Ungewöhnliche Nebenjobs: Fünf Jobs, auf die man erst mal kommen muss
- Marta Ahmedov und Carlott Bru
Maskottchen, Fußdomina, Katzensitter: Studierende erzählen von ihren skurrilen Nebenjobs – und wie viel sie damit verdienen.
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Die Katzensitterin
Sarah Elser, 28, studiert im Master Politics & Technology in München und Hydrowissenschaften in Dresden. Nebenbei passt sie auf Katzen auf. Sie findet es leichter, Tiere zu pflegen, als Zimmerpflanzen.
"Katzen sind für ihre Herrchen und Frauchen wie Kinder, das habe ich als Sitter schnell gemerkt. Ständig texten mir die Besitzer:innen, die gerade am Strand auf Sri Lanka surfen lernen oder in den Alpen Ski fahren, und fragen, wie es ihrer Luna oder ihrem Erwin gerade geht. Dabei arbeite ich schon seit fünf Jahren in dem Job.
Bis ich von zu Hause ausgezogen bin, hatte ich immer Katzen um mich herum. Im Studium saß ich dann oft lange vor dem Bildschirm und wollte nebenher etwas komplett anderes machen. So habe ich die App "Cat in a Flat" entdeckt, über die man mich heute buchen kann. Ich schaue regelmäßig vorbei, füttere die Tiere, kuschle mit ihnen und mache die Katzentoiletten sauber. Ein Einsatz dauert in der Regel eine Stunde plus Anfahrt. Am Anfang habe ich bei Bedarf auch bei den Katzen übernachtet, das mache ich inzwischen nicht mehr. Ich tauche so schon tief in das Leben Fremder ein, da will ich nicht noch in ihren Betten schlafen."
Meine größte Herausforderung: "Knutschi, ein Kater, hat mich jedes Mal angegriffen, wenn ich zur Tür reinkam. Irgendwann habe ich herausgefunden: Er ist einfach extrem eifersüchtig und kann es nicht ertragen, dass ich nach anderen Katzen rieche. Mit einem Set Wechselkleidung habe ich das Problem gelöst."
Was ich mag: "Einmal habe ich auf acht Britisch-Kurzhaar-Katzen gleichzeitig aufgepasst. Nach so intensiven Tagen kommt es mir manchmal vor, als hätte ich viele unterschiedliche Menschen kennengelernt, dabei waren es nur Tiere. Am liebsten passe ich bei Leuten auf, die ihre Katzen vom Tierschutz oder aus dem Tierheim haben."
Wie viel verdiene ich: "Pro Besuch verlange ich 15 Euro. In guten Monaten wie im Dezember oder im August verdiene ich bis zu 1.000 Euro. Es kommt aber auch vor, dass ich einen Monat lang nichts verdiene, meistens dann, wenn keine Schulferien oder Feiertage sind. Deshalb plane ich nicht mit dem Einkommen. Ich nehme es für Extraausgaben wie meine Autoversicherung oder eine schöne Tapete. Manchmal spende ich auch an Tierhilfsorganisationen wie Cats Karma oder Leise-Pfoten."
Das Maskottchen
Alper Yilmaz, 23, bewirbt sich gerade an staatlichen Schauspielschulen. Während seines Romanistik-Studiums in Stuttgart hat er als Maskottchen gearbeitet. Sein liebstes Kostüm: die Maultasche.
"Seit meiner Kindheit spiele ich Theater. Ich wollte schon immer Schauspieler werden. Auch deshalb habe ich mich für den Nebenjob als Maskottchen entschieden. Bei Firmenevents verkleidete ich mich als Roboter, bei Basketballspielen als Maultasche. Ich war eine wandelnde, gut gelaunte Werbung. Sprechen musste ich nicht, meine Aufgabe war es nur, die Magie aufrechtzuerhalten, die so ein Kostüm auslöst. Als Drache habe ich mal in einem Einkaufszentrum vor ein paar Hundert Menschen einen Tanz improvisiert. Die Kinder waren total beeindruckt. Ein kleiner Junge war erst schüchtern, hat sich irgendwann aber doch zu mir nach vorn getraut und mich umarmt. Das war so süß.
Meine schönsten Einsätze waren die beim Basketball: Bei den Bundesligaspielen der MHP Riesen Ludwigsburg durfte ich, als Maultasche verkleidet, den ganzen Abend lang echte Maultaschen verteilen – und zwischendurch selbst welche essen."
Meine größte Herausforderung: "Ein Einsatz dauerte oft vier Stunden. Länger als eine halbe Stunde sollte man aber nicht in dem Kostüm sein, weil man nur sehr wenig sieht und es darunter schnell mal 30 Grad werden kann. Am anstrengendsten war das Drachenkostüm. Das hat einen langen Schweif, den ich ausbalancieren musste. Deshalb waren wir oft zu zweit und haben uns abgewechselt: eine Person im Kostüm, die andere hat Flyer verteilt."
