Examen ohne Repetitorium: Vor­be­rei­tung auf eigene Faust

Autor*innen
Sabine Olschner
Person hebt den Finger, als ob sie eine Idee hat. Mit der anderen Hand hält sie ein Stück ihres Kopfes hoch, so dass ein Gehirn sichtbar wird. Darüber zeichnet eine Hand eine Glühbirne.

Das Gros der Jurastudenten besucht ein Repetitorium, um sich auf das Staatsexamen vorzubereiten. Das liegt nicht zuletzt daran, wie das Jurastudium ausgestaltet ist. Erfolg kann man aber auch haben, ohne dafür viel Geld zu bezahlen.

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Der ganz überwiegende Teil der Jurastudenten geht vor dem Examen zum Repetitor und zahlt dafür viel Geld. Dabei sollte man doch meinen, dass ein langjähriges Studium eigentlich ausreichend auf die wichtigsten Prüfungen dieses Studiengangs vorbereiten muss. Was also läuft schief?

"Der Hauptgrund ist die Struktur des Jurastudiums", erklärt Prof. Dr. Horst Dreier vom Lehrstuhl für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg. Auf die universitäre Ausbildung folge eine Staatsprüfung, in der fast immer konkrete Fälle gelöst werden müssten. "Juristische Vorlesungen haben aber einen wissenschaftlichen Anspruch. Sie sollen sich gerade nicht auf die Praxisvorbereitung beschränken, sondern Grundlagen legen und Reflexionswissen fördern."

Immer mehr juristische Fakultäten bieten zwar mittlerweile ein breites Zusatzangebot an speziellen Veranstaltungen zur Examensvorbereitung an. Dennoch bleibt die Ungewissheit, was konkret im Examen geprüft wird. "Alle Jurastudenten eines Bundeslandes legen zur gleichen Zeit Prüfungen mit den gleichen Fällen und Fragen ab – ganz egal, ob die zugrunde liegenden juristischen Inhalte an ihren Universitäten gelehrt wurden oder nicht", so Dreier. "Daher wirkt gerade auf schwächere Jurastudenten das Versprechen von privaten Repetitoren attraktiv, dass sie die ganze Breite von möglichen Prüfungsinhalten abdeckten und die Kandidaten damit gut für das Examen gewappnet seien."

Vor 30 Jahren: War die einstufige Juristenausbildung geeigneter?

Der heute 65-jährige Dreier studierte von 1975 bis 1981 Rechtswissenschaften an der Universität Hannover. Ein privates Repetitorium hat er nicht besucht. "Damals hatten wir in einigen Bundesländern, so auch in Niedersachsen, den Modellversuch einer einstufigen Juristenausbildung." Das bedeutete: Im Studium wechselten sich Theorie und Praxis ab. Nach einigen Semestern an der Universität ging es jeweils passend zu den Lehrinhalten anschließend zum Zivil-, Straf- oder Verwaltungsgericht bzw. zum Anwalt, um das erlernte Wissen direkt anzuwenden.

"Auf das Examen haben wir uns dann in Kleingruppen vorbereitet. Die verschiedenen Prüfungsaufgaben, die nicht nur Klausuren umfassten, erhielten wir von unseren Professoren und von Praktikern – und nicht von einem staatlichen Prüfungsamt." Die einstufige Juristenausbildung aus den 70er-Jahren hat sich jedoch nicht durchgesetzt. "Sie war schlicht zu teuer, weil sie auf Kleingruppen und nicht auf Massenvorlesungen setzte. Der Betreuungsaufwand war entsprechend höher", so Dreier.

Repetitor: Es geht auch um den enormen psychischen Druck

So müssen Jurastudenten heute selber herausfinden, wie sie das Fällelösen lernen wollen und welche verschiedenen Methoden es dafür gibt. Hier kommen die Repetitorien ins Spiel: "Wir helfen den Studierenden, aus der großen Flut an Informationen das herauszufiltern, was für das Examen wirklich wichtig ist", sagt Dr. Rolf Krüger, Geschäftsführer des Repetitoriums Alpmann Schmidt. "Wir zeigen unseren Teilnehmern, die Rechtsprobleme im Fall wiederzuerkennen und an der richtigen Stelle in der Lösung darzustellen. Außerdem unterstützen wir die Studierenden, mit dem enormen psychischen Druck des Examens fertig zu werden."

Er betont aber auch: Wer die Fähigkeiten zur Selbstorganisation und Selbstmotivation mitbringt und weiß, wie er sich das passende Wissen aneignet, brauche kein Repetitorium. Das schafften aber nur ganz wenige, so sein Eindruck. "Die meisten – auch hochbegabte Juristinnen und Juristen – vertrauen eben doch auf die Erfahrung von Spezialisten in der Examensvorbereitung".

