Berufsbegleitend promovieren: Neben dem Job zum Doktortitel
- Dr. Dennis Kaiser
Du spielst mit dem Gedanken zu promovieren, möchtest aber gleichzeitig deinen Job nicht aufgeben? Wie eine berufsbegleitende Promotion in den Wirtschaftswissenschaften gelingt und was du dabei beachten solltest, verrät Buchautor Dennis Kaiser im Interview.
Dennis, du hast berufsbegleitend promoviert. Wie kam es dazu?
Gegen Ende meines Masterstudiums an der HEC Paris stand ich vor der Frage, ob ich noch promovieren möchte oder erst einmal anfange zu arbeiten. Meine Masterarbeit hatte mir Spaß gemacht, aber nochmal drei bis fünf Jahre ausschließlich am Lehrstuhl zu verbringen, kam für mich nicht in Frage. Die Möglichkeiten einer berufsbegleitenden Promotion kannte ich damals noch nicht.
Zu meinem Glück entdeckte ich eine ausgeschriebene Stelle mit der Möglichkeit einer berufsbegleitenden Promotion in der Finanzbranche, bei der ich zur Hälfte als Consultant tätig war und zur Hälfte an der Schnittstelle von Wirtschaftsinformatik und Marketing promovieren konnte. Mein Vorgänger hatte in diesem Modell von 2012 bis 2015 promoviert und die Stelle wurde zufällig zum Ende meines Masterstudiums nachbesetzt.
Über den Autor
e-fellows.net-Alumnus Dr. Dennis Kaiser stammt gebürtig aus Hessen. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und einem Master in Volkswirtschaftslehre und Finanzen an der HEC Paris arbeitete er als Consultant im Finanzwesen in Frankfurt und promovierte berufsbegleitend am Karlsruher Institut für Technologie in Karlsruhe. Seit 2018 arbeitet Dennis Kaiser für ein Bundesministerium und lebt in Berlin. In seinem Buch "Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften" gibt er angehenden berufsbegleitend Promovierenden viele praktische Tipps und Einblicke in unterschiedliche Modelle und Vorgehensweisen.
Du sprichst von "Modell". Wie kann eine berufsbegleitende Promotion denn ausgestaltet werden?
Im Grunde gibt es vier unterschiedliche Modelle, die in verschiedenen Ausprägungen existieren:
Block-Modell: Am intuitivsten ist das – wie ich es nenne – Block-Modell. Dieses sieht, analog zu einem dualen Studium, alle vier bis sechs Monate einen Wechsel zwischen dem Unternehmen und dem Lehrstuhl vor. Der klare Vorteil: Du kannst dich während der Zeit am Lehrstuhl voll auf die Forschung konzentrieren, ohne Lehrtätigkeiten übernehmen zu müssen. Der Nachteil: Du hast während der Arbeit im Unternehmen eine Doppelbelastung und musst unter Umständen alle paar Monate deinen Lebensmittelpunkt verlegen. Das Modell funktioniert am besten in Kombination mit einer Projekttätigkeit, die es dir erlaubt, vom Projekt genommen zu werden oder für ein paar Monate auszusetzen und in einer späteren Projektphase wieder dazuzustoßen.
Wochenmodell: Sehr ähnlich dazu ist das sogenannte Wochenmodell, bei dem du in jeder Woche abwechselnd je zwei bis drei Tage am Lehrstuhl und im Unternehmen verbringst. Meistens dient der Freitag als Wechseltag. Das Modell funktioniert am besten, wenn die beiden Welten räumlich und inhaltlich nahe beieinander liegen und du im Unternehmen idealerweise einer Linientätigkeit nachgehst.
Leave-Modell: Außerdem gibt es das Leave-Modell, das aufmerksamen e-fellows-Stipendiaten bereits bekannt sein dürfte: Die großen Strategieberatungen bieten nach rund zwei Jahren Tätigkeit auf Strategieprojekten und bei entsprechenden Leistungen die Möglichkeit an, in einer ein- bis dreijährigen Freistellungsphase einer Promotion nachzugehen. Meistens bindest du dich damit noch eine gewisse Zeit an die Unternehmensberatung oder musst die Förderung anteilig zurückzahlen.
