Teilzeitstudium: Halbe Zeit mit voller Kraft

Autor*innen
Deike Uhtenwoldt und Max Hüttmann
Junge Frau sitzt im Schneidersitz auf Wolken, sie hat einenLaptop auf dem Schoß und lächelt. In Hintergrund eine Hand, die das OK-Zeichen macht, und ein Diagramm mit Pfeil nach oben.

Der Trend zum Teilzeitstudium ist seit Langem ungebrochen. Es gibt mehrere Modelle und verschiedene Motive – gar nicht so leicht, sich da zurechtzufinden.

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Von 8 Uhr früh bis 18 Uhr abends reicht Alinas Stundenplan. Dazwischen sind kaum weiße Flecken, oft bleibt nur eine Viertelstunde, um die fünf Kilometer zwischen Unternehmen und Hochschule zu überwinden: Seit einem halben Jahr arbeitet und studiert Alina parallel. Ihren Nachnamen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, den Namen ihres Arbeitgebers, der diese Doppelbelastung mitträgt und vor allem finanziert, dagegen schon: Nach einer Berufsausbildung zur Fachinformatikerin bei dem Hamburger Spieleentwickler Innogames hat die 21-Jährige einen neuen Vertrag mit ihrem Ausbildungsbetrieb unterzeichnet. Er garantiert ihr organisatorische und finanzielle Flexibilität, um innerhalb von vier Jahren den Bachelor-Studiengang "Gamedesign and Management" an der privaten Hochschule Fresenius abzuschließen.

Kein leichtes Spiel: Es handelt sich um ein Vollzeitstudium in Präsenz, das die Hochschule allerdings auch in einer Teilzeitvariante am Online-Campus anbietet. Alina könnte also auch berufsbegleitend, ortsunabhängig und ein Jahr länger studieren, ohne ihre berufliche Karriere zu unterbrechen – und hat sich dagegen entschieden. "Ich arbeite und lerne sehr ungern von zu Hause", sagt sie. Den Berufswunsch Gamedesignerin hatte sie schon in der Schule und wollte ihn unbedingt in Kombination mit der Praxis und einem festen Team angehen. Auch den Studiengang hat sie bewusst nach Analyse der Modulhandbücher ausgewählt. "Das sind die Inhalte, mit denen ich mich die nächsten drei Jahre intensiv auseinandersetze", sagt die Studentin. Ein Semester hat sie schon geschafft und will die Regelstudienzeit einhalten, obwohl ihr Vertrag zwei Puffersemester erlaubt: "In der Theorie könnte ich meine Studienzeit um ein Jahr verlängern. Aber das ist nicht mein Plan."

Das inoffizielle Modell ist am weitesten verbreitet

Wenn dieser Plan aufgeht, trägt Innogames weiterhin die Studiengebühren, monatlich 850 Euro. Im Gegenzug hat sich Alina verpflichtet, im laufenden Semester 25 Wochenstunden im Unternehmen zu arbeiten, in der vorlesungsfreien Zeit sogar 40 Wochenstunden. Ein Fulltime-Job, der sich mit einem Vollzeitstudium beißt. Zumindest für den Fiskus ist nur Student, wer mehr Zeit fürs Studium aufwendet als für die Arbeit. Aber selbst die in der Vorlesungszeit erlaubten bis zu zwanzig Wochenarbeitsstunden bringen viele Studierende an eine Grenze – und damit in ein selbst organisiertes Teilzeitstudium. "Es gibt drei große Modelle beim Teilzeitstudium. Am verbreitetsten ist das inoffizielle", sagt Cort-Denis Hachmeister.

Der Datenanalyst am Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) verfolgt den Trend zum Teilzeitstudium seit Jahren. Aktuell sei zwar die offizielle Zahl der Teilzeitstudierenden leicht zurückgegangen und liege bei weniger als 8 Prozent. Fragt man allerdings die Studierenden selbst, gibt rund ein Fünftel von ihnen an, nicht in Vollzeit zu studieren. Das macht die größte Gruppe der Teilzeitstudierenden. An zweiter Stelle kämen offizielle Teilzeitstudiengänge, wie sie verstärkt private Hochschulen oder auch die Fernuni Hagen anbieten, sagt Hachmeister. An dritter Stelle stehe die individuelle Teilzeit: "Der Bedarf ändert sich, man kann nur noch halb so schnell studieren und stellt einen Antrag", erklärt der Fachmann und verweist auf Fälle wie Elternschaft, Existenzgründung oder eine chronische Erkrankung, die Studierende dazu zwingt, ihr Pensum zu reduzieren: "Teilzeitstudium bedeutet, dass man die Regelstudienzeit verdoppelt", sagt Hachmeister. Das hat Folgen, über die man sich vorab informieren sollte. Vor allem der Anspruch auf eine Bafög-Förderung fällt weg, oft auch das Werkstudentenprivileg in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Dagegen wiegt der Vorteil einer offiziell verlängerten Regelstudienzeit meist weniger, zumal Exmatrikulationen oder Langzeitstudiengebühren selten geworden sind, sagt Hachmeister.

