Erfahrungsbericht – LL.M. am College of Europe: Brügge sehen – Europa erleben
- Elena Stamenkovic
Für deutsche Juristen, die ihre Kenntnisse im Europarecht vertiefen wollen und eine Karriere in Brüssel anstreben, ist der LL.M. am ältesten Institut für Europawissenschaften ein Muss! Besonderheit des Europakollegs ist der enge fachliche und kulturelle Austausch mit Studierenden aus über 50 europäischen Nationen und deren Nachbarländern
Eine enge Gemeinschaft
Das Europakolleg wurde 1949 gegründet und verfolgt mit Studiengängen in den Europawissenschaften das Ziel, die europäische Integration zu fördern. Neben europäischem Recht kann man sich für die Studiengänge europäische Politik, Wirtschaft oder europäische Diplomatie bewerben. Um den Austausch der Studierenden zu fördern, ist das Studium im College of Europe besonders integrativ gestaltet. Alle Studierenden leben gemeinsam in universitären Unterkünften und essen täglich gemeinsam in einer Kantine. Dadurch soll ein Gemeinschaftsgefühl über die Studienzeit hinaus geschaffen werden. Nicht nur Barrieren zwischen den Nationen werden abgebaut.
Besonders bereichernd empfand ich, dass auch der Austausch mit anderen Fachrichtungen möglich war. So bestand immer die Möglichkeit, mit jungen Absolventen aus ganz Europa über das aktuelle Tagesgeschehen zu reflektieren. Schnell findet man sich dabei in der Rolle des deutschen Vertreters, der die Position der deutschen Regierung oder Rechtswissenschaft kurz zusammenfasst und kommentiert. Möchte man mit dem Auslandsjahr nicht nur eine Rechtssprache und neue Kulturen kennenlernen, sondern auch seine juristische Sichtweise in anregende Gespräche einbringen, ist ein Jahr in Brügge genau die richtige Wahl.
Warum in die belgische Provinz statt in die Metropole?
Bei der Wahl eines LL.M. ist neben der gewünschten Vertiefung sicher auch der Studienort entscheidend. Brügge konkurriert hier mit europäischen Metropolen wie London oder Paris. Insbesondere im europäischen Kontext kann Brügge aber überzeugen. Das College pflegt einen intensiven Kontakt zu seinen Alumni. Es vergeht keine Woche, in der keine hochrangigen Mitarbeiter der europäischen Institutionen, Diplomaten oder Anwälte nach Brügge zurückkehren, um sich in Vorträgen oder Gesprächen mit den Studierenden auszutauschen.
Inhaltlich ist der Master in zwei Semester untergliedert. Das erste Semester dient vor allem dazu, Grundlagen des Europarechts zu vermitteln. Im zweiten Semester haben die Studierenden dann eine große Auswahl an Seminaren, mit denen sie ihr eigenes Profil schärfen können. Über das ganze Jahr verteilt kommen außerdem unzählige interdisziplinäre Veranstaltungen hinzu, die von den Studierenden nach freier Wahl besucht werden können. Großer Mehrwert ist meiner Ansicht nach, dass Kurse in englischer und französischer Sprache abzulegen sind. Während auf dem deutschen Arbeitsmarkt Englisch als ausreichend angesehen wird, bietet ein LL.M. in Brügge die Möglichkeit, auch sein Französisch auf ein Niveau zu bringen, das zumindest das passive Arbeiten in dieser Sprache erlaubt. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil auf dem internationalen Arbeitsmarkt.
Positiv herausheben möchte ich noch das Merkmal der "Flying Faculty" am College of Europe. Damit ist gemeint, dass das College nur über sehr wenige fest angestellte Professoren verfügt. Der Großteil der Dozenten kommt nur für Seminare nach Brügge und bringt stets aktuelle Themen in ein neues akademisches Jahr mit. Bei der Wahl der Dozenten greift das College nicht nur auf Professoren zurück, sondern auch auf Praktiker aus ganz Europa. Dies eröffnet den Studierenden oftmals neue, spannende Sichtweisen.
Eine doppelte Bewerbung – die Vorbereitungsphase
Um einen Studienplatz in Brügge zu erhalten, muss die Bewerbung frühzeitig im Januar eingereicht werden. Da das Zusammenstellen der Unterlagen einige Zeit in Anspruch nimmt, sollte im Oktober/November damit begonnen werden. Bewerber mit deutscher Staatsangehörigkeit müssen ihre Bewerbung zudem bei der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. ("EBD") einreichen. Die EBD organsiert die Auswahl und die Verteilung der Stipendien für alle angebotenen Studiengänge. Nach einer schriftlichen Vorauswahl wird im März nach Berlin zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Auf das Gespräch kann man sich nicht gezielt vorbereiten – einige Dinge gilt es jedoch zu beachten: Zunächst besteht die 15-köpfige Auswahlkommission nicht nur aus Juristen. Das Gespräch wird sich daher auch außerhalb rein juristischer Fragestellungen bewegen. Jedenfalls sollte man sich auf aktuelle Themen rund um Europa vorbereiten und eingerostete Fremdsprachenkenntnisse auffrischen, denn das Gespräch findet neben Deutsch auch in den Unterrichtssprachen Französisch und Englisch statt.
Nach dem Auswahlgespräch entscheidet die EBD über die Vergabe der Stipendien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, welche die Studiengebühren von derzeit circa 16.000 Euro abdecken. Nach Angaben der EBD erhalten ca. 70 Prozent der erfolgreichen Studienplatz-Bewerber ein Stipendium. Bei der Verteilung der Stipendien wird neben der fachlichen Qualität auch die finanzielle Lage der Bewerber berücksichtigt.
Gibt es den idealen Zeitpunkt für einen LL.M.?
Den idealen Zeitpunkt für einen LL.M. wird es sicher nicht geben. Für mich war aber klar, dass ich nach dem Ersten Examen noch einmal ein Jahr im Ausland verbringen wollte. Gerade im Fall von Brügge hat sich das als der ideale Zeitpunkt herausgestellt. Man sollte bei der Wahl des Zeitpunkts nämlich nicht vergessen, dass deutsche Jura-Absolventen im europäischen Vergleich teilweise wesentlich älter sind. Nach dem Ersten Staatsexamen ist der Altersunterschied noch nicht so riesig, was sicher angenehmer ist. Zudem hat mich der LL.M. im Europarecht noch einmal bestärkt, mich darauf auch nach dem Referendariat zu spezialisieren.
Die Autorin steht bei Fragen gerne zur Verfügung:
Elena Stamenkovic - elena.stamenkovic@coleurope.eu