oestrich-Winkel mit Bachelorstudiengängen um diesen wachsenden Kundenkreis.
Die erst 2017 gegründete Business-School des Londoner King’s College verzichtet sogar komplett auf das klassische Zugpferd MBA und setzt auf den Bachelor. "Der Rat unseres Beirats lautete sehr klar, dass die Unternehmen jüngere Talente wollen", sagt Stephen Bach, Executive Dean der King’s Business School. Hat der MBA also ausgedient? Ja, findet Bach.
So weit wollen seine deutschen Kollegen nicht gehen, doch für Marke und Umsatz gewinnt der Bachelor an Bedeutung: "Ein Fullrange-Provider zu sein sehen wir ganz klar als Vorteil", sagt Christian Landau, Dekan der EBS Business School. Als Pluspunkt sieht er die frühe Kundenbindung durch die Einsteigerprogramme: Rund ein Fünftel der Masterstudierenden habe zuvor bereits den Bachelor an der EBS gemacht, schätzt er. Auch wer die Hochschule wechsle oder direkt ins Berufsleben einsteige, bleibe der Hochschule oft lange verbunden.
Beim Bachelor seien zudem die Jahrgänge größer, die Studierenden blieben länger und studierten häufiger in Präsenz und Vollzeit. "Sie haben einfach mehr Zeit, um Kontakte zu knüpfen und ein lebenslanges Netzwerk aufzubauen", so Landau. Drittens sei das Weiterbildungsgeschäft zyklisch. Sprich: Boomen Wirtschaft und Arbeitsmarkt, erreichen Beschäftigte ihre Karriere- und Gehaltsziele oft auch ohne teures MBA-Studium und bleiben deshalb der Hochschule fern. Das Geschäft mit der akademischen Erstausbildung sei dagegen regionaler und sorge für stabile Umsätze: "Der Bachelor wächst kontinuierlich."
Auch Jens Wüstemann sieht ein akademisches Komplettprogramm als Vorteil – vor allem da er die Kosten dafür nicht selbst tragen muss. Der Präsident der Mannheim Business School ist zugleich BWL-Professor an der öffentlichen Universität Mannheim, an der die betriebswirtschaftliche Bachelor- und Masterausbildung stattfindet. Die Business-School biete ergänzend dazu ein Portfolio aus weiterbildenden Studiengängen wie MBA-, Executive-MBA- oder spezialisierten Masterprogrammen: "Gemeinsam bieten wir Studiengänge für alle Entwicklungs- und Karrierestufen an", sagt Wüstemann.
Trotz wachsender Chancen für Bachelorabsolventen hält Berater Döbele den MBA dennoch nicht für ein Auslaufmodell: "Schaut man sich beispielsweise die Vorstände der Dax-Konzerne an, sieht man viele, die mehr als nur einen Bachelorabschluss haben", sagt er. Auch bei großen Strategieberatungen werde Berufseinsteigern nach einigen Jahren im Job nahegelegt, dass sie für die nächste Hierarchiestufe einen MBA machen sollten.
Auch die IE glaubt weiter an die Zukunft des General-Management-Studiums. Die Nachfrage sei da und werde bestehen bleiben, sagt Mar Hurtado de Mendoza: "Die Ausbildung, die ein MBA für diejenigen bietet, die eine Karriere in Wirtschaft und Management beginnen oder vorantreiben, unternehmerische Projekte beginnen oder in Führungspositionen wachsen möchten, ist schwer zu übertreffen."
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