"Ein Repetitorium ist doppelte Arbeit"

Einer, der für das Examen ohne externe Hilfe gelernt hat, ist Thomas Kahn. Der 31-Jährige hat sich vor den Prüfungen zwar mal ein Repetitorium probeweise angeschaut. "Aber mir erschien das als doppelte Arbeit: Was ich vormittags in den Veranstaltungen gehört habe, muss ich ja trotzdem nachmittags auf Karteikarten schreiben, um damit zu lernen." Er entschloss sich daher dazu, im eigenen Tempo weiterzumachen, auch, um sich nicht an die Lerngeschwindigkeit des Repetitoriums anpassen zu müssen.

Statt die Lerninhalte per Hand auf Karteikarten zu schreiben, nutzte Kahn die kostenlose Lernkartei-Software Anki. Der Unterschied zu Papierkarten: Der Software-Algorithmus berechnet, in welchen Intervallen die Inhalte wiederholt werden müssen, damit sie im Langzeitgedächtnis bleiben. Außerdem sagt Kahn: "Ich kannte damals niemanden, der sich ohne Repetitorium auf das Examen vorbereitet hat. Ich habe auch nicht den Austausch gesucht, weil es mich vielleicht nervös gemacht hätte, dass die Kommilitonen auf einem anderen Wissensstand sind wie ich."

Er würde es jedenfalls wieder genauso machen, denn die Ergebnisse können sich sehen lassen: im ersten Examen knapp 12 Punkte, im zweiten neun Punkte. "Natürlich gehört im Examen auch immer Glück dazu. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mit einem Repetitorium ein noch besseres Ergebnis erzielt hätte." Er gibt allerdings zu: "Eine große Herausforderung war die Zeiteinteilung für die zu lernenden Inhalte." Um es künftigen Studenten, die ohne Repetitorium lernen wollen, einfacher zu machen, bietet er einen kostenlosen Lernplaner zum Download an.

"Ich wollte nicht für einen erfolgreichen Abschluss zahlen"

Thorsten Deppner entschied sich aus einem anderen Grund gegen ein Repetitorium: "Ich habe damals nicht eingesehen, dass ich dafür zahlen soll, um erfolgreich mein Studium abzuschließen", sagt der 39-Jährige. An der Universität Freiburg war er mit dieser Meinung nicht allein. Daher fanden sich schnell Gleichgesinnte, die eine Arbeitsgruppe gründeten und für sich lernten. "Wir haben mit vier Leuten zwei- bis dreimal in der Woche Räumlichkeiten der Universität genutzt und gemeinsam Fälle bearbeitet, die einer von uns vorbereitet hatte."

Ausschlaggebend für diese Entscheidung war ein Buch mit dem Titel "Examen ohne Repetitor: Leitfaden für eine selbstbestimmte und erfolgreiche Examensvorbereitung", das er im Studium geschenkt bekam. "Es hat mich motiviert, die Vorbereitung in die eigenen Hände zu nehmen." Mittlerweile ist Deppner einer der Autoren des Buches, das regelmäßig mit Beiträgen aktueller Autoren neu aufgelegt wird.

Mitautorin Prisca Feihle ist genauso wie Deppner davon überzeugt, dass ein Repetitorium nur eine vermeintliche Sicherheit bietet. Sie hat in ihrer Examenszeit deshalb ebenfalls eine Lerngruppe für die Examensvorbereitung gebildet. Die ehemalige Studentin der Berliner Humboldt-Universität hat, ebenso wie ihr Kollege aus Freiburg, parallel zum eigenständigen Lernen einzelne Veranstaltungen des Uni-Repetitoriums besucht – ein nicht-kommerzielles Angebot für Jurastudenten, wie es mittlerweile mehrere Hochschulen anbieten.

"Es kommt auf den Lerntypen an", betont Feihle. Manch einer lerne am meisten über die Diskussion in der Lerngruppe oder das Lesen von Lehrbüchern, andere nähmen mehr über das Zuhören bei Vorlesungen mit. "Aber bevor man die Entscheidung für ein kommerzielles Rep trifft, und das womöglich nur, weil alle dorthin gehen, sollte man sich erst einmal über andere Möglichkeiten informieren." Für Beispielfälle zum Selberbearbeiten gebe es genügend Quellen, zum Beispiel Ausbildungszeitschriften oder Fallbücher. "Außerdem haben uns unsere Professoren bei Fragen stets weitergeholfen", so Feihles und Deppners Erfahrung. Wer sich zudem am Anfang der Vorbereitungsphase mit einem gut durchdachten Lernplan einen Überblick verschaffe, könne es gut allein schaffen, sind die beiden sicher.

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