Daher gilt es, im ersten Schritt zu prüfen, ob ein formales Teilzeitstudium sinnvoll ist, und die Beratung der Hochschulen wahrzunehmen. "Gerade Fragen zur Studienorganisation sollte man klären, bevor man sich für einen Studiengang in Teilzeit einschreibt", sagt Tilman Dörr. Der Bereichsleiter für Bildung bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) adressiert damit vor allem das Gros der Teilzeitstudierenden: Es ist älter als 31, berufserfahren und oft schon familiär gebunden.

Wechsel zwischen Teilzeit und Vollzeit ist möglich

Die von dieser Klientel gesuchte Flexibilität böten inzwischen alle Hochschulen: "In den meisten Fällen kann man von Semester zu Semester zwischen Teilzeit und Vollzeit wechseln, wenn es sich nicht um einen expliziten Teilzeitstudiengang handelt", sagt Dörr.

Allerdings ist das Thema in staatlichen Hochschulen nicht so präsent, wie die Schlagworte vom "lebenslangen Lernen" und "Studieren in jeder Lebenslage" glauben machen. Am wenigsten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, hat das CHE ermittelt. An der HAW Hamburg etwa nutzten nur etwa zwei Prozent der rund 17.000 Studierenden aktuell Teilzeitangebote, sagt Regina Beuck, Leiterin des Studierendenzentrums. Flexiblere Angebote, mehr Kompaktseminare, auch am Wochenende, und digitale Formate fordert dagegen die Mehrheit und nimmt dafür weniger soziales Miteinander in Kauf. Das wiederum hat Folgen für die Lehrplanung: "Es ist schwieriger, konsistente Lerngruppen zu bilden und Praxisanwendung vor Ort zu bieten, wenn die örtlichen und zeitlichen Bedarfe so unterschiedlich sind", sagt Beuck. Das Beratungsteam der HAW sieht sich zunehmend mit identischen Fragen konfrontiert. Die Studierenden möchten wissen, wie sie ihre vielfältigen Verpflichtungen unter einen Hut bringen können, berichtet Beuck. Sie empfiehlt Sichtung, Reduktion, eine stärkere Einbindung des Netzwerks – und durchaus auch den Antrag auf ein Teilzeitstudium. Gerade wenn sich Ratsuchende komplett überfordert fühlen, biete das Entlastung, sagt Beuck. "Nur noch die Hälfte der Anforderungen in der gleichen Zeit erreichen zu müssen, mindert den Druck."

Das ist auch das Argument, das für offizielle Teilzeit-Studienangebote spricht: Sie bieten ein reduziertes Curriculum und flexible Module. In der berufsbegleitenden Variante müsste Alina nicht ihren Wochenplan jedes Semester neu stricken, mit ihrem Team abstimmen und sich zwischen Uni und Firma abhetzen.

Fachbegriffe aus der Vorlesung direkt im Meeting anwenden

Derzeit allerdings ist es gerade der fliegende Wechsel zwischen Campus und Firma, der die Studentin beflügelt. "Alle möchten, dass ich diesen Erfolg habe", glaubt Alina. Oft genug kann sich das frisch an der Hochschule Gelernte auf der Arbeit sofort wieder auspacken. "Die Fachbegriffe, die ich in den Vorlesungen lerne, kann ich in den Meetings anwenden. Ich studiere dual."

Ihr Unternehmen mag das "dual" nennen, die Hochschule Fresenius tut es nicht und gibt Alina für ihre Innogames-Zeit auch keine Credits. "Das Label ,dual' wird gern benutzt, weil es in Deutschland eine sehr gute Reputation genießt", sagt Tilman Dörr und verweist auf die Rechtsgrundlage des Akkreditierungsrats, nach der ein duales Studium auch organisatorisch und vertraglich verzahnt sein muss. Im Unterschied zum berufsbegleitenden Studium, das nicht Teil des Arbeitsvertrages ist – also in der Freizeit besucht wird. "Das berufsbegleitende Studium wird häufig in Teilzeit absolviert, da ist die größte Schnittmenge", sagt Dörr. Oft handelt es sich um ein Studium neben dem Beruf, während ein duales Studium mehr Berufspraxis oder auch Berufsausbildung neben dem Studium ist.

Aber egal wie man das Teilzeitstudium nennt: Wer es zum Abschluss bringt, beweist Motivation, Belastbarkeit und Durchhaltevermögen. Und kann in der Regel Prioritäten setzen. So auch eine Teilzeitstudentin der HAW Hamburg, die auf die Anfrage, ob sie von ihren Erfahrungen berichten könnte, per SMS antwortete: "Die nächsten Wochen sind so vollgepackt, da muss ich leider zu allen Anfragen nein sagen."

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