Erfahrungsbericht – LL.M.: Columbia Law School
- Noemi Gietemann
New York – weniger eine amerikanische Stadt als Welthauptstadt, "melting pot" und Traumziel für Globetrotter:innen, Künstler:innen, Banker:innen, Wall-Street-Jurist:innen und natürlich Studierende, die sich für Internationale Beziehungen interessieren.
Ich weiß nicht, wie lange es schon mein Traum war, in dieser Metropole zu leben und den LL.M. an der Columbia Law School zu absolvieren. Spätestens nach meinem ersten Aufenthalt 2011 war ich sicher, zurückkehren zu wollen. Damals kam ich anlässlich der Model United Nations (MUNS) Conference nach New York und bekam neben Spaziergängen durch die Viertel der Stadt (unter anderem über den Columbia-Hügel) auch einen ersten Eindruck von der Arbeit und dem Lebensgefühl der UN – eine Mischung aus New York Rush Hour und der Exotik einer ganz eigenen, international geprägten Arbeitswelt.
Dieses Lebensgefühl und mein Interesse am Völkerrecht waren die Hauptgründe, warum ich mich in den USA ausschließlich für die Columbia University bewarb. Hinzu kam die Aussicht, im Rahmen des LL.M. ein Praktikum bei einer UN-Behörde absolvieren zu dürfen und Kurse an der School of International and Public Affairs zu belegen. Außerdem hatte ich mittlerweile eine Promotion im Völkerrecht begonnen und beschloss, die Zeit an der Columbia zu nutzen, um mich noch stärker auf diesem Gebiet und in den Internationalen Beziehungen zu spezialisieren.
Leben und lernen in New York City
Das Leben in New York ist überwältigend. In meinem Wohnheim "International House" lernte ich schnell viele Menschen aus aller Herren Länder und mit oft faszinierenden Lebensgeschichten kennen. Die Bekanntschaft mit Musiker:innen, Columbia- und NYU-Studierenden aller Fakultäten, Journalist:innen, Mitarbeiter:innen der UN und Aktivist:innen machte den Einstieg in die Stadt ebenso vielfältig wie bereichernd. Aber auch unter den LL.M.-Studierenden fanden sich schnell enge Freund:innen aus aller Welt. Das New Yorker Nachtleben mit seinen Jazz-Bars, Harlem Underground Clubs und schicken Downtown Clubs wurde in vollen Zügen ausgekostet. An freien Tagen stand stets das Auskundschaften von Museen, hübschen Vierteln und kulinarischen Köstlichkeiten auf dem Programm.
Und das Uni-Leben? Gearbeitet wurde natürlich ebenfalls viel. Von dem umfangreichen Pensum an wöchentlich vorzubereitendem Lesestoff und zu schreibenden Papers hatte ich zuvor schon gehört. Wenn man das akademische Leben ernst nahm, gab es schon eine enorme Menge an Arbeit, die gerade am Ende der Semester auf einen zukam. Dadurch habe ich dann aber auch wirklich viel gelernt und Inspiration erhalten – zum Lernen war ich ja schließlich da. Unsere Professorinnen und Professoren, insbesondere die Lehrbeauftragten aus der Praxis, waren allesamt motiviert und sehr hilfsbereit. Und dank Lernsessions in der Gruppe, mit allerlei Snacks und auch mal einem oder zwei Gläschen Wein, haben selbst die trockensten Lektüren und anstrengendsten Hausarbeiten noch Spaß gemacht.
Arbeiten und etwas bewegen bei der UN
Schon in den ersten Wochen wurde mein Traum, einen Einblick in das Arbeitsleben der UN-Welt zu bekommen, Wirklichkeit. Die Columbia Law School verteilte eine Stellenausschreibung für ein Praktikum im United Nations Development Programme, das ich nach Bewerbung und Telefoninterview absolvieren durfte. Die Recherche zu weltweiten Rechtsverletzungen an HIV-positiven Frauen in Gesundheitseinrichtungen war, insbesondere auch dank der Zusammenarbeit mit einer LL.M.-Absolventin der Columbia aus Australien, herausfordernd und inspirierend.
Ein anderes Highlight war die Teilnahme am Capstone Projekt der Columbia School of International and Public Affairs. Mit einer Gruppe von Law- und "SIPA"-Studierenden arbeitete ich für die Regierung von Namibia. Wir untersuchten, welche Schritte rechtlich, wirtschaftlich und politisch nötig wären, um Namibia als das "Tor zum südlichen Afrika" zu etablieren. Diese interdisziplinäre Arbeit fand ihren Höhepunkt in einer Reise nach Namibia, die Interviews mit zahlreichen Regierungsmitgliedern, aber auch NGO-Vertreter:innen, Journalist:innen, UN-Mitarbeiter:innen und Anwält:innen umfasste. Eine Safari im traumhaften Etosha National Park rundete das Programm ab. An einem konkreten Projekt zu arbeiten, welches im Idealfall politische Bedeutung erlangt, ist nicht nur eine großartige Erfahrung, sondern motiviert auch für den späteren Lebensweg.
Hat es sich also gelohnt?
Insgesamt war mein LL.M. an der Columbia University mit Sicherheit den zeitlichen und finanziellen Aufwand wert – nicht nur, weil ich New York in vollen Zügen genossen habe und fachlich wie persönlich ganz neue Erfahrungen sammeln konnte. Das LL.M.-Jahr war wohl das beste Jahr meines Lebens, insbesondere dank der internationalen Freundschaften, die hoffentlich noch lange halten werden.
Beruflich werde ich nicht alleine durch den Namen "Columbia" im Lebenslauf von meinem Jahr in New York profitieren. Vielmehr eröffnete sich uns Studierenden die Möglichkeit, mit Eigeninitiative sehr viel zu lernen und unser Wissen in einem vorhandenen Rechtsgebiet bedeutend zu vertiefen oder uns sogar ein ganz neues Rechtsgebiet von Grund auf zu erarbeiten. Auch die spezielle Art des Unterrichts ("socratic method") und die ganz eigene Welt des amerikanischen Networkings, in die man während des Aufenthalts eintaucht, brachten mich in meiner Entwicklung voran. Von der Columbia selbst hätte ich mir allerdings mehr Unterstützung in Karrierefragen erhofft. Insbesondere ausländische Student:innen, die direkt im Anschluss an den LL.M. einen Job in den USA suchten, hatten dabei oft Probleme und sind von der Columbia gegenüber den amerikanischen J.D.-Studenten offen benachteiligt worden. Mit viel eigenem Engagement kann man durch das Auslandsjahr zweifelsohne Erfahrung, Kontakte und Qualifikationen gewinnen. Erkaufen kann man sich den Einstieg in die amerikanische Berufswelt aber auch mit den horrenden Studiengebühren der Columbia nicht – selbst wenn dieser Eindruck oft erweckt wird. Dementsprechend kann ich die Betreuung der LL.M.-Student:innen an der Columbia nicht uneingeschränkt positiv beurteilen. Wer sich aber ein bisschen Mühe gibt und mit Begeisterung an das Jahr herangeht, der wird nicht nur eine fabelhafte Zeit in New York verbringen, sondern auch in vielfältiger Weise für den Rest seines Lebens von seinen Erfahrungen profitieren.
Die Autorin steht bei Fragen gerne zur Verfügung: