Erfahrungsbericht – Bar Exam in New York: "Eine der weltweit renommiertesten Universitäten"
- Levent Sabanogullari
Levent Sabanogullari entschied sich, im Anschluss an seinen LL.M. an der NYU das Bar Exam zu wagen. Wie er sich vorbereitet hat und ob er die Prüfung bestanden hat, erfährst du hier.
Um meinen Interessenschwerpunkt, das Wirtschaftsvölkerrecht, zu vertiefen, entschied ich mich nach meinem Ersten Staatsexamen zu einem LL.M. in International Legal Studies an der New York University. Die NYU gilt als eine der weltweit renommiertesten Universitäten in diesem Bereich und bot sich daher besonders an.
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Im direkten Anschluss an mein LL.M.-Studium begann für mich die Vorbereitung auf das New York State Bar Exam. Meine Motivation speiste sich aus der Möglichkeit, einen vertieften Einblick in das US-amerikanische Rechtssystem zu erlangen. Natürlich spielte aber auch eine Rolle, dass der erfolgreiche Abschluss mit der Zulassung zum Rechtsanwaltsberuf in New York State einhergeht und auch in Deutschland zum Führen des Titels eines Attorney and Counselor-at-Law (New York) berechtigt. Hiervon versprach ich mir nicht zuletzt Vorteile bei Bewerbungen im internationalen Bereich. Auch die Chance, knapp zweieinhalb Monate länger in New York leben zu können, mochte ich mir nicht entgehen lassen.
Die Prüfungsanmeldung: Nichts für Ungeduldige
Dem Bar Exam ging ein beträchtlicher organisatorischer Aufwand voraus, sodass die Entscheidung zu dessen Ablegung möglichst frühzeitig, idealerweise zu Beginn des LL.M., getroffen werden sollte. Wichtig für deutsche Bewerber ist vor allem, während des LL.M. die notwendige Anzahl an Kursen im US-amerikanischen Recht zu belegen. Reichten bis vor ein paar Jahren noch wenige Kurse aus, wurden die Anforderungen in jüngerer Vergangenheit deutlich verschärft. Die jeweils gültigen Bestimmungen können auf der Internetpräsenz des New York State Board of Law Examiners (www.nybarexam.org) nachgelesen werden.
Nicht gerade einfach zu beschaffen war auch der Nachweis, dass ich trotz fehlenden Zweiten Staatsexamens bereits alle Leistungsanforderungen erfüllte, um zum Anwaltsberuf in Deutschland zugelassen zu werden. Insbesondere die Kommunikation mit dem Justizprüfungsamt gestaltete sich aufgrund der Zeitverschiebung zur US-Ostküste als mühsam. Nach einigen nächtlichen Telefonaten und zahlreichen E-Mails konnte ich meine Ansprechpartnerin aber letztendlich davon überzeugen, dass nicht etwa ein abgeschlossenes Referendariat, sondern lediglich ein universitärer Abschluss erforderlich ist. So durfte ich einen Formulierungsvorschlag für eine Bescheinigung einreichen, dem im Grundsatz entsprochen wurde. Leider konnte diese Bescheinigung nur in deutscher Sprache ausgestellt werden, sodass ich das Schreiben noch übersetzen und beglaubigen lassen musste. Die Zusammenstellung der restlichen Unterlagen (u. a. Übersetzungen und Beglaubigungen von Zeugnissen sowie eine von der Heimatuniversität ausgestellte Übersicht über belegte Kurse und Noten) war dagegen weniger nervenaufreibend, kostete aber auch Zeit.
Die Prüfungsvorbereitung: Masse statt Komplexität
Im Bar Exam wird eine beträchtliche Bandbreite der US-amerikanischen und der New Yorker Rechtsordnung abgeprüft. Der zu erlernende Stoff ist dabei zumeist nicht sonderlich komplex; insbesondere müssen weder Gesetzestexte noch Präzedenzfälle auswendig gelernt oder Streitstände repetiert werden. Die Herausforderung besteht vielmehr in der schieren Masse an Informationen, die man in kürzester Zeit verinnerlichen muss. Daneben sollte viel Zeit auf Übungsaufgaben verwendet werden, um ein Gefühl für Aufgabentypen, beliebte Fallstricke und die notwendige Klausurtaktik zu erlangen.
Zur Vorbereitung entscheiden sich fast alle Kandidaten für den Besuch eines Repetitoriums. Ich wählte den Marktführer BARBRI, der gegen einen stolzen vierstelligen Betrag Vorlesungen zu allen relevanten Themengebieten organisiert, mich mit Unterrichts- und Übungsmaterialen versorgte und darüber hinaus eine Telefonseelsorge für frustrierte Kandidaten anbietet. Die täglichen Vorlesungen bestanden fast ausschließlich aus dem Vorlesen und Ergänzen eines vorher ausgeteilten Lückentextes. Ungewohnt war, dass man mit den Dozenten nicht interagieren konnte, sondern nur einer Videoübertragung folgte. Insgesamt erleichtert der Besuch eines Repetitoriums die Vorbereitung aber erheblich.
Die Prüfung
Ende Juli fand dann die zweitägige Prüfung für mehrere Tausend Kandidaten gleichzeitig in einer angemieteten Messehalle statt. Am ersten Tag wurde US-Bundesrecht anhand von 200 Multiple-Choice-Fragen abgefragt (Multistate Bar Examination – MBE). Am zweiten Tag befassten wir uns mit dem Recht des Bundesstaats New York und bearbeiteten fünf "essay questions" (vergleichbar mit der Fallbearbeitung in einer deutschen Klausur), 50 Multiple-Choice-Fragen und eine Praxisaufgabe, bei der auf Grundlage einer fiktiven Akte wechselnd ein Anwaltsbrief an die Gegenseite, ein Plädoyer vor Gericht o. ä. zu schreiben ist (Multistate Performance Test – MPT). Eine knappe Woche danach war abschließend noch ein zweistündiger Test über standesrechtliche Regeln des Anwaltsberufs zu absolvieren (Multistate Professional Responsibility Examination – MPRE). Welche Punktzahl zum Bestehen ausreicht, wird nicht mitgeteilt und hängt von den Leistungen der anderen Kandidaten ab. Als Richtwert gilt, dass zwei Drittel der Multiple-Choice-Fragen richtig beantwortet werden müssen und der überwiegende Teil der Essays überzeugen muss. Die Bestehensquote von Kandidaten mit ausländischem Abschluss liegt regelmäßig bei lediglich rund 40 Prozent, wobei in Deutschland ausgebildete Kandidaten erfahrungsgemäß überdurchschnittlich abschneiden.
Im Erfolgsfall wird man aufgefordert, eine Reihe notariell beglaubigter Unterlagen einzureichen und anschließend zur Eidesleistung nach Albany eingeladen. Die dortige Zeremonie vor den Richtern des New York State Supreme Court markierte einen feierlichen Moment und bot die schöne Gelegenheit, Freunde aus dem LL.M. wiederzusehen.