Uni oder FH?: Theorie versus Praxis
- Cindy Mittelbach
"Zahlenbeispiele? Wir sind doch hier nicht an der FH!" Zugegeben, der ein oder andere Professor:innenkommentar ist nicht gerade hilfreich, den ewigen Krieg zwischen den FHs und Unis endgültig zu besänftigen. Aber zumindest etwas Wahres muss doch an den Sprüchen dran sein?
FH oder Uni? Diese Frage stellt sich nicht nur Studienanfänger:innen, sondern auch Studierenden auf der Suche nach dem richtigen Master. Zunächst einmal: Die Unterschiede zwischen den Hochschulformen weichen immer weiter auf. Fakt ist aber, dass für ein FH-Studium normalerweise die Fachhochschulreife ausreicht. Universitäten verlangen in aller Regel das Abitur.
Theorie kontra Praxis
Universitäten definieren sich durch einen ausgeprägten Forschungsbezug, und nur sie besitzen deshalb das Promotions- und Habilitationsrecht. Die Themen der Lehrveranstaltungen sind häufig grundlagenorientiert und damit "theoretischer" als die der Fachhochschulen. An Universitäten wird interessierten und geeigneten Studierenden mehr Raum gegeben, sich auf die Wissenschaft und eine Hochschullaufbahn vorzubereiten.
FHs: Die Anwendung steht im Vordergrund
An den Fachhochschulen, die sich auch als "Universities of Applied Sciences" oder schlicht "Hochschule" bezeichnen, steht dagegen der Anwendungsbezug der Studieninhalte im Vordergrund. Das Fachhochschulstudium ist praxisorientierter und konzentriert sich weniger auf die Qualifizierung für eine Karriere in der Forschung. Der geringere Praxisbezug wird von den Uni-Studierenden entsprechend oft kritisiert: Nach einer Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) bewerten 35 Prozent ihr Studium in Punkto Praxis als schlecht, an Fachhochschulen bestätigten das nur 14 Prozent. Geht es um die Forschung, ist es genau umgekehrt: 35 Prozent der Uni-Student:innen, aber nur 24 Prozent der FHler sehen diese als gut vertreten an.
Unis kooperieren mit Unternehmen, FHs forschen
Doch diese Unterschiede lösen sich zunehmen auf: Immer mehr Unis nehmen Praxisprojekte und Kooperationen mit der Wirtschaft in ihre Lehrpläne auf. Und seit 2006 unterstützt das Bundesbildungsministerium die Fachhochschulen mit der Initiative "Forschung an Fachhochschulen".
Massenvorlesung? Nicht an der FH
An Fachhochschulen ist die Anzahl der Studierenden in der Regel geringer als an den Universitäten. Solltest du dir also nicht vorstellen können, mit hunderten Kommiliton:innen im Hörsaal zu sitzen, kommt für dich eher eine Fachhochschule in Frage. So zeigt der Studienqualitätsmonitor des Hochschul-Informations-Systems (HIS), dass besonders Universitätsstudenten unter überfüllten Hörsälen leiden: 50 Prozent sehen sich beim Lernen beeinträchtigt, bei den FHlern sind es nur 20 Prozent.
Geisteswissenschaften meist nur an Unis
Während Unis ein großes Spektrum an Fächern anbieten, sind FHs oft spezialisiert – etwa auf Naturwissenschaften, Wirtschaft oder Sozialwesen. Viele anwendungsorientierte technische Studienrichtungen können nur an Fachhochschulen studiert werden, manche geisteswissenschaftlichen Fächer dagegen nur an Universitäten.
Verschultes FH-Studium
Auch wenn die Unterschiede bedingt durch den Bologna-Prozess immer weniger erkennbar sind, ist das FH-Studium gegenüber dem Universitätsstudium meist noch verschulter. Auch die kleineren Kurse erinnern mehr an die Schulzeit. Außerdem machst du an der FH in der Regel mehr Pflichtpraktika – was bei Arbeitgebern später gut ankommt.
FHler schneller in Leitungspositionen
Beim Jobeinstieg punkten die Fachhochschüler:innen. Die Absolvent:innenbefragung 2007 des Spiegels ergab, dass FH-Absolvent:innen fast aller Fachbereiche schneller eine Vollzeitstelle finden als ihre Kommiliton:innen von der Uni. Vor allem bei den Ingenieur:innen macht sich das bemerkbar. Auch später liegen die FHler vorne: Fünf Jahre nach Studienabschluss arbeiten laut der HIS-Absolvent:innenstudie zirka 30 Prozent der FH-Absolvent:innen in einer Leitungsfunktion. Bei den Uni-Alumni sind es nur circa 20 Prozent.
Auf Führungsebene kaum FH-Absolvent:innen
Doch wirft man einen Blick auf Führungspositionen, zeigt sich ein ganz anderes Bild: Hier sind die FH-Absolvent:innen in der Minderheit. Zitat Jens Hohensee, Senior-Berater von Kienbaum Executive Consultants: "Für Positionen in der Leitungsebene unterhalb des Vorstands werden Uni-Absolvent:innen bevorzugt". In den Vorständen der DAX-Unternehmen haben fast alle ein Uni-Diplom oder gar einen Doktortitel. Obwohl die FHler:innen schneller Karriere machen, fallen ihre Einstiegsgehälter geringer aus als die ihrer Uni-Kolleg:innen. Nach der Vergütungsberatung Personalmarkt hat ein:e BWL-Absolvent:in mit Uni-Diplom ein durchschnittliches Bruttogehalt von 41.244 Euro, der/die FH-Diplombesitzer:in verdient zu Anfang lediglich 38.386 im Schnitt.
Mit steigender Berufserfahrung öffnet sich die Schere
Nach fünf bis zehn Jahren Berufserfahrung klafft die Schere sogar noch weiter auseinander: Der/die Uni-BWLer:in verdient durchschnittlich 60.000 Euro, während sich ein/e FHler:in mit etwa 54.000 Euro zufrieden geben muss. Bei den Maschinenbauer:innen sind es rund 58.000 Euro (Uni) und 55.000 Euro (FH). Bei Bachelor-Gehältern allerdings trennt Personalmarkt heute schon nicht mehr zwischen Uni und FH. "Es wird in Zukunft nur noch darauf ankommen, ob man den Master hat oder nicht – die neuen Abschlüsse ändern das Vergütungssystem", meint auch Jens Hohensee von Kienbaum.
Welcher Lerntyp bist du?
Am Ende, so rät Wolfgang Loggen von der Zentralen Studienberatung der RWTH Aachen, sollte "die Lernkultur der Hochschultypen ausschlaggebend sein für die Entscheidung". Sprich: Wenn du dich immer fragst, wozu das Gelernte später gut sein soll, dann bist du an der FH gut aufgehoben. Wenn du dich auch mal gerne in Theorien und Grundlagen verbuddelst oder eine Forschungskarriere anstrebst, sollte die Uni deine Wahl sein.
Ab an die FUNI!
Für Unentschiedene lässt sich noch ein Weg empfehlen, der beide Welten vereint und es auch dem/der letzten Personaler:in recht machen muss: Die FUNI-Karriere. Hierbei bleibt es dir überlassen, ob du zunächst an die FH gehst und dann den Master an der Uni machst oder umgekehrt. Der Wechsel erweitert deinen Horizont und zeigt, dass du an der Uni und an der FH bestehen kannst.