McKinsey Initiative "Chefsache": "Frauen sind ihrer Zeit voraus"
- Maximilian Fleschhut
Ausgerechnet ein Mann kümmert sich bei McKinsey um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Martin Huber erklärt, warum das Thema nichts mit Gleichmacherei zu tun hat, warum Frauen manchmal die besseren Berater sind und was McKinsey für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tut.
Im Juli fand in Berlin der Auftakt zur Initiative "Chefsache" statt. Elf Gründungsmitglieder, darunter McKinsey, Allianz, Bosch, DIE ZEIT, Siemens, das Bundesministerium für Verteidigung, der Deutsche Caritasverband und die Fraunhofer-Gesellschaft haben sich für ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen zusammengeschlossen. Dem Netzwerk gehören Top-Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialwirtschaft, öffentlichem Sektor und Medien an. Im gegenseitigen Austausch wollen sie Lösungen aus der Praxis vorantreiben und Impulse für einen gesellschaftlichen Wandel in Deutschland geben. Die Initiative steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Martin Huber (47) ist Direktor bei McKinsey. Gemeinsam mit seiner Münchner Partner-Kollegin Linda Dauriz ist er unternehmensinterner Ansprechpartner für die Initiative "Chefsache".
Herr Huber, Sie treiben bei McKinsey die Initiative "Chefsache" voran. Warum kümmert sich ausgerechnet ein Mann um Frauenförderung?
Es geht bei "Chefsache" ja nicht ausschließlich um Frauen, sondern allgemein um das Geschlechterverhältnis in Führungspositionen, insofern betrifft das Thema sowohl Frauen als auch Männer. Und als Mann kann ich bei meinen Geschlechtsgenossen umso mehr erreichen.
Was genau haben die Unternehmen von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis - außer guter Presse?
Der entscheidende Punkt ist, dass wir ein enormes Potenzial verschenken, wenn wir weibliche und männliche Talente nicht gleichermaßen berücksichtigen. McKinsey und die anderen an "Chefsache" beteiligten Unternehmen haben den Pool an weiblichen Talenten bisher viel zu wenig ausgeschöpft. Es ist also in unserem eigenen Interesse, den Frauenanteil zu erhöhen. Mit Blick auf die demografischen Verhältnisse in Deutschland wird es zudem in naher Zukunft noch schwieriger werden, neue, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Gerade für die deutsche Volkswirtschaft, deren Erfolg auf hoher Qualität beruht, ist das eine große Herausforderung.
Das Ziel ist also eine höhere Anzahl an High Potentials?
Auch, aber nicht ausschließlich. Frauen und Männer haben unterschiedliche Perspektiven auf ein Thema, unterschiedliche Denkansätze und Herangehensweisen. Bei McKinsey haben wir die Erfahrung gemacht, dass gemischte Teams produktiver sind als solche mit überproportionalem Männeranteil. Klienten geben Beraterinnen oft sogar besseres Feedback als ihren männlichen Kollegen. Denn Frauen bringen für einige Arten von Projekten, zum Beispiel große Transformationsprojekte, einen besonders geeigneten Führungsstil mit: partizipativer und gesamtheitlicher.
Dann geht es gar nicht um Gleichmacherei?
Ganz im Gegenteil. Frauen und Männer brauchen teils sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen, um gut arbeiten zu können. Die Zufriedenheit der weiblichen Kollegen misst sich nun mal an anderen Maßstäben als die der Männer. Das besagen nicht irgendwelche Klischees, sondern die Auswertungen unserer regelmäßig bei McKinsey durchgeführten Surveys. Unter anderem haben Frauen die Themen "Inspirational Leadership" und "Sustainable Lifestyle" schlechter bewertet als ihre männlichen Kollegen. Das heißt, sie erwarten sich von Führungskräften nicht nur auf professioneller, sondern auch auf persönlicher Ebene hohe Kompetenzen und legen mehr Wert auf Work-Life-Balance. Das können wir nicht einfach ignorieren. Man kann sogar sagen, dass Frauen hier ihrer Zeit voraus sind, weil diese Themen in der Arbeitswelt allgemein immer wichtiger werden.
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Mit welchen Maßnahmen wollen Sie ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis erreichen?
Zunächst einmal versuchen wir, beim Recruiting Frauen stärker anzusprechen. Zweitens fördern wir sie entsprechend, wenn wir sie als Mitarbeiterinnen gewonnen haben. Da haben wir gesehen, dass unsere bisherigen Maßnahmen zur Mitarbeiterförderung sehr stark auf Männer ausgerichtet waren. Wir achten deshalb insbesondere darauf, Best Practices für ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen. Das betrifft zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Wie können wir Mitarbeitern eine sinnvolle Kinderbetreuung ermöglichen? Wie gestaltet man Teilzeitarbeit? Wie funktioniert der Wiedereinstieg nach der Elternzeit? Hier versuchen wir, Lösungen zu standardisieren – so werden diese zum Normalfall und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie irgendwann zur Selbstverständlichkeit. All dies wiederum kommunizieren wir sehr offen an unsere Mitarbeiter und stellen ergänzend Mentoren zur Verfügung. So machen wir deutlich, dass Mitarbeiter mit einem entsprechenden Anliegen auf offene Ohren stoßen werden.
Während der Klientenarbeit treffen Sie auf die verschiedensten Branchen und Führungsstrukturen. Hat in manchen Branchen oder Unternehmen schon ein Kulturwandel begonnen?
Das Verständnis ist über alle Branchen hinweg da. Unterschiede sehe ich nur in der Geschwindigkeit der Fortschritte und beim Vergleich der Hierarchieebenen: In der oberen Führungsebene ist dieser Kulturwandel noch nicht so angekommen wie in der mittleren. "Chefsache" bindet deshalb gezielt die obersten Entscheidungsträger mit ein. Wenn ich zehn Jahre zurückdenke, sehe ich aber bereits positive Entwicklungen.
Was fehlt noch, um überholte Rollenbilder zu überwinden, und was wäre für die nächste Generation wünschenswert?
Es braucht Vorbilder, die zeigen, dass jeder das werden kann, wofür er am meisten Talent hat – unabhängig vom Geschlecht. Ich wünsche mir für die Zukunft eine Arbeitswelt, in der die Differenzierung zwischen Männer- und Frauenberufen obsolet ist. Neulich habe ich mich sehr gefreut, als meine Tochter eines Morgens zu mir sagte, dass sie Erfinderin werden wolle. Ich fand es schön, dass sie da keine Selbstzensur hat im Sinne von "Mädchen können das nicht". Das liegt sicher auch daran, dass meine Kinder mit zwei beruflich etwa gleich erfolgreichen Eltern aufwachsen und deshalb den Erfolg nicht in Zusammenhang mit dem Geschlecht bringen. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, das Thema tatsächlich zur Chefsache zu machen. Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis kann nur erreicht werden, wenn die Führungsebene dies als ein Ziel des Unternehmens betrachtet.