Freie Promotion: Zuletzt gibt es noch die freie Promotion, die je nach Ausgestaltung streng genommen schon keine berufsbegleitende Promotion mehr ist. Hier promovierst du in Teilzeit und mit loser Anbindung an den Lehrstuhl. Du sicherst dir deinen Lebensunterhalt durch eine inhaltlich nicht verknüpfte Tätigkeit. Dieses Modell wird leider immer häufiger gewählt und stellt besondere Anforderungen an die Organisation der Promotion dar, da du, noch stärker als bei den anderen Modellen, zwischen zwei Welten jonglieren musst.
Egal, in welchem Modell du schlussendlich promovierst, in keinem Fall solltest du eine Promotion parallel zu einer vollen Berufstätigkeit antreten. Eine Reduktion der Arbeitszeit, idealerweise auf 50 Prozent, ist meines Erachtens unerlässlich.
Die Entscheidung für ein bestimmtes Modell liegt jedoch oftmals gar nicht bei dir. Mein Arbeitgeber war beispielsweise eine Unternehmensberatung in Frankfurt und mein Lehrstuhl war das Karlsruher Institut für Technologie. Daher kam für mich nur das Block-Modell in Frage. Ich habe alle vier Monate zwischen Frankfurt und Karlsruhe gewechselt. In Frankfurt wurde ich immer in Projekten eingesetzt, aus denen ich ein- und ausgephast werden konnte. So war ich beispielsweise an der Ausarbeitung einer Strategie beteiligt und kam nach vier Monaten am Lehrstuhl dann für das dazugehörige Umsetzungsprojekt zurück.
Wie lässt sich eine berufsbegleitende Promotion finanzieren?
Normalerweise bist du während einer berufsbegleitenden Promotion im Unternehmen angestellt und wirst auch während der Zeiten am Lehrstuhl weiterhin bezahlt, sodass keine direkten Kosten entstehen. Manche Unternehmen haben dafür eigene Promotionsprogramme, bei denen du während der berufsbegleitenden Promotion nicht das gleiche Gehalt erhältst wie eine Vollzeitkraft. Viele Arbeitgeber stellen berufsbegleitend Promovierende "nur" mit einer 67-Prozent- oder 75-Prozent-Stelle an, was immer noch ein sehr gutes Gesamtpaket ist, da du nur zur Hälfte im Unternehmen arbeitest.
Und welche Vorteile bietet eine berufsbegleitende Promotion im Promotionsprozess und danach?
Wer berufsbegleitend promoviert hat an mehreren Stellen Vorteile, die reguläre Promovierende am Lehrstuhl nicht haben. Erstens wird die Themenfindung erleichtert, da du direkten Zugang zu Herausforderungen im eigenen Unternehmenskontext hast. Mein Thema wurde inspiriert durch die praktischen Herausforderungen, die ich in der Finanzwirtschaft beobachtet habe und ich führte meine ersten beiden Studien in diesem Kontext durch.
Ein weiterer Vorteil ist die Datenerhebung: Im besten Fall kannst du auf Daten deines Arbeitgebers zurückgreifen oder finanziell von diesem bei der Datenerhebung unterstützt werden. Promovierende am Lehrstuhl müssen häufig viel Zeit in Forschungsanträge stecken oder die Doktoreltern mit Vorstudien überzeugen, bevor sie Mittel für die Datenerhebung bekommen.
Ein dritter Vorteil besteht im Gehalt und den Karrieremöglichkeiten: Du sammelst nicht nur bereits Berufserfahrung und verdienst oft mehr als bei einer Anstellung an einer Universität, sondern kannst auch nach der Promotion mit einem Gehaltsplus von rund 20 Prozent rechnen. Bestimmte Positionen, wie eine Fachhochschulprofessur, kommen sogar ausschließlich mit einer Promotion und mindestens fünfjähriger Berufstätigkeit in Frage.
Gibt es denn auch Nachteile?
Natürlich gibt es auch Nachteile. Beispielsweise ist die Doppelbelastung aus Arbeit und Promotion nicht für alle Lebenslagen geeignet. Außerdem kann berufsbegleitendes Promovieren mit vielen Ortswechseln verbunden sein, da die Doktoreltern und das Unternehmen oft nicht in der gleichen Stadt verortet sind.
An der Uni bist du zudem kein richtiger Promovierender, da du extern angestellt bist und kannst somit häufig nicht auf alle Angebote zugreifen. Und auch im Unternehmen bist du der Exot, da du noch promovierst. Ein Teil beider Welten zu sein, kann demnach auch bedeuten, überall zwischen den Stühlen zu sitzen.