Was ich mochte: "Der Job ist unbeliebt, wahrscheinlich weil viele denken: Ich mache mich doch nicht zum Clown. Aber in den Kostümen erkannte mich niemand. Ich konnte springen und tanzen, wie ich wollte. Dabei habe ich festgestellt, wie leicht man Menschen glücklich machen kann."
Wie viel verdiente ich: "Der Job lief damals über Zeitarbeitsagenturen wie Profitess oder Instaff, je nach Einsatz habe ich zwischen 15 und 25 Euro pro Stunde bekommen. Im Moment mache ich eine Pause, aber ich kann mir gut vorstellen, bald wieder auf Minijob-Basis als Maskottchen aufzutreten. Am liebsten in einem ungewöhnlichen Kostüm. Vielleicht als Toaster oder als Giraffe in einem Freizeitpark."
Der Videograf
Maximilian Peter Jecker, 24, studiert Social Media Systems in Gießen. Am Wochenende geht er mit Ballermann-Star und "Layla"-Sänger DJ Robin auf Tour – auf Mallorca und in Deutschland.
"Vor ein paar Wochen war ich in Brackenheim bei Heilbronn auf einem Open-Air-Konzert. Mitten im Publikum habe ich ein Video von DJ Robin gedreht. Ich wusste sofort: Das wird geil. Der Lichteinfall, Robins hochgereckte Arme, das Feuerwerk, das den Himmel über der Bühne erleuchtet hat. Wenn ich filme, muss ich aufpassen, dass mir meine 10.000-Euro-Kamera nicht aus der Hand rutscht.
In dem Job bin ich gelandet, weil ich in meiner Heimatstadt Fulda als Clubfotograf für das Stadtmagazin move36 gearbeitet habe. Dabei lernte ich jemanden kennen, der am Ballermann Karriere machen wollte. So landete ich irgendwann auch bei DJ Robin, Honk! und anderen Künstler:innen.
In der Regel arbeite ich an zwei Wochenenden pro Monat. Die Konzerte gehen manchmal bis fünf Uhr morgens. Danach schlafe ich ein paar Stunden, bevor ich das Material schneide. Die Videos, TikToks und Reels sollen oft schon mittags online gehen. Wenn es sein muss, arbeite ich dafür auch mal eine Nacht durch."
Meine größte Herausforderung: "Seit ich DJ Robin begleite, steige ich nach Konzerten oft nur in den Tourbus ein und schneide die Fahrt über Videos. Beim Aussteigen weiß ich manchmal nicht, wo wir sind. Ich bin letztes Jahr elfmal für Konzerte geflogen. Das macht mir schon ein schlechtes Gewissen, aber es ging nicht anders."
Was ich mag: "Wenn ich positive Rückmeldung von Kund:innen oder Fans bekomme. Letztens hat mir jemand bei einem Konzert auf die Schulter getippt und gesagt: 'Was du an Arbeit tust, ist mega.' Und ich scrolle auch gerne durch Kommentare auf Insta."
Wie viel verdiene ich: "Mein Tagessatz schwankt stark. Im Winter sind keine Open-Airs, deshalb verdiene ich da weniger. Neben dem Filmen update ich noch die Website von einem Pizzalieferanten aus meiner Heimat, der mir im Jahr ein paar Hundert Euro zahlt. Im Schnitt lande ich monatlich so zwischen 1.300 und 3.500 netto. Mein größter Luxus sind mein 1er-BMW und eine Dreizimmerwohnung in Gießens City Center. Ich kann mir vorstellen, den Job nach dem Studium hauptberuflich zu machen."
Die Fußdomina
Hannah*, 24, rechts auf dem Foto, war während ihres Lehramtsstudiums Fußdomina und verkaufte verschwitzte Socken. Heute bedient sie lieber Gäste in einem Café und einem vegetarischen Restaurant.
"Als eine meiner Freundinnen eine Zeit lang dauernd Städtetrips machte, habe ich nachgehakt und gefragt, wo sie das Geld herhatte. Sie erzählte mir von ihrem Job als Fußdomina auf Twitter. Ich dachte erst: Das ist doch ein Scherz. Dann hat sie mir geholfen, selbst einen Account aufzubauen.
Vier Monate lang habe ich jeden Tag ein bis zwei Fußfotos auf Twitter gepostet und Menschen in Direktnachrichten beleidigt, die sich als 'Sklaven' bezeichneten. Das sind Fußfetischisten, die beleidigt werden wollen. Manchmal habe ich ihnen sogar meine getragenen Socken verkauft. Für die günstigsten, die ich in Mehrfachpacks für 7,99 Euro gekauft hatte, bekam ich meist zwischen 10 und 15 Euro das Paar. Diese Billigsocken sehen schnell alt aus. Das war gut, denn scheinbar sind lange getragene und verschwitzte Socken viel wert. Die meisten Follower haben mich per PayPal oder mit Amazon-Gutscheinen bezahlt. Einige haben mir auch Geschenke an ein Postfach geschickt: Lippenstifte und Lederstiefel.
Als ein Follower nach sechs Monaten meine Adresse herausfand und drohte, sie zu veröffentlichen, habe ich meinen Account gelöscht. Ich wollte damals Lehrerin für Sport und Werken werden und dachte, das könnte schwierig werden, wenn mein Nebenjob bekannt ist. Das Studium habe ich inzwischen abgebrochen. Fußdomina werde ich trotzdem nicht wieder."
Meine größte Herausforderung: "Herauszufinden, wie weit ich meine Grenzen überschreiten möchte. Ein Follower forderte mal, dass ich bestimmen solle, wann er isst. Das war mir zu krass. Mir fiel es schwer, fremde Menschen im Internet zu beleidigen, denn eigentlich mag ich Harmonie."
Was ich mochte: "Ich wurde überschüttet mit Komplimenten. Einmal bekam ich Fotos von einem Altar mit meinen Socken, die ein Follower anbetete. Es klingt seltsam, aber das schmeichelte mir."
Wie viel verdiente ich: "Die ersten Wochen habe ich nichts verdient. Danach waren es bis zu 400 Euro im Monat. Dafür chattete ich aber auch vier Stunden täglich, machte Fotos und lief zur Post, um die Socken zu verschicken. Heute weiß ich: Das hat sich nicht gelohnt."
Die Security-Frau
Ronia Reichel, 25, hat Medien-, Kommunikations- und Kulturwissenschaft in Bremen studiert. Sie lebt in Köln und hat bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet. Sie kennt die Crew von Madonna.
"Nach meinem Bachelorstudium wollte ich mir einen Job im Kulturbereich suchen, zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit eines Museums. Weil ich aber keine Stelle gefunden habe, suchte ich mir was für den Übergang über ein Jobportal für Studierende. Eine Security-Firma hat sich als Erstes zurückgemeldet. Ich habe zugesagt.
Drei Monate lang arbeitete ich als Sicherheitsfrau, bei Bundesligaspielen vom 1. FC Köln oder bei Konzerten von Musiker:innen wie Alligatoah oder Sarah Connor. Viele sahen in Securitys böse Türsteher:innen. Dabei waren wir nur dafür da, dass es allen gut ging.
Bisher musste ich nie einschreiten, auch wenn die Stimmung bei Fußballspielen oft gereizt ist. Wenn männliche Fans meine Ansage, dass sie bestimmte Ausgänge nur im Notfall benutzen dürfen, ignorierten, fühlte ich mich als Frau manchmal nicht ernst genommen. Die Schichten im Backstage-Bereich von Konzerten fand ich am besten. Im November 2023 habe ich bei zwei Konzerten von Madonna gearbeitet. Sie ist zwar nur ein paarmal an mir vorbeigerauscht, aber ich konnte ihre Crew und ihre fünf Kinder kennenlernen. Am ersten Abend kam sogar einer ihrer Tänzer zu mir. Er wollte die Show auf Deutsch eröffnen und hat die Sätze vorher mit mir geübt. Als ich aus dem Backstage gehört habe, dass er keinen Fehler gemacht hat, war ich schon ein bisschen stolz."
Meine größte Herausforderung: "Meine Schichten waren oft lang, und es passierte wenig. Bei einer Marathon-Messe musste ich mal zehn Stunden an einem abgelegenen Notausgang stehen. Mein Handy durfte ich nie benutzen."
Was ich mochte: "Ich konnte mitreden, wo ich eingesetzt werde. Die Konzerte fand ich so gut, dass ich gerade sogar überlegt habe, ob ich im Tour-Management arbeiten möchte. Ohne den Nebenjob wäre ich da sicher nie drauf gekommen. Heute arbeite ich bei einem Magazin."
Wie viel verdiente ich: "Ich war auf Minijob-Basis angestellt und wurde nach Schichten bezahlt. Mal arbeitete ich viermal in der Woche, mal gar nicht, je nachdem, wie viel Zeit ich hatte. Mein Stundenlohn war zwar nur knapp über dem Mindestlohn, aber viele Schichten waren spät oder an Feiertagen, da gab es dann Zuschläge."
* Hannah möchte ihren Nachnamen für sich behalten, um keine beruflichen Nachteile durch ihren ehemaligen Nebenjob zu bekommen.
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